Am 31.12.2023 fand vor den Mauern der Freiburger Haftanstalt eine lautstarke und kämpferische Demonstration statt. Es gab mehrere Redebeiträge. Musikalisch begleitet wurde die Demonstration durch drei Künstler*innen welche live performten. Zudem übertrug Radio Dreyeckland die Demo von 18 Uhr bis 20 Uhr live im Radio und im Internet.
Der Beginn der Demo gegen 18 Uhr
Ein Polizeisprecher stellte fest, dass es sich hier um eine nicht angemeldete Versammlung handele, und erteilte dann mündlich Auflagen: es dürfe kein Feuerwerk über die Mauer der JVA hinweg gefeuert werden oder aus der Versammlung heraus, zudem dürfe keine vollständige Vermummung erfolgen. Der Wortbeitrag des Polizisten wurde von dem Demoteilnehmenden lautstark entsprechend kommentiert. Die Polizei war reichlich erschienen, zahlreiche Wannen, Streifenwagen und behelmte Polizeikräfte waren zu sehen.
Zu Beginn der Demonstration gab es eine Rede der Veranstalter*innen in der auf die zunehmenden Repressionen im vergangenen Jahr eingegangen wurde, auch was die Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands betrifft, beispielsweise im Zusammenhang mit der europaweiten Fahndung durch ungarische Behörden wegen der Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch in Budapest. Grüße gingen dann an alle in diesem Zusammenhang Verfolgten und auch an Maja, eine erst kürzlich festgenommene Person, die zur Zeit in Untersuchungshaft sitzt und der eine Auslieferung nach Ungarn droht.
Anschließend durfte ich selbst sprechen. Es war das erste Mal, dass ich an der Silvesterdemo vor der JVA Freiburg selbst aktiv teilnehmen konnte, statt sie hinter den Mauern verfolgen zu müssen. Ich erzählte davon, wie sehr es mich bewege heute hier stehen zu dürfen mit all den anderen zusammen, und dass wir alle hier stünden, um gemeinsam für eine Welt ohne Knäste zu kämpfen.
Damit nicht nur die Menschen vor den Mauern, sondern auch dahinter alles gut hören konnten, war auch dieses Jahr eine mobile Lautsprechereinrichtung am Start. Eine wunderbare selbstgebaute Fahrradkonstruktion aus zwei Rädern, mit einem kleinen Dach, im Anhänger ein Generator für die Stromversorgung der Lautsprecheranlage.
Nach mehreren live performten Songs der drei Künstler*innen zog die Demo los.
Die Demo setzt sich in Bewegung
Auf Transparenten vor und an den Seiten der Demo hieß es unter anderem „Knäste zu Baulücken“ oder „Feuer und Flamme der Repression“. Immer wieder wurde „Fehlen die Gefangenen“ skandiert oder auch der Ruf „Jin, Jiyan, Azadi“ (Frauen, Leben, Freiheit). Und selbstverständlich flogen Raketen in den Himmel und über die Knastmauern, von wo laute Rufe und das Schlagen gegen die Gitterstäbe zu hören waren.
Bei einem ersten Zwischenstopp, nachdem die Teilnehmenden an der Knastpforte der Sicherungsverwahrung vorbei gezogen waren, von wo aus zwei Schließer, hinter dem dicken Panzerglas der Pforte stehend, ihrerseits die Demo zu fotografieren schienen, wurden weitere Redebeiträge gehalten und live performt.
Nicht wenige Teilnehmende waren überrascht, als eine Vertreterin von „Palästina spricht“ eine längere Rede hielt.
Die Polizei stoppt die Demo und riegelt die Straße ab
Bevor der Haupteingang der JVA Freiburg erreicht werden konnte, riegelte die Polizei die Straße ab, mit ihren Helmen auf dem Kopf wirkten sie durchaus bedrohlich. Per Megafon wurde mitgeteilt, dass die Demo nicht weiter ziehen dürfe und es zu unterlassen sei, Raketen über die Mauer zu schießen.
Ein Teilnehmer der Demo im Jahr zuvor sagte mir, dass es geradezu entspannt laufe im Vergleich zu 2022, denn auch wenn die Polizei martialisch auftrete und wirke, sei deren Stimmung nicht ansatzweise so aggressiv wie im Jahr davor.
Zum Abschluss gab es weitere Reden, so sprach ein Student über seine Knast- und Gesellschaftskritik und die Notwendigkeit der Abschaffung von Gefängnissen. Nicht, dass es keinerlei Reaktionen der sozialen Gemeinschaft geben solle, aber Knast sei keine Lösung.
Verabschiedet wurden die Teilnehmenden mit mehreren Musikstücken, wieder live performt. Es machte richtig gute Stimmung, drei Künstler*innen zu sehen und zu hören, die mit so viel Energie und stimmlicher Kraft ihre Texte vortrugen!
Gegen 20 Uhr wurde die Versammlung mit lauten Rufen „Es fehlen die Gefangenen“ beendet.
Ausblick
Ziemlich sicher wird es Ende 2024 wieder eine Silvesterdemo geben, so wie es sie auch in anderen Städten gegeben hat. Der Kampf um die Abschaffung der Gefängnisse ist ein Langzeitprojekt, auch weil es einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung bedarf. Aber es ist wichtig, auch wenn es vielleicht seltsam ritualisiert anmuten mag, immer und immer wieder daran zu erinnern: Knäste waren noch nie eine Lösung, sie sind es nicht und sie werden es niemals sein.
Mein ganz persönlicher Dank gilt den Organsiatorinnen, den Künstlerinnen die live auftraten, Radio Dreyeckland für die Übertragung und auch dem Fotografen JR Photography.
Thomas Meyer-Falk