Rigaer94: Sommergewitter in meinem Block

Seitdem wir noch am 12. Juli von Reflexionen, Erkenntnissen und unserer aktuellen Situation berichtet haben, ist mehr passiert als uns lieb wäre. Wann sich dieses Sommergewitter zu einem ausgewachsenen Sturm entwickeln wird ist noch unklar, dass ungemütliche Zeiten auf unser Haus in der Rigaer Straße 94 zu rollen ist unausweichlich. Zum Kontext aus unserem Text vom 12. Juli:

“Seit dem 3. Januar 2024 ist nicht mehr Mark Robert Burton sondern Lisa Close „Director“ der Lafone Investments Limited. […] Außer der Rigaer94 gibt es kein anderes Haus, das die Briefkastenfirma als ihr Eigentum anführt. […] Es ist klar, dass das Firmengeflecht dafür da ist, den von Aretin selbst als „Familienvater“ bezeichneten vermeintlichen Eigentümer Leonid Medved als Geschäftsführer der Centurius Immobilien Handels GmbH (Kurfürstendamm 92, 10709 Berlin) und seine Geschäfte zu verschleiern. […] Zusammengefasst geht es juristisch immer um den Beweis, dass Lafone, Coraline, und so weiter, Strohfirmen sind und welche Auswirkungen der Brexit auf die Handlungsmacht einer britischen Limited außerhalb der britischen Grenzen hat. Während, wie es scheint, Leonid Medved von Berlin aus das Geschehen leitet. […] Sonst gab es eine erste Serie von klageabweisenden Urteilen der Räumungsklagen gegen die seit 1992 bestehenden Mietverträge als auch gegen Personen, die durch die Razzia vom Oktober 2021 diesen Klagen hinzugefügt wurden. In den kommenden Monaten fangen die Berufungsverhandlungen an. Am 4. September findet der erste dieser Prozesse vor dem Landgericht Berlin statt.”

Nun ohne große Umschweife das Wichtigste: Bis auf eine Person der Inhaber:innen der Mietverträge von 1992, haben alle Altmietvertragsinhaber:innen – in Zusammenarbeit mit dem Anwalt Marek Schauer (Eitelstraße 77, 10317 Berlin) – eine Einigung mit dem:der “Eigentümer:in” der Rigaer94 erzielt, um die bestehenden Mietverträge einvernehmlich und außergerichtlich aufzulösen. Diese waren, die noch existierenden Mietverträge im Seitenflügel und Hinterhaus.

Teil dieser Einigung ist, dass die Räumungsansprüche, die vor Gericht verhandelt wurden und noch verhandelt werden sollten, durch die Altmietvertragsinhaber:innen anerkannt wurden. Die Verfahren, die ausschließlich gegen diese geführt wurden, sind somit beendet. Weitergeführt wird zum Einen das Verfahren gegen den:die einzige:n Altmietvertragsinhaber:in, welche nicht die “Einigung” eingehen wollte. Zum Anderen werden die Verfahren, in denen zusätzlich zu den Altmietvertragsinhaber:innen weitere Personen verklagt werden, weitergeführt. Diese Personen wurden bei der Razzia im Oktober 2021 entweder persönlich oder durch gefundene Dokumente “festgestellt” und daraufhin zu den Räumungsklagen hinzugefügt.

Als direkte Konsequenz dieser, im Hinterzimmer verhandelten “Einigung” zwischen ehemaligen Besetzer:innen und dem Kapital, ist ab sofort der überwältigende Teil des Hinterhauses und Seitenflügels der Rigaer94, zum ersten mal seit 1992 ohne diese Mietverträge. Es bleibt, Stand jetzt, nur ein einzelner Mietvertrag bestehen.

Wir halten rein garnichts von dieser “Einigung”, zwischen den ehemaligen Mietvertragsinhaber:innen mit dem:der “Eigentümer:in”. Nach mehr als 30 Jahren sehen wir dies als eine weitere Eskalation der Legalisierungswelle der 1990er Jahre in Berlin, welche nach der lang und viel umkämpften Räumung der Mainzer Straße Ende 1990 begann. Damals handelten ein großteil der besetzten Häuser, wie auch die damaligen Besetzer:innen der Rigaer Straße 94, Einigungen mit der Stadt und den “Eigentümer:innen” aus, um sich selbst zu legalisieren. Als direkte Folge ist die heute zum großenteil inaktive oder subkulturelle “Hausprojekt-Szene” entstanden. Während sich die damaligen “Einigungen” noch von den radikalsten Forderungen der Hausbesetzungen distanzierten, distanzieren sich die Altmietvertragsinhaber:innen heute sogar von der Forderung nach dem Haus. Schritte wie diese “Einigungen”, werden oft mit “Sicherheit” begründet, doch “Sicherheit” für wen genau? Vor allem in den letzten 2 Jahren haben die Altmietvertragsinhaber:innen mehrfach versucht Druck auf uns auszuüben, den Weg der Legalisierung, den sie damals gegangen sind weiterzugehen und zu versuchen die Rigaer94 zu kaufen. Damals wie heute haben wir das entschieden abgelehnt, weil es uns eben nicht um unsere individuelle Sicherheit geht. Unser Haus ist nicht mehr oder weniger wert, als die Wohnungen anderer in dieser Stadt und die Sicherheit unserer Wohnverhältnisse interessiert uns herzlich wenig, solange andere nicht wissen, wo sie sich ein Zuhause zusammenbasteln können.

Trotz all unserer Entscheidungen das Haus nie zu legalisieren, können wir nicht bestreiten, dass uns die bis jetzt existierenden Mietverträge eine gewisse legale “Sicherheit” gegeben haben. Das Haus ist im Grunde ein Resultat, der 1992 entstandenen Verträge, obwohl es wahrscheinlich für alle besser gewesen wäre, wenn diese nie gemacht worden wären… Nun da die Mietverträge zum Großenteil verloren sind verspüren wir unterschiedliche Emotionen! Wir sind traurig, ängstlich und wütend, nichtsdestotrotz aber auch angriffslustig und zuversichtlich, dass wir auch die kommenden Angriffe gemeinsam überstehen werden – zu viele haben schon zu oft unser Ende verkündet und auch dieses mal können sich alle auf Überraschungen gefasst machen!

Unser Haus wird immer antagonistisch gegenüber Staat und Kapital bleiben. Das heißt für uns unter anderem, dass wir nicht für Wohnraum und für den Ort unserer Ideen, mit der Stadt oder dem:der “Eigentümer:in” verhandeln werden. Damals, wie heute! Wir wollen weiterhin mit allen Menschen, welche die gleichen Ideen wie wir verfolgen, gegen Kapital, Kolonialimus, Patriarchat, sowie allen anderen Herrschaftsformen kämpfen. Unser Haus sehen wir als kleinen Teil in diesem Kampf an und werden es deshalb außerhalb, sowie innerhalb der Mauern mit unseren Ideen verteidigen.

Wie immer laden wir euch ein das Haus mit uns mitzugestalten! Wir sehen uns aber auch – wie immer – bei Veranstaltungen (Küfa: Mittwochs, Donnerstags 20:00 Uhr), in der Rigaer94 und an allen anderen kämpferischen Orten, die sich weiterhin den Angriffen des Staates und seinen Handlanger:innen entgegenstellen. Im Herzen und von Angesicht zu Angesicht! Wir sehen uns auf der Straße!

https://rigaer94.squat.net