Die Verbrechen der Legion Condor in Spanien. Über Lücken in der deutschen Erinnerungspolitik
Zum 50. Todestag von Pablo Picasso erschienen in den vergangenen Tagen viele Artikel. Auch in Deutschland. In all diesen Berichten wird auf sein berühmtes Werk, auf »Guernica«, Bezug genommen. Das Gemälde repräsentiert Leid und Schmerz des »Spanienkrieges«. Diesen Begriff gebrauchen deutsche Historiker, vor allem aus der DDR, um den Charakter eines Interventionskrieges zu betonen, der über einen reinen Bürgerkrieg hinausgeht. Von der Spanischen Republik für die Pariser Weltausstellung 1937 in Auftrag gegeben, ist »Guernica« heute für viele Deutsche dasjenige Bild, das ihnen in den Sinn kommt, wenn es um die Beteiligung Hitlerdeutschlands an Francos Staatsstreich geht.
Nicht bloß Gernika
»Zum ersten Mal in der Geschichte richtet sich ein Luftangriff ohne Vorwarnung gegen Zivilisten«, heißt es in einer Dokumentation des deutsch-französischen Senders Arte mit dem Titel »Picasso ohne Legenden«¹, als die Rede auf das Gemälde kommt. Diese Aussage ist falsch, und das ist kein Zufall. Auch in der jungen Welt (»Malen ist Schreiben«, 8.4.2023) war in der vergangenen Woche zu lesen, es habe sich im Falle von Gernika um das »erste Flächenbombardement auf europäischem Boden« gehandelt. Die spanische Bevölkerung wurde indes von Beginn des Krieges an bombardiert. Zum Beispiel in Nerva in der Provinz Huelva, wo die Bomben bereits einen Monat nach Kriegsbeginn fielen, wie der Historiker Miguel Ángel Collado Aguilar in einem 2016 veröffentlichten Artikel berichtet.² Dort wie auch in vielen anderen Orten Spaniens fielen etliche hundert Bomben. Dabei ist schwer zu bestimmen, wer für das Bombardement verantwortlich war, da das Archiv der deutschen Legion Condor, die Gernika angriff, während des Zweiten Weltkrieg verlorenging und spezifische Studien dazu fehlen. Fest steht, die Spanische Republik verfügte nur über sehr wenige Flugzeuge, die italienische Aviazione Legionaria hingegen hatte schon einen Monat vor dem Angriff auf Gernika die ebenfalls baskische Gemeinde Durango bombardiert und rund 300 Menschen getötet.
Die Süddeutsche Zeitung³ verweist darauf, dass Picasso mit seinem Gemälde der »zivilen Opfer des von General Franco befohlenen Luftangriffs der deutschen Legion Condor auf die nordspanische Stadt« gedacht habe, bei dem am 26. April 1937 etwa 2.000 Menschen starben. Man beachte die Betonung der Verantwortung des spanischen Diktators. Auch die Vorstellung, Deutschland habe auf Wunsch Spaniens in den Krieg interveniert, ist falsch, denn die Regierung der Republik war die einzig legitime, demokratisch gewählte Regierung. Die Wochenzeitung Die Zeit⁴ schreibt, dass Picasso »aus der Zeit gefallen« sei, und erwähnt nicht einmal die Legion Condor, die Gernika bombardiert hatte, sondern spricht nur beiläufig von »seinem gigantischen Antikriegsbild Guernica« und geht damit diesem heiklen Thema ganz aus dem Weg.
