Repression gegen Kurd:innen im Fokus am 18. März in Nürnberg

In Nürnberg stand der Tag der politischen Gefangenen im Fokus der Repression gegen die kurdische Freiheitsbewegung. Der inhaftierte Aktivist Mirza B. riet: „Gebt niemals die Hoffnung auf ein freies Leben auf! Nach der Dunkelheit kommt das Licht.“

Zum Tag des politischen Gefangenen am 18. März organisierte die Ortsgruppe der Roten Hilfe in Nürnberg nachmittags eine Kundgebung im linken Stadtteil Gostenhof und am Abend eine Podiumsdiskussion zur Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung.

Auf der gut besuchten Kundgebung wurden in mehreren Redebeiträgen verschiedene Aspekte der Repression beleuchtet. Zu Wort kam auch ein Vertreter vom Medya Volkshaus Nürnberg. Er erinnerte zunächst mit einer Schweigeminute in die Gefallenen des Monats März und forderte dazu auf, nicht wegzusehen, wenn Menschen ermordet, gefoltert, weggesperrt werden. Praktische Solidarität sei gefragt – auch in Deutschland, wo Behörden Kurd:innen ins Visier nehmen und ihnen ihre demokratischen Grundrechte entziehen. Das Ziel der Repression – Einschüchterung und Rückzug – werde dann nicht erreicht werden, wenn alle zusammenstehen in ihrer Entschlossenheit, das Leben zu verteidigen. Um gemeinsam den Widerstand zu feiern und den Frühling willkommen zu heißen, lud das Medya Volkshaus alle Anwesenden zum diesjährigen Newroz in Nürnberg am kommenden Dienstag bzw. zur zentralen Demonstration am nächsten Samstag in Frankfurt a.M. ein.

Grußbotschaft von Mirza B.

In einem weiteren Redebeitrag wurde eine Grußbotschaft des kurdischen Gefangenen Mirza B. überbracht. Nach Abschluss seiner mündlichen Verhandlung wegen §§ 129a/b wurde er in die Justizvollzugsanstalt Bayreuth verlegt – mittlerweile das dritte Gefängnis, das er kennenlernen „durfte“.

Mirza B. ließ zunächst seinen Dank für die Solidarität in Form von Briefen, Postkarten und der Prozessbegleitung ausrichten. Dies habe ihm viel Moral gegeben. Er ging dann auf die Tragödien ein, die Kurd:innen in den letzten Monaten durchleiden mussten und die ihn in seiner Zelle mit Schmerz erfüllten: Der Krieg des türkischen Staates gegen die Freiheitsbewegung und die Ignoranz von Politik und Medien, diesen wahrzunehmen; das erneute Massaker in Paris, die zweite Razzia in Nürnberg mit der Verhaftung von Tahir K. und schließlich das Erdbeben am 6. Februar in der türkisch-syrischen Grenzregion. Hier habe sich wieder gezeigt, so die Einschätzung von Mirza B., dass vom Staat keine Hilfe zu erwarten ist. Was die Menschen wirklich brauchen, seien Strukturen der Solidarität in einer selbstorganisierten Gesellschaft. Er rief dazu auf, die Opfer der Katastrophe zu unterstützen durch Spenden an die Hilfsorganisation Heyva Sor a Kurdistanê, die garantiere, dass das Geld nicht in die Hände des Staates gelangt und dort versickert.

Über seine Haftsituation ließ Mirza B. wissen, er wollte seine Zelle in eine Akademie verwandeln, doch er werde weiterhin von Informationen über sein Volk abgeschnitten – zum Beispiel durch die Weigerung, ihm die Zeitung Yeni Özgür Politika auszuhändigen. Er vermutet, der deutsche Staat wolle verhindern, dass er daraus Moral schöpfe. Seine Antwort darauf: Man braucht keine Zeitung, um anderen vom Freiheitskampf zu erzählen. Ja, man braucht nicht einmal zu reden… Darüber hinaus sei weiterhin die Zustellung von Briefen ein Problem; natürlich wird alles gelesen, und auch immer wieder zurückgehalten oder verzögert.

Zum Schluss spricht Mirza B. noch von der Hoffnung, die ihn aufrecht erhält: Er wisse, dass draußen, auf den Bergen, in den Ebenen, in den Dörfern und Metropolen der Kampf für ein freies Leben weitergeht. Er riet: „Gebt niemals die Hoffnung auf ein freies Leben auf! Nach der Dunkelheit kommt das Licht.“ Sein Grußwort endete mit drei Parolen: „Es lebe der internationalistische Widerstand! Es lebe der Freiheitskampf des kurdischen Volkes! Bijî berxwedana gerîla! – Es lebe der Widerstand der Guerilla!“

Podiumsdiskussion zur Kriminalisierung der kurdischen Bewegung

Auf der Podiumsdiskussion am Abend unter dem Titel „Verschärfte Repression gegen Kurden?“ diskutierten Vertreter des Rechtshilfefonds AZADÎ, der Föderation der Völker Kurdistans (FED-GEL) sowie Rechtsanwalt Yunus Ziyal die Repressionspraxis deutscher Behörden. Azadî hob zunächst die gute Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe hervor („Zwischen uns passt kein Blatt“) und gab dann einen Abriss der Verfolgungspraxis gegen Kurd:innen in Deutschland – vom Düsseldorfer Prozess über die Ermordung von Halim Dener, die Verfolgungsermächtigung von 2011 und die Ausweitung des Symbolverbots 2017. Es sei interessant zu sehen, dass keine der Maßnahmen geholfen hat, die PKK wirklich zu schwächen. Der Grund hierfür sei, dass es sich um eine Volksbewegung handle, die sich auch immer wieder neu erfindet.

Rechtsanwalt Yunus Ziyal beschäftigte sich mit der rechtliche Einordnung der verschiedenen Maßnahmen, die der Staat gegen die Freiheitsbewegung anwendet. Die §129-Verfahren seien dabei nur die Spritze des Eisbergs. Die durch die Verfolgungsermächtigung gegen die PKK möglichen „Strukturermittlungen“ dienen vor allem dazu, das gesamte Umfeld auszuspionieren. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden dann häufig verwendet, um mithilfe des Aufenthalts- und Asylrechts sowie des Vereins- und Versammlungsrechts Kurd:innen einzuschüchtern, zu schikanieren und ihre Existenz in Deutschland zu bedrohen.

Der Vertreter von FED-GEL warf einen Blick auf die Verfolgungspraxis in der Türkei und ging dann auch ein auf die aktuelle Situation nach dem Erdbeben und vor den anstehenden Wahlen. Er betonte die Notwendigkeit eines „dritten Wegs“, den die Demokratische Partei der Völker (HDP) als Alternative zum islamo-faschistischen AKP/MHP-Regime und zum kemalistisch angeführten Oppositionsbündnis anbietet. Es sei an der Zeit, den maroden türkischen Staat in eine Phase der Demokratisierung überzuführen und damit die Lösung der kurdischen Frage anzugehen.

Zum Schluss erging noch einmal der Appell, die politischen Gefangenen hier nicht alleine zu lassen. In Deutschland sind zurzeit zwölf kurdische Aktivist:innen in Untersuchungs- oder Strafhaft. Alle Inhaftierten freuen sich über Post von draußen. Auch Prozessbegleitung sei wichtig. Die Teilnahme an den Verhandlungen ist nicht nur für die Gefangenen ein Zeichen der Solidarität, sondern bietet auch eine Lehrstunde über deutsche Justiz. Die Adressen der Inhaftierten sowie die aktuellen Prozesstermine werden jeweils im Azadî-Infodienst veröffentlicht.

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