Gefangenenprotest in Frankreich: Nacktdurchsuchungen ohne gesetzliche Grundlage. Gespräch mit Pinar Eski –
Ihr in Frankreich inhaftierter Mann Nezif Eski befand sich 58 Tage im Hungerstreik. Warum hat er zu diesem drastischen Mittel des Protests gegriffen?
Der Grund ist, daß er sich zur Durchsuchung nach jedem Besuch seiner Familie ganz ausziehen mußte. Diese unmenschliche Behandlung konnte und wollte er nicht akzeptieren. Seit 2009 ist es ja auch so, daß systematische Durchsuchungen ohne konkreten Anlaß gesetzlich nicht erlaubt sind.
Nacktdurchsuchungen also nur bei Verdacht?
Ja, nur, wenn sie irgendwas in der Hand haben, etwa wenn jemand dabei erwischt wurde, Drogen ins Gefängnis zu schmuggeln oder ähnliches. Dann oder wenn sie eine richterliche Anordnung haben, können sie die Nacktdurchsuchungen durchführen. Bei meinem Mann ist all das aber nicht der Fall.
Spätestens ab dem 50. Tag wird die gesundheitliche Situation eines Hungerstreikenden sehr kritisch. Wie geht es Ihrem Mann?
Als ich ihn am Freitag, dem 3. Mai, besucht habe, hat der Direktor des Gefängnisses angeordnet, daß wir uns nur durch ein etwa 30 Zentimeter breites und hohes Fenster sehen dürfen.
Ich konnte nur sehen, daß er sehr, sehr stark abgenommen hat. Und er wurde sehr schnell müde. Wir konnten uns 45 Minuten sehen, und am Ende konnte er nicht mehr.
Und dann haben sie am vergangenen Montag meinen Mann, ohne uns oder unserem Rechtsanwalt Bescheid zu sagen, in ein anderes Gefängnis, nach Fleury, verlegt. Auch mein Mann selbst wußte vor der Verlegung nicht, in welche Haftanstalt man ihn jetzt bringt. Die Gefängnisleitung sagt, sie können das einfach so machen, ohne die Familie zu informieren.
Nezif Eski werden in Frankreich keine konkreten Straftaten vorgeworfen. Warum ist er überhaupt verhaftet worden?
In der Gerichtsakte über meinen Mann findet sich kein Hinweis auf eine illegale Handlung. Bei einer Hausdurchsuchung bei uns war das einzige, was sie gefunden haben, ein Poster von Che Guevara. Sie können uns überhaupt nicht sagen, was mein Mann Illegales gemacht haben soll. Sie haben nichts Gesetzwidriges bei ihm gefunden, er hat an keinen illegalen Veranstaltungen teilgenommen, nichts. Er ist verhaftet worden, nur weil er nicht geleugnet hat, daß er Marxist-Leninist ist und für die Idee des Sozialismus eintritt.
Ich bin im siebten Monat schwanger, wir haben eine vier Jahre alte Tochter. Mein Mann hat nichts Illegales getan. Zu Demonstrationen wie der am 1. Mai sind wir immer gemeinsam gegangen. Für mich ist es unmöglich zu akzeptieren, daß er jetzt drei Jahre lang ins Gefängnis muß.
Dazu kommt, daß mein Mann krank ist. Er leidet unter Clusterkopfschmerzen. Normalerweise soll er nicht alleine sein. Wenn er einen Anfall hatte, war ich immer da und habe darauf geachtet, daß er mit seinem Kopf nicht irgendwo dagegen schlägt. Bei einem Anfall hat er so unerträgliche Schmerzen, daß er das nicht kontrollieren kann. Er braucht eine Sauerstoffmaske zur Beatmung, die sollte er immer bei sich haben. Als er in Fleury ankam, haben sie ihm die sofort abgenommen. Außerdem gibt es im Unterschied zu Fresnes kein Gefängniskrankenhaus in Fleury. Für meinen Mann ist das aber wichtig. Wenn er irgendwelche Verletzungen hat oder etwas passiert, muß erst autorisiert werden, daß er in ein Krankenhaus gebracht werden kann. Es ist eine unmögliche Situation.
Die französischen Gefängnisse haben ja ohnehin einen eher schlechten Ruf …
Ja. Vor wenigen Tagen habe ich zum Beispiel einen Bericht über eine Gefangene in Lyon gelesen, die sich ebenfalls gegen Nacktdurchsuchungen wehrt. Sie hat vor Gericht recht bekommen, aber das Ganze geht trotzdem weiter, es ist ihnen einfach egal.
Bei meinem Mann ist es ähnlich. Unsere Rechtsanwälte hatten vor dem Gericht in Melun eine Entscheidung zugunsten meines Mannes erwirkt. Das Gefängnis Fresnes muß eine Strafe an meinen Mann und an eine Initiative zur Gefangenenunterstützung bezahlen. Die Nacktdurchsuchungen sollen aufhören. Und dann kam die Entscheidung, meinen Mann zu verlegen.
Das heißt, die Verlegung war unmittelbar nach dem Gerichtsurteil?
Samstags hatte das Gericht entschieden und Montag wurde er verlegt, wie gesagt, ohne uns vorher Bescheid zu geben. Sie waren offensichtlich nicht glücklich darüber, daß da jemand Widerstand leistet.