Ein Rauchvorhang
Es war kein Zufall, dass sich der Deutsche Bundestag und der damalige Bundespräsident Roman Herzog erst 1997, genau sechzig Jahre nach dem Massaker von Gernika, offiziell entschuldigten. Das Rathaus der baskischen Gemeinde und die Angehörigen der Opfer hatten diese Geste jahrelang gefordert. Die Bundesrepublik ihrerseits war der Auffassung, damit sei der Gerechtigkeit Genüge getan. »Dass sich das politische Interesse gerade wegen Picasso auf Gernika konzentriert, ist auch kein Zufall, denn es wirkt wie ein Rauchvorhang, um eine öffentliche Debatte über Deutschlands Verantwortung für die Beseitigung der demokratisch-republikanischen Regierung und das Ausmaß seiner illegitimen Intervention in Spanien zu blockieren«, erklärt David Alegre Lorenz, Geschichtsprofessor an der Autonomen Universität von Barcelona, gegenüber jW.
Der deutsche Luftwaffenverband Legion Condor, unter strengster Geheimhaltung aufgebaut, war seit August 1936 in Spanien im Einsatz. Er bestand aus »deutschen Freiwilligen«, die »den putschenden General Francisco Franco im Kampf gegen die Spanische Republik militärisch unterstützen« sollten, heißt es auf der Website des »Lebendigen Museums Online«, LeMO, eines Gemeinschaftsprojekts des Deutschen Historischen Museums, der Stiftung Haus der Geschichte und des Bundesarchivs.⁵ »Durch Rotation der Kontingente kamen insgesamt rund 20.000 deutsche Wehrmachtssoldaten auf dem spanischen Kriegsschauplatz zum Kampfeinsatz«, ist dort weiter zu lesen. Das LeMO erinnert daran, dass die Diktatoren Adolf Hitler und Benito Mussolini die Intervention »mit ihrer Entschlossenheit zum Kampf gegen den Bolschewismus« begründeten und dass dabei der Krieg in Spanien »eine willkommene Gelegenheit zum Test neuer Waffensysteme, besonders für die Luftwaffe« bot. Diese »siegreichen Soldaten der Legion nach der für Deutschland demütigenden Niederlage von 1918« seien »leuchtendes Vorbild« vor allem für Jugendliche gewesen, klärt uns das Museum auf. Für die Soldaten selbst hatte der Krieg einen »Abenteuercharakter«.
Der vollständige Eintrag enthält keine größeren sachlichen Fehler (obwohl zu erwähnen bleibt, dass in einem anderen Eintrag unter dem Titel »Die deutsch-spanischen Beziehungen 1936 bis 1945« zu lesen ist, dass die Zahl der entsandten Deutschen nur halb so hoch war, nämlich 10.000⁶), aber es fehlen dort Informationen über die Opfer, den spezifischen Zweck, der mit den Bombenangriffen verfolgt wurde, und vor allem darüber, was die Intervention für den Verlauf des Krieges bedeutete. Außerdem wird auf der Website erklärt, dass die Franco-Diktatur Rohstoffe nach Deutschland lieferte, ohne zu erwähnen, dass es sich dabei um die Bezahlung der vorherigen militärischen Unterstützung handelte. Das Lexikon ist selbstverständlich keine Fachpublikation, aber die dortige Beschreibung spricht Bände über das deutsche Verständnis der Einmischung in den spanischen Bürgerkrieg.
Das Museum hat seinen biographischen Eintrag zu Francisco Franco im vergangenen Februar nach einer Anfrage der Autorin dieses Artikels korrigiert. In der vorherigen Version, die illustriert war mit einer immer noch online verfügbaren, der Legion Condor zugeeigneten Postkarte, die einen herausgeputzten Franco zeigt, wurde nicht einmal erwähnt, dass er ein Diktator war. »Politiker und Militär«, so lautete der Titel.⁷ In dem Eintrag wurden die Opfer der Diktatur nicht erwähnt, die Existenz von Konzentrationslagern, die Verfolgung von Dissidenten, Hinrichtungen, gestohlene Babys und Zwangsarbeit verschwiegen. In der Antwort auf die Anfrage betonte eine Sprecherin des Museums, dass sich das LeMO »als deutschsprachiges Onlineportal schwerpunktmäßig mit der deutschen Geschichte und dies auch in Verbindung mit anderen Ländern« beschäftige. Der spanische Bürgerkrieg und die deutsch-spanischen Beziehungen während des Nazifaschismus würden in anderen Artikeln behandelt. Aber ein Zugeständnis gab es gleichwohl: »Es ist dennoch bedauerlich, dass es uns hier offenbar nicht gelungen ist, den Charakter von Francos Herrschaft als Diktatur verständlich zu machen, und dies möchten wir gern in einer Überarbeitung verbessern.« Offenbar also ein Versehen. Immerhin hat das Museum zumindest einige der genannten Aspekte in die Biographie aufgenommen.
