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Sachsen: Proteste nach Urteil im zweiten Oury Jalloh Prozess

Nach dem Urteil aus der zweiten Verhandlung zum Tod des Dessauer Asylsuchenden Oury Jalloh steht nun fest, welche Konsequenzen der Fall für den verantwortlichen diensthabenden Beamten haben wird. Neben einer Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro darf er auch weiter Beamter bleiben und hat somit voraussichtlich auch Anrecht auf Pensionsansprüche. Ein deutlicher Hinweis der sachsen-anhaltinischen Justiz also, dass sich angeklagte Beamtinnen und Beamte auch in Zukunft keine Sorgen machen müssen, nach einem Gerichtsverfahren im Gefängnis zu landen.

 
Im Prozess um den Tod von Oury Jalloh hatte am 13. Dezember das Landgericht Magdeburg den zum damaligen Zeitpunkt diensthabenden Polizisten Andreas Schubert wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe (!) in Höhe von 10.800 Euro verurteilt. Das Gericht ging mit dem Urteil über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus und stellte in seinem Urteil fest, dass Jalloh gar nicht erst mit auf das Revier hätten genommen werden dürfen, da keine Straftat vorgelegen habe. Der Prozess war nötig geworden, nachdem der Freispruch gegen einen Beamten aus einem ersten Prozess vom Bundesgerichtshof am 7. Januar 2010 aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht in Magdeburg verwiesen worden war. Zuvor hatte die Vorsitzende Richterin Claudia Methling versucht, das fast zwei Jahre andauernde Verfahren „unter Berücksichtigung des Standes der Beweisaufnahme und der Verfahrensdauer“ gegen eine Geldauflage einzustellen.

Die Staatsanwaltschaft hatte in einem ersten Prozess vor dem Landgericht in Dessau-Roßlau dem Dienstgruppenleiter des Polizeireviers vorgeworfen, nicht auf das durch den Brand in der Gewahrsamszelle ausgelöste Alarmsignal gehört und und damit mögliche Verletzungen Oury Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen zu haben. Der Asylbewerber aus Sierra Leone war in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers in Dessau an den Folgen eines durch einen Brand der Matratze ausgelösten Inhalationshitzeschocks gestorben. Zuvor war er stark alkoholisiert wegen Belästigung von Frauen und Widerstandes gegen die Polizei festgenommen worden. Nach seiner Festnahme soll er die Matratze, auf der er von den Beamten an Händen und Füßen gefesselt worden war, selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben, obwohl er zuvor durchsucht worden war.

Das, was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat und Polizeibeamte, die in einem besonderen Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht. All diese Beamten, die uns hier belogen haben sind einzelne Beamte, die als Polizisten in diesem Land nichts zu suchen haben.

Richter Manfred Steinhoff in der Urteilsbegründungnach dem ersten Prozess

Das Dessauer Landgericht hatte den angeklagten Polizisten im ersten Prozess am 8. Dezember 2008 aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Es sei weder erwiesen, dass der Angeklagte Körperverletzungsvorsatz gehabt habe, noch sei nachweisbar, dass durch ein sofortiges Eingreifen der Tod Oury Jallows hätte vermieden werden können. Zahlreiche Indizien lassen jedoch erhebliche Zweifel an der Version der am Todestag zuständigen Beamtinnen und Beamten. So verschwanden ausgerechnet die Videobänder von der Durchsuchung der Zelle und auch die Tatsache, dass Oury Jalloh in seiner Zelle gefesselt worden war, war erst durch Nachforschungen der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt bekannt geworden. Der Tod Jallohs ist nicht der einzige Vorfall in diesem Revier, so wurde etliche Jahre zuvor ein Mann, der von der Dessauer Polizei alkoholisiert aufgegriffen und in Gewahrsam gesteckt worden war, am folgenden Morgen tot vor einem Hochhaus aufgefunden. Auch der Obdachlose Mario Bichtemann starb bereits 2002 in der gleichen Zelle wie Oury Jalloh nach einer Ingewahrsamnahme an den Folgen eines Schädelbasisbruchs.

Als Reaktion auf das Urteil war es in zahlreichen deutschen Städten zu Solidaritätsdemonstrationen gekommen. In Leipzig protestierten noch am gleichen Nachmittag zunächst etwa 40 Menschen auf dem Weihnachtsmarkt im Zentrum der Stadt gegen das in ihren Augen „skandalöse Urteil“. Am gleichen Abend zogen erneut etwa 100 Menschen lautstark durch den linksalternativen Stadtteil Connewitz, errichteten Barrikaden und zerstörten die Scheiben zahlreicher Geschäfte. Auch in Dresden versammelten sich am 28. Dezember etwa 30 Menschen. Sie protestierten in der Äußeren Neustadt gegen das Urteil und verteilten Flugblätter. Aufgrund der Ereignisse hat die Berliner Initiative in Gedenken an Oury Jalloh an seinem 8. Todestag eine Demonstration angemeldet. Die Initiative fordert neben einem Ende der Polizeibrutalität und behördlichen Rassismus auch neue Untersuchungen durch einen unabhängigen Brandgutachter. Treffpunkt für die Demonstration am 7. Januar ist ab 13 Uhr der Dessauer Hauptbahnhof. Im vergangenen Jahr waren nach einem Angriff der Polizei auf die Gedenkdemonstration mit etwa 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt worden.

Dokumentation: Oury Jalloh – Tod in der Zelle