Razzien in Nürnberg: Kurdischer Aktivist Tahir Köçer festgenommen

Der bekannte kurdische Aktivist Tahir Köçer ist in Nürnberg festgenommen worden, das Medya-Volkshaus e.V. und mehrere Privatwohnungen wurden durchsucht. Fed-Gel verurteilt die Durchsuchungen und fordert die sofortige Freilassung von Köçer.

In Nürnberg haben am frühen Morgen Hausdurchsuchungen stattgefunden, der langjährige kurdische Aktivist Tahir Köçer wurde festgenommen. Durchsucht wurden das Medya Volkshaus e.V. und Privatwohnungen.

Der in Baden-Württemberg und Bayern organisierte Verband Fed-Gel verurteilt die Durchsuchungen und die Festnahme als „Kriminalisierungs- und Unterdrückungsversuch“. Der erneute Repressionsschlag sei „enttäuschend für das kurdische Volk“, erklärt Fed-Gel in einer Stellungnahme und betont: „Das kurdische Volk soll mit seiner gesamten Existenz ausgelöscht werden und hat das natürliche Recht, sich auf der Basis legitimer Selbstverteidigung zu organisieren und zu kämpfen.“

Der Verband beschuldigt die deutsche Bundesregierung für ihre Komplizenschaft mit dem türkischen Staat und ihrem Schweigen zu den in Kurdistan begangenen Verbrechen und erklärt: „Es steht dem deutschen Staat nicht zu, Menschen, die vor einem Völkermord ins Exil nach Deutschland flüchten, mit Durchsuchungen zu kriminalisieren. Als in der Diaspora lebende Kurdinnen und Kurden erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie uns zuhört und mit uns gemeinsam nach Lösungen für unsere Probleme sucht. Stattdessen verhält sich Deutschland wie der verlängerte Arm des türkischen Staates.“

Fed-Gel fordert Respekt vor kurdischen Institutionen und die sofortige Freilassung von Tahir Köçer.

Wer ist Tahir Köçer?

Tahir Köçer ist Mitglied im Nationalkongress Kurdistan (KNK) und war bis Juni 2021 Ko-Vorsitzender des bundesweiten Verbands KON-MED. In diesen Funktionen tritt er seit vielen Jahren bei Veranstaltungen in Deutschland öffentlich auf, so etwa im vergangenen Juni beim Forum „28 Jahre PKK-Betätigungsverbot. Jetzt reden wir!“ in Berlin. Als Ko-Vorsitzender von KON-MED formulierte er im Vorfeld der Bundestagswahlen von 2021 Forderungen und Erwartungen der kurdischen Community an die antretenden Parteien.

Zu den Prinzipien von KON-MED gehören die Wahrung der grundlegenden Menschenrechte, die Gleichstellung der Geschlechter, die demokratische Teilhabe und die Verbreitung des ökologischen Bewusstseins. Diese sollen unter den Mitgliedern der an den Verband angeschlossenen Organisationen gefördert und gestützt werden. Rund 250 kurdische Einrichtungen, Stiftungen und Vereine mit tausenden Mitgliedern organisieren sich unter dem Dach von KON-MED. Damit ist KON-MED der größte Dachverband der schätzungsweise bis zu einer Million in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden.

Tahir Köçer wird in der Türkei politisch verfolgt und steht auch in Deutschland seit langer Zeit im Fokus der Justiz. Im April 2019 wurde Köçer vor dem Amtsgericht Braunschweig zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er auf einer Demonstration für die Freiheit des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan die Parole „Bijî Serok Apo“ (Es lebe Apo) skandiert haben soll. Im Oktober desselben Jahres musste er sich aufgrund eines Rechtshilfeersuchens der türkischen Justiz vor dem Amtsgericht Hannover wegen „Präsidentenbeleidigung“ rechtfertigen. Ein Prozess wegen Verstoß gegen das PKK-Betätigungsverbot in Lüneburg wurde im März 2022 eingestellt.

Razzien in Nürnberg

Die letzte große Razzia gegen die kurdische Bewegung in Nürnberg hat im Mai 2021 stattgefunden, auch dabei wurden das Medya Volkshaus e.V. und Privatwohnungen durchsucht. Der kurdische Aktivist Mirza B. wurde verhaftet und zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Im selben Zeitraum wurden der Aktivist Abdullah Öcalan in Heilbronn und der Musiker Mazlum Dora in Esslingen festgenommen. Einer der Redner auf einer Protestkundgebung in Heilbronn gegen die Repression und die deutsche Zusammenarbeit mit dem Erdogan-Regime war Tahir Köçer.

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