Aufarbeitung mit Lücken
»Den Reparationen ging fast immer ein diplomatisch-politischer Druck des angegriffenen Landes voraus«, erklärt Alegre Lorenz, Experte für Kriegs- und Faschismusforschung. »Keine spanische Regierung hat jemals klare Bereitschaft gezeigt, von ihren deutschen Amtskollegen die Anerkennung der von deutschen Staatsbürgern auf spanischem Territorium begangenen Verbrechen gegen die Menschheit zu verlangen.« In den 1970er Jahren hätte das der Haltung des Franco-Regimes widersprochen, das »sich der deutsch-italienischen Unterstützung verdankte«, erklärt der Historiker. So wurde der Sieg im Bürgerkrieg »erstens zum Sieg der angeblich gesunden Elemente der spanischen Gesellschaft und zweitens zum Sieg der westlichen Zivilisation in einer Art Kreuzzug gegen den Bolschewismus« interpretiert. Der Übergang zur Demokratie habe dann zu einem Diskurs des »Wir waren alle schuldig« geführt, der aus dem Franquismus selbst stammte und mit dem versucht worden sei, »die Verantwortung der Putschisten für das zu verschleiern, was in Spanien im Rahmen der Aggression gegen einen rechtmäßig konstituierten Staat geschehen war«.
Antonio Muñoz Sánchez, Forscher an der Universität Lissabon, stimmt dem zu: »Die Legion Condor ist das Vakuum par excellence«, sagt er. »Nur die Basken, nicht die Zentralregierung, haben während der Transición (des Übergangs zu bürgerlich-demokratischen Verhältnissen; Anm. d. Red.) eine Initiative gestartet, um Deutschland zu drängen, das Verbrechen von Gernika anzuerkennen«, erklärt er gegenüber jW. »Das hat Deutschland dann getan«, es dabei aber belassen: »Die Bundesrepublik sah damit die Anerkennung der deutschen Verbrechen in Spanien als erfüllt an.« Munoz Sánchez, der die Geschichte der spanischen Zwangsarbeiter in Deutschland und deren Kampf um Entschädigung erforscht hat, sagt, Deutschland habe »nie wieder Druck von irgendeiner anderen spanischen Region oder von der Zentralregierung erfahren, diese Schuld zu begleichen, etwa indem Berlin Ausstellungen und Studien zu den Verbrechen der Legion Condor in Spanien fördert oder entsprechende Entschädigungen leistet«.
Ist nicht Deutschland das Land, das im Ausland oft als Musterbeispiel in Sachen historischer Erinnerung genannt wird? Was den bewussten Umgang mit den Verbrechen der Legion Condor angeht, gibt es Ausnahmen wie Stephanie Schüler-Springorum, Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, die 2021 auf einer Konferenz in Berlin sagte, dass in der Bundesrepublik »erst jetzt verstanden wird, dass ihre Verantwortung für den spanischen Schmerz weit über den Fall Guernica hinausgeht«. Denn in der Tat interessiert das Thema weder die Öffentlichkeit noch die Medien. Nicht einmal Nachrichten zum Thema, die in Spanien einige Bekanntheit erlangen, werden hierzulande veröffentlicht. Der baskische Historiker Xavier Irujo von der Universität Nevada, Experte für die Holocaustforschung, hat 2021 eine Karte der Bombenangriffe im Baskenland zwischen 1936 und 1937 erstellt, für die sich die deutsche Presse nicht im Geringsten interessierte. Irujo hat mehr als 2.000 Bombardierungen aufgelistet, von denen 300 als Terrorangriffe zu bewerten sind. Der Dokumentarfilm »Experimento Stuka« aus dem Jahr 2018, der in der spanischen Öffentlichkeit breit diskutiert wurde und der von der Erprobung von Waffensystemen in abgelegenen Dörfern Kastilliens berichtet, wurde in Deutschland ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen. Und nur wenige Menschen in Deutschland wissen, dass die Legion Condor sogar Flüchtlingskarawanen bombardierte, wie es in der »Desbandá« zwischen Málaga und Almería zwischen dem 6. und 8. Februar 1937 geschah, wobei mehr als 3.000 Menschen ums Leben kamen.
