Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 eine grundlegende Veränderung und auch Verbesserung im Bereich des Vollzugs der Sicherungsverwahrung (SV) einforderte, hierfür eine Frist bis zum 31. Mai 2013 setzte, wird nun in der Presse vermehrt über die anstehende Neuregelung in diesem Bereich berichtet.
SV-Knast in Freiburg
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 eine grundlegende Veränderung und auch Verbesserung im Bereich des Vollzugs der Sicherungsverwahrung (SV) einforderte, hierfür eine Frist bis zum 31. Mai 2013 setzte, wird nun in der Presse vermehrt über die anstehende Neuregelung in diesem Bereich berichtet.
Vorgeschichte
Die SV wird stets nach Verbüßung der Freiheitsstrafe vollstreckt; beispielsweise in meinem eigenen Fall bedeutet dies, ich muss erst die bis zum 7. Juli 2013 dauernde Strafe absitzen und komme dann zum 8. Juli 2013 in die SV. Dort ist man dann nicht mehr Strafgefangener, der nach der herrschenden Vorstellung für begangene Taten „büßen“ soll, sondern Sicherungsverwahrter. Der Staat entzieht einem die Freiheit für etwas, was man in der Zukunft möglicherweise tun könnte, die SV versteht sich also, zumindest nach Lesart der bundesdeutschen Justiz als rein präventiv wirkende Maßregel der Besserung und Sicherung (vgl. §§ 66 ff Strafgesetzbuch); der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hingegen sieht auch in der SV eine Strafe.
Da die Haftbedingungen bislang nur geringe Unterschiede zu der Strafhaft aufwiesen, forderte das Bundesverfassungsgericht im Mai 2011 eine erhebliche Umgestaltung ein, insbesondere sei ein Abstand zur Strafhaft einzuführen, der dem „Sonderopfer“, das den Verwahrten abverlangt würde, gerecht wird, zudem sei der Vollzug in der SV „freiheitsorientiert“ auszurichten, so dass möglichst bald eine Freilassung in erreichbare Nähe rücke und nicht – wie bislang – der Vollzug sich in bloßer, oft jahrzehntelanger Verwahrung erschöpfe.
Aktuelle Berichterstattung in der Presse
Während andere Bundesländer umfangreiche Neubauten für die jeweiligen Sicherungsverwahrten errichten, hierfür jeweils zweistellige Millionenbeträge investieren, begnügte man sich in Baden-Württemberg laut Stuttgarter Zeitung vom 19.04.2013 ( http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.justizvollzug-im-land-neue-regeln-fuer-die-sicherungsverwahrten.c20bb0a5-0304-4aa4-a025-70c3dd72adef.html) mit 950.000 Euro für bloße Umbaumaßnahmen, wobei dieser Betrag für männliche, wie weibliche Sicherungsverwahrte zusammen reichen musste (in Baden-Württemberg wird zur Zeit an 64 männlichen und einer weiblichen Verwahrten, so die Stuttgarter Zeitung, SV vollstreckt).
Der Landesjustizminister Stickelberger (SPD) eröffnete formell im März 2013 das Gebäude, in welchem zuvor Untersuchungsgefangene untergebracht waren, für die Sicherungsverwahrten in Freiburg; was die ansonsten durchaus als seriös geltende Süddeutsche Zeitung zum Anlass nahm für einen Artikel unter der Überschrift „Hotel hinter Gittern“ und sich darüber auszulassen, dass der SZ-Schreiberling eine „Sofalandschaft“, eine Dartscheibe und sogar Liegestühle im Gefängnishof erblicken musste ( http://www.sueddeutsche.de/politik/neues-konzept-der-sicherungsverwahrung-hotel-hinter-gittern-1.1653022).
Die Badischen Neuesten Nachrichten titelten am 18. April 2013, „Nicht jeder Täter lässt sich therapieren“, die WELT „JVA Freiburg investiert in die zweite Chance“ ( http://www. welt.de/regionales/stuttgart/article115410756/JVA-Freiburg-investiert-in-die-zweite-Chance.html) und die in Freiburg beheimatete Badische Zeitung mit „Freiburg ist gerüstet für den neuen Vollzug“ ( http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/sicherungsverwahrung-freiburg-ist-geruestet-fuer-den-neuen-vollzug—70999117.html).
Der Deutschlandfunk nahm die Eröffnung zu Anlass für ein fast sieben-minütiges Hörbild ( http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/04/18/dlf_20130418_0752_7106adb7.mp3), dort waren dann auch die Schreie der Verwahrten zu hören, die gegen ihre Haftbedingungen protestierten und auch gegen Zellentüren trommelten. Denn während der Justizminister und die Presse die Eröffnung „feierten“, wurden alle Verwahrten in ihren Zellen, die künftig ernsthaft „ Zimmer“ heißen, weggeschlossen.
