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Pressemitteilung der Verteidigung der DD: Angeklagten im Antifa Ost-Verfahren zum Prozessauftakt am 08.09.2021

Für uns ist das Verfahren ein Testballon, mit dem sächsische Polizei und Justiz in Zusammenwirken mit der Bundesanwaltschaft ausloten wollen, wie weit der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung des § 129 StGB ausgedehnt werden kann. Im Jahr 2017 wurde der § 129 StGB geändert, eine Gesetzesänderung, die darauf gemünzt war, eine adäquate strafrechtliche Antwort auf die Gefahr zu finden, dass die so genannte Organisierte Kriminalität den Staat unterwandert. In dem Verfahren, in dem heute der erste Prozesstag war, wird nun der § 129 StGB instrumentalisiert, um einer Reihe von einzelnen Körperverletzungsdelikt gegen rechte Kader und andere Personen der rechten Szene übergroßes Gewicht zu verleihen.

Aus dem Bereich der sächsischen Ermittlungsbehörden ist dieses Vorgehen durchaus bekannt. Seit dem Jahr 2009 werden in Sachsen durchgängig Ermittlungsverfahren nach § 129 StGB gegen linke Aktivist:innen geführt. Allerdings wurden diese Verfahren nach jahrelangen Ermittlungen und massiven Eingriffen in die Privatsphäre von Betroffenen und Drittbetroffenen, darunter auch eine Vielzahl von Berufsgeheimnisträger:innen mangels Tatnachweis eingestellt.

Auch im hiesigen Verfahren stammt das, was vom Generalbundesanwalt als Beweis vorgelegt wird, zum Teil aus derartigen tief in die Privatsphäre eingreifenden Maßnahmen, die aufgrund vager Verdachtsmomente gegen einzelne Personen eingesetzt wurden. Allerdings konnte selbst mit diesen tiefgreifenden Maßnahmen kein Hinweis für das Bestehen einer strukturierten Gruppierung gefunden werden.

Die Bundesanwaltschaft selbst räumt in der Anklageschrift ein: „Das genaue Datum der Gründung der Vereinigung, deren Umstände und die daran beteiligten Personen sind nicht bekannt“. Verhandelt wird hier über eine angebliche Vereinigung ohne Namen – es sind keine festen Treffpunkte, keine Kommunikation der Vereinigung untereinander bekannt, es gibt keine Kommunikation der Vereinigung nach außen, keinerlei so genannte Bekennerschreiben oder ähnliches. Nachdem die Ermittlungsbehörden trotz umfangreicher Ermittlungen nichts gefunden haben, das das Bestehen einer Struktur belegt, macht der Generalbundesanwalt mit der Anklage kurzerhand die Begehung einzelner Taten durch mehrere Personen und ein Sammelsurium von Einzelpunkten zu Arbeitsverhältnissen, Freundschaften, Studieninhalten, politischen Einstellungen pp zur Grundlage für das Konstrukt der angeblichen Vereinigung.

Viele im Rahmen der Ermittlungen richtig oder falsch ermittelten Details aus dem Privatleben der Angeklagten wurden an die Presse weitergegeben, die zum Teil mit reißerischer Sprache ein Bild entstehen ließ, das suggeriert, dass es um ein Verfahren gegen vermeintlich für die Allgemeinheit hochgefährliche Angeklagte geht.

Dass der Generalbundesanwalt das Verfahren übernommen und Anklage zu einem Oberlandesgericht und nicht – wie es richtig gewesen wäre – bei einem Landgericht erhoben hat, was eigentlich eine besondere Bedeutung des Falls für den Staat als solches voraussetzt, trägt sein Übriges bei. Auch dass das Verfahren im Hochsicherheitssaal stattfindet, produziert erneut ein Bild.

Das Bild aus der Anklage beruht auf einseitigen Interpretationen und Zirkelschlüssen der Ermittlungsbehörden, aus von politischen Interessen geleiteter Ermittlungsarbeit der regionalen Polizeibehörden und nicht zuletzt auch aus Aussagen von jedenfalls teilweise auch aus politischen Gründen an einer Verurteilung interessierten Geschädigten aus der rechten Szene.

Wir fordern, dass in dem Prozess vor dem Oberlandesgericht sachfremde Einflüsse keine Rolle spielen dürfen, seien es die von der Presse gezeichneten einprägsamen Bilder, sei es der politische Verfolgungseifer von bestimmten Ermittlungsbehörden oder bestimmten Zeugen, oder seien Überhöhungen und Fehlinterpretationen zur Rechtfertigung eines einmal erhobenen Vereinigungs-Vorwurfs durch den Generalbundesanwalt.

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