junge Welt Fotowettbewerb eröffnet
»Die Deutschen sind sehr stolz darauf, wie gut sie ihre dunkle Vergangenheit aufgearbeitet haben«, sagt Muñoz Sánchez, der 2021 in Berlin eine Ausstellung über die Zwangsarbeit der Rotspanier, wie die Nazis die spanischen Republikaner nannten, kuratiert hat. »Die enorme Infrastruktur von Museen, Ausstellungen, Denkmälern sowie die ständige Präsenz der Naziverbrechen im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen ist wirklich beeindruckend«, betont er. »Das historische Verantwortungsbewusstsein im Nachwendedeutschland ist tief und aufrichtig und wirklich beispielhaft.« Er erinnert aber auch daran, dass »der Weg dorthin sehr lang und mühsam war und sehr hitzig verlief«. Nach Auffassung des Historikers hat »das offizielle Deutschland mit seinen Institutionen seit den 1980er Jahren infolge von Protesten und Kritik sowie der Wirkung von Filmen auf die öffentliche Meinung Fortschritte bei der Konstruktion seines demokratischen Gedächtnisses gemacht«. Das berichtet er in einem 2021 in der Zeitschrift Hispania Nova veröffentlichten Artikel.⁸
Wer wird entschädigt?
In der Geschichte von der fehlenden Anerkennung der Verbrechen der Nazis in Spanien gibt es ein weiteres beschämendes Kapitel: Die »Helden« der Legion Condor, die Spanien bombardiert hatten, erhielten in der Bundesrepublik selbstverständlich eine Rente, während die Kämpfer der Internationalen Brigaden darauf bis in die 1970er Jahre warten mussten. Auch die Soldaten der Blauen Division – des spanischen Freiwilligenverbands, der im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion an der Seite der Hitlerwehrmacht kämpfte – erhielten deutsche Renten, während sie den spanischen Opfern des Naziregimes verweigert wurden, die dafür vor Gericht ziehen mussten. Noch abstoßender ist das Bekenntnis zur verbrecherischen Legion Condor, das in der Bundeswehr im Rahmen ihrer »Traditionspflege« noch bis 1998 in offizieller Form erfolgte, bis der Bundestag beschloss, dass es an der Zeit sei, die Verehrung für den Piloten Werner Mölders, der in der Legion Condor Einsätze flog, zu beenden. Bis 2005 trugen eine Luftwaffenkaserne und ein Jagdgeschwader den Namen Mölders. Die Zeitschrift des Geschwaders trug zumindest noch bis 2017 den Namen Der Mölderianer.