„Man sperrt uns weg wie Viecher“, zitiert die Stuttgarter Zeitung einen derjenigen, der aus seinem Zellenfenster schreit. Und im Vergleich zu dem tendenziösen Beitrag der Süddeutschen, liest sich der der Stuttgarter Zeitung wesentlich differenzierter.
Bewertung der Berichterstattung
Vielfach wurde durch die Berichte der Eindruck erweckt, es gehe bei den Verwahrten tatsächlich um „wilde Tiere“, denen man zudem noch ein „Wohlfühlprogramm“ (Süddeutsche Zeitung) angedeihen lasse.
Mit den betroffenen Insassen gesprochen wurde nicht, ebenso wenig danach gefragt, wie es wohl sein mag, erst die zugesprochene Strafe bis zum letzten Tag abzusitzen und doch nicht zu wissen, wann oder ob man jemals wieder in Freiheit gelangen wird, vollkommen abhängig von Psychiatern und Richtern, die jährlich die „Sozialprognose“ beurteilen, also überlegen, ob jemand wieder straffällig werden könnte oder doch eher nicht.
Dafür darf dann ein Anstaltsleiter in der Stuttgarter Zeitung lamentieren, wie schwer doch der Dienst in der SV-Abteilung sei, so schwer, dass die Beamten alle fünf Jahre ausgetauscht werden und stets „sehr viel Nächstenliebe“ mitbringen müssten, um den Alltag im SV-Trakt auszuhalten.
Aktuell wird viel über die Widersprüchlichkeit im Fall Uli Hoeneß berichtet: Einerseits der caritativ tätige und hilfsbereite Manager, andererseits der mutmaßliche Steuerhinterzieher.
Genau diese Widersprüchlichkeit prägt den Alltag in den Gefängnissen und auch und gerade der SV-Trakte: Die InsassInnen haben gegen Strafgesetze verstoßen und die, die sie „behandeln“ sollen, haben notorisch das Grundgesetz und die Menschenrechtskonvention verletzt. Und das ohne jemals dafür persönlich belangt worden zu sein. Die PolitikerInnen, RichterInnen und VollzugsbeamtInnen stehen als die moralisch integren Personen da, obwohl ihnen das Bundesverfassungsgericht und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach attestierten, nicht etwa bloß mal in Einzelfällen, sondern systematisch und über viele, viele Jahre Menschen- und Grundrechte verletzt zu haben.
Das wissen oder zumindest spüren die Gefangenen und Verwahrten. Sie müssen dieses Spannungsfeld tagtäglich aushalten. Verurteilt auf Grundlage eines Gesetzes der Nationalsozialisten vom 24. November 1933, welches relativ kritiklos nach wie vor angewandt wird. Beaufsichtigt und „behandelt“ von Bediensteten, die chronisch die Verfassung und die Menschenrechtskonvention gebrochen haben und sich als moralische Saubermänner präsentieren dürfen.
Hier geht es nicht darum, Gefangene oder Verwahrte zu Opfern zu erklären. In aller Regel haben sie selbst andere Menschen schwer verletzt und beschädigt; nur rechtfertigt dies dann keineswegs, zumal wenn die Strafe für diese Taten längst verbüßt ist, eine solche Vollzugspraxis und dann auch nachfolgend eine solch einseitige, geradezu diffamierende Berichterstattung, in der sich die Justizminister, Anstaltsleiter und andere staatliche Bedienstete als Helden der Menschlichkeit und der Menschheit abfeiern lassen dürfen.
Was zählt für die Verwahrten eine angebliche „Sofalandschaft“, angebliche „Liegestühle“ im Hof, oder ein „Tango tanzendes Paar“ auf einem Poster im „Freizeitraum“, wenn sie, im Durchschnitt 51 Jahre alt, der jüngste 30, der älteste immerhin schon 70, eingesperrt werden in Freiburgs „Hotel hinter Gittern“, nicht wissen, ob sie jemals heraus kommen (und, dies nur nebenbei, im Vergleich zu anderen Bundesländern wirklich schäbig untergebracht sind, denn selbst im stock-konservativen Bayern billigt man den Verwahrten eine eigene Dusche und Kochgelegenheit in der Zelle zu, die dort über 20 qm groß ist, in Freiburg jedoch nur 14 qm)?
Allerdings darf man eine sachlichere und objektive Berichterstattung der bürgerlichen Presse nicht wirklich erwarten, und so werden auch weiterhin die Minister, Politiker und Vollzugsbediensteten sich selbst für ihre so menschliche Umgehensweise mit all diesen „notorischen Verbrechern“ (Stuttgarter Zeitung) loben dürfen und die Journaille wird das dann berichten.