„Solidarität muss praktisch werden!
Warum es so wichtig ist Gefangenen zu schreiben und sie in die tägliche Arbeit einzubeziehen.
Antirepressionsarbeit hat viele Gesichter, ob es nun Informationsveranstaltungen, Demonstrationen oder andere Aktionen zum Thema Repression und Eingesperrte sind. Ein wichtiger Gesichtspunkt dieser Arbeit, der direkte Kontakt zu den Inhaftierten, kommt leider oft zu kurz. Doch gerade dieses Gebiet ist unheimlich wichtig, zum einen für die Weggesperrten zum anderen für uns, da der Knast ein weiterer Schauplatz des Klassenkampfes und der Auseinandersetzung mit den Herrschenden ist. Viele sind hinter Gittern wegen „Eigentumsdelikten“, weil sie sich aufgrund ihrer Klassenlage und den damit verbundenen Lebensbedingungen „Nebenverdienstmöglichkeiten“ schaffen mussten oder ohne deutschen Pass keinen Zugang zu legalen Einnahmequellen haben. Andere weil sie aktiv gegen das kapitalistische System kämpfen.
Wir können Antirepressionsarbeit nicht losgelöst von Gefangenen betreiben, denn das wäre nichts anderes als Stellvertreterpolitik. Wir müssen vielmehr mit den Eingekerkerten zusammenarbeiten und unsere Praxis auch nach ihren Bedürfnissen ausrichten. Es muss uns darum gehen, die Stimme der Eingesperrten nach draußen zu tragen und ihnen einen Raum zu schaffen, wo sie sich artikulieren können. Wir können zwar von draußen versuchen uns den Knastalltag vorzustellen und theoretisch wissen bestimmt viele wie so ein Tag dort aussieht. Was Gefängnis aber wirklich bedeutet wissen diejenigen, die tagtäglich damit konfrontiert sind und die die Bedeutung von direkter staatlicher Unterdrückung am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Von den Menschen, die man liebt, getrennt und immer mit der Übermacht des Apparats konfrontiert zu sein? Diese Fragen können nur die Betroffenen selbst beantworten.
Da der Staat versucht, die Gefangenen von den Kämpfen draußen zu trennen und sie zu isolieren, müssen wir dem entgegenwirken, indem wir Kontakt zu ihnen zu suchen und so Möglichkeiten zu regem Austausch schaffen.
Unsere Aufgabe ist es sowohl die Inhaftierten in ihrem tagtäglichen „Kleinkrieg“ gegen die Repression zu unterstützen und ihn gemeinsam mit ihnen zu führen, als auch sie in unsere Auseinandersetzungen hier draußen einzubeziehen. So können wir unserem Ziel, dem Niederreißen der Mauern vorgreifen. Genau das wollen die Herrschenden verhindern.
Der Kampf hinter Gittern ist ein existenzieller. Er ist anders bestimmt als die Kämpfe draußen. Aber auch wir müssen uns alltäglich wehren. Sonst sind die Gefangenen nur Projektionsfl äche für Kämpfe, die mensch selbst nicht führt. Wir können von den Gefangenen lernen auch unter schwierigsten Bedingungen zu widerstehen. Das sollte für uns der Ansporn sein, unsere Auseinandersetzungen zu intensivieren. Aber auch die Weggekerkerten können durch uns mitbekommen, wie das Leben draußen weitergehen kann und im Moment Kämpfe geführt werden. Damit können die Trennungen zwischen draußen und drinnen tendenziell aufgehoben werden.
Wir müssen aufhören die Gefangenen getrennt von unseren Strukturen draußen zu sehen, denn sie sind kämpfende Subjekte, die gerade im Knast mit der Repression der Herrschenden konfrontiert sind. Auf diesem Terrain sind die Widersprüche noch viel zugespitzter als draußen. Im Knast gibt es keine Rückzugsmöglichkeiten, denn es ist ein täglicher Kampf um die persönliche Integrität und politische Identität. Der Widerstand richtet sich gegen den Versuch Menschen und ihre Ideen zu brechen und ihnen eine kapitalistische Verwertungslogik aufzudrücken. Die Repressionsbehörden mögen unsere Genoss_innen hinter dicken Mauern wegsperren, es darf ihnen jedoch nicht gelingen uns zu trennen und die Gefangenen von der Bewegung zu isolieren. Die Isolation zu durchbrechen ist für drinnen wie draußen wichtig, denn nur wenn die Menschen hinter Mauern auch Teil unserer Praxis sind, schaffen wir bessere Bedingungen, für weitere Kämpfe auf dem Weg zur einer befreiten Gesellschaft. Hier noch zwei Zitate von Eingesperrten, die zeigen, wie wichtig die Solidarität ist: „… Eure Briefe sind für mich sehr wichtig, weil ich dann meine Einsamkeit vergesse…“ „… Es tut sehr gut, wenn ich von Euch Briefe erhalte. Ich kann Dir dieses Gefühl mit Worten nicht beschreiben…“
Hier noch ein paar praktische Tipps:
* Legt auf Veranstaltungen Postkarten und Adresslisten aus und fordert die Besucher_ innen auf, den Gefangenen zu schreiben
* Schreibt Postkarten und Briefe, legt Briefmarken für die Inhaftierten dazu ? Berichtet ihnen in Briefen von Infoveranstaltungen, die ihr macht
* Schickt Grußadressen an die Weggesperrten
* Macht das Schreiben „an die drinnen“ zu einem Teil eurer Praxis
* Thematisiert das Thema auf Veranstaltungen und Demos
Gefangenen Info Redaktion“
(abgedruckt im Gefangenen Info 346)