»Die deutsche Reparationspolitik stand in einem ganz bestimmten Kontext, nämlich dem der letzten dreißig Jahre des 20. Jahrhunderts, der mit dem Warschauer Kniefall und der sogenannten Ostpolitik von Willy Brandt eingeleitet wurde«, sagt Alegre Lorenz. »Die Entscheidung, was die Behörden eines Staates an Reparationen zu leisten bereit sind, hat viel mit dem Bild zu tun, das sie der Welt von ihrem Land vermitteln wollen.« Die Bundesrepublik habe in den Fällen, die in den Medien besonders prominent verhandelt wurden, die Schuld anerkannt. »Spanien hat in dieser politischen Agenda nie eine große Rolle gespielt, vor allem wegen des Desinteresses der aufeinanderfolgenden demokratischen Regierungen des Landes, sich von den am Ende der Diktatur und von der Anti-Franco-Bewegung erarbeiteten Narrativen zu lösen«. Der Historiker vertritt die Auffassung, dass »es eine gewisse Tendenz gibt, die angebliche Fähigkeit Deutschlands als Staat und der Deutschen als Gesellschaft, mit ihrer traumatischen Vergangenheit verantwortungsvoll umzugehen, zu idealisieren«.
Tatsächlich, daran erinnert Muñoz Sánchez, »fehlte dem Geiste des Bundesentschädigungsgesetzes aus den 1950er Jahren der tiefe und aufrichtige Wunsch, die Opfer und ihre Familien zu entschädigen, es ging lediglich um eine gute Außendarstellung der Bundesrepublik«. Viele Opfer hatten es schwer, eine Entschädigung zu erstreiten. »Ein Beispiel waren die spanischen Zwangsarbeiter, die vor Gericht ziehen mussten, weil Deutschland sich strikt weigerte, sie zu entschädigen.« Die Bundesrepublik habe es sich herausnehmen können, diese Menschen so zu behandeln, weil man in Bonn wusste, dass Franco nicht protestieren würde. »Selbst als sie vor Gericht gewannen, erhielten sie keine symbolische Anerkennung, obwohl sie die ersten Zwangsarbeiter des Dritten Reiches waren, die offiziell als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurden.« Als Deutschland in den 1990er Jahren, auch dank Filmen wie »Schindlers Liste« und der darauffolgenden öffentlichen Debatte, die Zwangsarbeiter des Naziregimes »entdeckte«, sah man sich gezwungen, Entschädigungen in Millionenhöhe an Polen, Ukrainer und Russen zu zahlen: »Niemand erinnerte sich aber damals daran, dass es dreißig Jahre zuvor auch Spaniern gelungen war, Entschädigungen zu erstreiten«, sagt Muñoz Sánchez.
Alegre Lorenz weist auf einen wichtigen Punkt hin: »Ich denke, dass die deutsche Gesellschaft nicht nur beginnt, gegenüber den Verbrechen, die im Namen ihres Landes begangen wurden, gleichgültig zu werden, sondern dass innerhalb eines gewissen Ultradiskurses, den es in allen Ländern gibt, eine Tendenz besteht, das Leid hervorzuheben, das die Deutschen selbst im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit mit Massenvertreibungen und Flucht, wahllosen Bombenangriffen auf die Zivilbevölkerung, Vergewaltigungen und Mord erfahren haben.« Was die Legion Condor angeht, war das öffentliche Narrativ allerdings jahrelang identisch mit der »Erzählung ihrer Protagonisten: im Grunde ein schönes Abenteuer«. Nach Muñoz Sánchez »ist Deutschland stolz auf sein demokratisches Gedächtnis, verkauft es ganz Europa als vorbildlich, blickt auf Spanien herab, ist empört über Francos Kreuze, über die ungeöffneten Gräber, über das Fehlen eines demokratischen Gedächtnisses in Spanien … Aber an die deutsche Intervention im Bürgerkrieg erinnern sie sich kaum.«
Im Juni des vergangenen Jahres bat die Regierung von Asturien auf Initiative von Podemos den deutschen Staat um Informationen über die Aktivitäten der Legion Condor in der Region. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg antwortete, so die asturische Regierung, dass es keine Ermittlungen in dieser Angelegenheit gebe, da sie nicht von Amts wegen tätig sei. Solange es keine offizielle Beschwerde gibt, wird es auch keine offiziellen Ermittlungen geben. Es ist möglich, dass Deutschland die Untersuchung seiner illegalen Einmischung in den spanischen Bürgerkrieg nicht fördert, weil es in bezug auf die historische Erinnerung bereits mehrere Auseinandersetzungen führt. Die Regierung Polens fordert von Deutschland nicht weniger als 1,3 Billionen Euro an Kriegsreparationen. Auch wenn es in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, fordern nicht nur Polen, sondern auch Italien und Griechenland immer noch Entschädigungen für die Verbrechen, die die Nazis in diesen Ländern begangen haben. Im Falle Spaniens wäre eine offizielle Entschuldigung dafür, eine entscheidende Rolle beim Sturz der spanischen Republik gespielt zu haben, das mindeste.
