solidarity

Pit Scherzl beendet seinen Hungerstreik aus gesundheitlichen Gründen

Aufgrund starker physischer Beschwerden sah ich mich aus Gründen des Eigenschutzes leider veranlasst, den am 14.06.2012 fortgeführten Hungerstreik am 18.Tag abzubrechen.

Urplötzlich war der Kreislauf völlig im ‚Keller‘ und ich wurde fast ohnmächtig. Ebenso urplötzlich konnte ich dann aufgrund von sich vor beiden Augen bildenden dichten Grauschleiern für die Dauer von 2 Stunden nichts mehr sehen. Derartiges habe ich innerhalb der letzten 2 Jahre zwar schon einige Male erlebt,- dies jedoch stets jeweils nur für 1-2 Minuten. Ist wohl eine Begleiterscheinung der Diabetes an der ich erkrankt bin. Auch waren diesmal im Gegensatz zum vorherigen 30-tägigen Hungerstreik die Blutzuckerwerte völlig daneben. Derartige Beschwerden hatte ich zuvor nicht, – sie traten völlig überraschend auf. Das von mir benutzte Mineralwasser hatte einen ’seltsamen‘ Geschmack, dem ich aber beim Trinken erst einmal keine besondere Bedeutung beimaß. (…)

Wie dem auch sei:

Sinn und Zweck des Hungerstreiks ist der relativ öffentliche Protest gegen die vielfach rechtswidrigen und teilweise auch als kriminell zu bezeichnenden Haftbedingungen, zu denen weder ich noch andere Gefangene verurteilt wurden und beileibe nicht der, mich hierdurch zu schwächen oder gar nachhaltig zu schaden. Und so habe ich mich aufgrund der geschilderten „Nebenwirkungen“ dann kurzfristig entschlossen, den Hungerstreik zu beenden.

Nichtsdestotrotz geht mein Kampf gegen dieses Rechtsbeuge-und Foltersystem unvermindert weiter,- innerhalb der Inhaftierung für mich jedoch nicht mehr in Form von Hungerstreiks. Derartige Form des Protests macht ohnehin nur dann Sinn, wenn sich das Gros der Inhaftierten anschließen würde oder wenn sie sich entschließen würden, sich diesem Systemganz ruhig und friedlich zu entziehen, indem sie „nur“ ganz einfach jedwede Arbeit ablehnen und in den Zellen blieben. Es sind einzig Gefangene, die dieses Rechtsbeugesystem in Gang halten und somit ermöglichen. Sie sind es, die alle für das Funktionieren der Knäste erforderlichen Arbeiten verrichten. Taten sie es nicht… – ließen sie sich nicht handeln wie eine Herde Schafe…. bräche jedes Knastsystem innerhalb von wenigen Stunden völlig zusammen. Ausdrücklich erkläre ich, dass ich hierzu nicht aufrufe, denn das würde den Straftatbestand des Aufrufs zur Gefangenenmeuterei verwirklichen und wäre denen willkommener Anlass, mir 2-3 Jahre vollzuglichen „Nachschlag“ zu verpassen, die ich dann zudem in Isolationshaft verbrächte, wo es dann gar keine Zeugen für Willkür, Schikane, Terror und Folter mehr gäbe. An ‚Rädelsführern‘ statuieren sie äußerst abschreckende Exempel. Fakt ist jedoch – und dies darf gern einmal mehr gesagt werden: Blieben Zehntausende Gefangene in den Zellen … und gäbe es keine ‚Rädelsführer‘ …. was würden sie schon machen können? Wie wollen sie Zehntausende bestrafen und isolieren? Besonders wenn alle anderen sich solidarisch erklären würden? Unmöglich !!! Meine Begründung für’s in der Zelle bleiben wäre schlicht und einfach: „Mir geht es aufgrund der rechtswidrigen Haftbedingungen, der fehlenden Resozialisierung, des schlechten Essens u.a. psychisch schlecht. Meuterei? Damit habe ich nichts zu tun. Schickt mir einen Psychologen, Sozialarbeiter, Seelsorger und verändert dieses System!“ Was wollen sie dann machen? Für was? Dass sie – jeder für sich – friedlich protestiert haben? 🙂 Das ist nicht verboten!!!

Ich danke allen, die mich anlässlich meines Protestes unterstützt haben, – insbesondere dem Gefangenen-Info (Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen u. FreundInnen) und dem Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V., sowie Alex Stricker aus Berlin, der ebenfalls unermüdlich für Öffentlichkeit sorgt.

In diesem Sinne und mit solidarischen Grüßen aus der Isohaft ohne Freistunde seit über 3 Monaten

Peter Scherzl