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Regierung will Fahnen und Zeitungen von revolutionären Organisationen aus Lateinamerika und Asien verbieten – und die von Islamisten

Die Regierungsfraktionen von CDU, CSU und SPD haben sich auf eine Verschärfung des § 86 im Strafgesetzbuch (StGB) geeinigt. Dieser stellt das „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ unter Strafe. Dazu gehören beispielsweise das Zeigen von Fahnen oder die Verbreitung von Publikationen der Organisationen.

Nach Willen der Bundesregierung soll der Paragraph nun um Organisationen ergänzt werden, die auf der „EU-Terrorsanktionsliste“ stehen. Die Gesetzesverschärfung soll noch vor der Sommerpause beschlossen werden.

In der Öffentlichkeit wird dieser Schritt derzeit vor allem mit einem verstärkten Vorgehen gegen die islamisch-fundamentalistische Hamas begründet, die eine der Kriegsparteien im israelisch-palästinensischen Konflikt ist. Tatsächlich wäre es jedoch durchaus möglich gewesen, gegen die Hamas einfach nur mit einem Vereinsverbot vorzugehen.

Nun soll jedoch jegliche „Propaganda“ für alle Organisationen, die von der EU als „terroristisch“ eingestuft werden, verboten sein. Etwa die Hälfte der dort gelisteten Organisationen sind islamisch-fundamentalistische Terror-Gruppen. Faschistische Organisationen werden nicht genannt, dafür viele linke Organisationen, sie sich in teils jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit faschistischen Diktaturen befinden:

Die „Communist Party of the Philippines“ (CPP), die eine zentrale Widerstandskraft im Kampf gegen den faschistischen Diktator Marcos war. Noch heute führt sie einen bewaffneten Kampf gegen die Regierung des rechten Präsidenten Duterte. Bisher ist sie in Deutschland nicht verboten, ihr Parteivorsitzender hält sich sogar bekanntermaßen in den Niederlanden auf.
Die „Kurdische Arbeiterpartei“ (PKK) ist in Deutschland bereits als Verein verboten. Sie streitet seit langem dafür, als kämpfende Partei gegen die „kolonialistische Besatzung“ der Türkei anerkannt zu werden.
Bei den „Teyrêbazên Azadîya Kurdistan“ („TAK“) (Freiheitsfalken Kurdistans) handelt es sich nach eigenen Angaben um eine Abspaltung der PKK. Beide Organisationen distanzieren sich voneinander, die tatsächliche Verbindung ist umstritten.
Die „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) kämpfte über Jahrzehnte für einen sozialistischen Staat in Unabhängigkeit von Sri Lanka, ist jedoch seit Jahren nicht mehr wirklich militärisch aktiv. Dennoch kam es erst kürzlich zu einer starken Abschiebewelle unter Tamilen in Deutschland. Nun sollen auch ihre Symbole verboten werden.
Das „Ejercito de Liberación Nacional“ (ELN) ist eine kolumbianische linke Guerillaorganisation, die auch nach der Aufgabe der FARC weiterhin einen bewaffneten Kampf unter anderem für eine „Agrarrevolution“ in Kolumbien führt. Bisher war ihre Tätigkeit ebenfalls in Deutschland nicht verboten.
Die „Popular Front for the Liberation of Palestine“ („PFLP“) kämpft seit Jahren in den besetzten Gebieten Palästinas bewaffnet für einen eigenständigen Staat. Im Unterschied zu offenen antisemitischen Organisationen wie der „Hamas“ oder dem „Islamischen Djihad“ propagiert sie dabei einen multireligiösen einheitlichen sozialistischen Staat, in dem die Religionen friedlich miteinander leben sollen.
Die „Devrimci Halk Kurtuluș Partisi-Cephesi“ (DHKP/C) befindet sich ebenfalls seit Jahrzehnten in einem bewaffneten Kampf gegen den türkischen Faschismus. Immer wieder werden Strukturen, die in Deutschland mit ihnen in Verbindung gebracht werden, kriminalisiert. So wurde erst am Wochenende ein Konzert der Gruppe „Grup Yorum“ durch die Polizei angegriffen.
Bei dem „Sendero Luminoso“ (SL) handelt es sich um eine peruanische maoistische Guerilla-Organisation, die Anfang der 1990er durch faschistischen Terror des rechtsgerichteten Präsidenten Alberto Fujimori weitgehend zerschlagen wurde. Bis heute gibt es noch Gruppen in Peru, die sich in der Tradition des SL sehen.
Damit handelt es sich bei der neuen Strafrechtsverschärfung nicht nur um ein Vorgehen gegen die Hamas, sondern tatsächlich gegen verschiedene islamistische wie auch linke Organisationen. Gerade letzter Aspekt wird jedoch in der öffentlichen Debatte bisher so gut wie nicht beachtet.

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