Allee und Hundewiese
»Spanien hat eine Demokratie ohne Erinnerung an den Bürgerkrieg und den Franquismus aufgebaut«, sagt Muñoz Sánchez. »Deshalb hat es von Deutschland auch nie verlangt, Verantwortung zu übernehmen. Es hat noch nicht einmal Bonn oder später Berlin zu gemeinsamen Initiativen bewegt, wie etwa eine simple Ausstellung über die gemeinsame, dunkle, faschistische Vergangenheit zu organisieren. Ebenso wenig geschieht das bei der Spanischen Allee in Berlin, die ihren Namen zu Ehren der Legion Condor trägt. Bei der Rückkehr des Luftwaffenverbands im Juni 1939 hatten »Tausende von Soldaten, frisch aus Spanien eingetroffen, unter dem Brandenburger Tor und Unter den Linden vor dem Führer« paradiert. Die Verherrlichung der deutschen Unterstützung für den Sieg über den »Bolschewismus«, die in dieser Feier zum Ausdruck kam, wurde verstetigt, indem die Berliner Stadtverwaltung die Wannseestraße in »Spanische Allee« umbenannte. Und diesen Namen trägt sie immer noch.
Der in Berlin lebende spanische Wissenschaftler und Izquierda Unida- und Die Linke-Aktivist Jaime Martínez Porro versucht seit 2019 vergeblich, den Namen der Spanischen Allee ändern zu lassen. Die Lösung, die im Bezirk Zehlendorf für das »Problem« gefunden wurde, versinnbildlicht, was dieser Artikel zu erklären versucht: Der Name der Allee bleibt erhalten, wie sie ihn seit der Militärparade der Kriegsverbrecher der Legion Condor trägt, die nicht nur Gernika dem Erdboden gleichgemacht, sondern insgesamt Tausende von Spaniern ermordet und die zur Vernichtung der Demokratie beigetragen haben. Gleichzeitig heißt jetzt eine kleine, leicht zu übersehende, mit Sträuchern überwucherte Fläche an der Spanischen Allee: »Guernica-Platz«.
Anmerkungen
1 Minute 4:30 https://www.arte.tv/de/videos/108957-000-A/picasso-ohne-legenden/
2 Miguel Ángel Collado Aguilar: El terror aéreo sobre la Cuenca Minera de Riotinto del 20 al 26 de agosto de 1936, in: Revista Universitaria de Historia Militar, Nr. 10 (2016), S. 283–299
3 https://www.sueddeutsche.de/kultur/pablo-picasso-kunst-ausstellungen-faschismus-1.5776537
4 https://www.zeit.de/2023/15/pablo-picasso-50-todestag-kunst-malerei-moderne
5 https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/aussenpolitik/legion-condor.html
6 https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/aussenpolitik/die-deutsch-spanischen-beziehungen.html
7 https://www.dhm.de/lemo/biografie/francisco-franco
8 Antonio Muñoz Sánchez: La lucha de los antiguos trabajadores forzados españoles del III Reich por ser reconocidos como víctimas del nazismo (1956-1972), in: Hispania Nova, Nr. 19 (2021), S. 325–352
Von Carmela Negrete, junge Welt 15.4.23