gabriel.2016

(Spanischer Staat) Das Leben hinter Gittern des galicischen Anarchisten Gabriel Pombo da Silva

Gabriel Pombo da Silva baut das Haus, in dem er sich mit seiner Partnerin und Gefährtin Elisa Di Bernardo niederlässt, nachdem er 2016 das Gefängnis verlassen hat. Foto mit freundlicher Genehmigung.

Gabriel Pombo da Silva befindet sich im Strafvollzugszentrum von Mansilla de las Mulas in León und beschäftigt sich mit dem Mittelalter. Er wird seit Mai in diesem Gefängnis festgehalten, als er in Portugal verhaftet und mitten in der Pandemie nach Spanien überführt wurde. Kaum vier Jahre war er in Freiheit, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Elisa Di Bernardo und der gemeinsamen Tochter, nach einem Leben in welchen er von Knast zu Knast wanderte.

„Es ist ihnen egal, dass ich nicht mehr derselbe bin, dass ich jetzt eine Familie habe und nicht wieder kriminell geworden bin“, klagt er. Nachdem er mehr als 30 Jahre seiner 53 Jahre im Gefängnis verbracht hatte, wurde Pombo zurück ins Gefängnis gesteckt, um den Rest der Strafe zu verbüßen, die ihm für Taten auferlegt wurde, die in den 90er Jahren stattfanden. Nach Angaben seines Anwalts, Manuel Chao Do Barro, sind diese Urteile jedoch bereits verjährt.

Gabriel Pombo wurde am 19. November 1967 in El Calvario2, einem Arbeiterviertel in Vigo, geboren. Er und seine Familie gehörten zu jenem Teil Spaniens, welches das Franco-Regime auszulöschen versuchte. „Meine Großeltern waren Kommunisten und die meisten meiner Verwandten hatten auch sozialistische und/oder republikanische Ideen, und das gleiche galt für alle in den Vierteln, in denen ich lebte“, sagte Pombo gegenüber El Salto aus dem Gefängnis in León. „Ich verstand nichts von Politik, mein Großvater sagte mir immer, die Faschisten seien ‚menschlicher Abfall‘. Viele seiner Kameraden waren in den frühen Tagen des militärischen Aufstandes getötet worden. Er hatte das ‚Glück‘, ein einfacher Soldat zu sein und wurde jahrelang in einem Arbeitslager interniert“, so Pombo. „Meine Welt war meine Familie und die Nachbarschaft, wo wir uns alle kannten. Dort lernte ich, dass die Reichen das Geld und die Macht hatten, und die Armen die Solidarität, die Klassenkomplizenschaft, die die populäre Gegenmacht war.“

Als er acht Jahre alt war, gehörten Gabriel und seine Familie zu der Welle von Galiziern, die Spanien verließen, um in Deutschland bessere Lebensbedingungen zu suchen. Doch Gabriel gefällt sein Leben in Deutschland nicht. Sechs Jahre später, im Alter von 14 Jahren, kehrte er auf eigene Faust nach Spanien zurück. „Ich beschloss, wegzulaufen und nach Galizien zurückzukehren. Es war ein ganzes Abenteuer, das ich zu Fuß erlebte, indem ich mich in Züge schlich, Flüsse überquerte und auf der Straße lebte. Ich habe mich ernährt, indem ich Essen gestohlen habe, ich habe auch Kleidung gestohlen. Ich nahm mit, was ich zum Überleben brauchte, bis ich Monate später in Vigo ankam“. Dort ging Gabriel zum Haus seiner Tante Julia. „Sie war wie eine zweite Mutter. Sie war auch eine Kommunistin und sehr arm. Ihr Mann war querschnittsgelähmt und sie lebten von einer armseligen Rente zusammen mit anderen Familien“.

Gabriel erklärt, dass sie, als er nach Spanien zurückkehrte, versuchten, ihn in die Schule zu schicken, aber er war bereits an das Leben auf der Straße gewöhnt. Er verdiente etwas Geld beim Entladen von Fisch im Hafen oder mit anderen Arbeiten, die er als „schlecht bezahlte Scheiße“ bezeichnet. Es war 1981 und zu dieser Zeit, wie sich Gabriel erinnert, „befand sich Vigo auf Kriegsfuß“. Auf die Werftstreiks folgten die Streiks der Studenten. Die Straßen brannten und Gabriel machte bei jeder Aktion mit. „Die Straße wurde mein Zuhause, nur zum Schlafen ging ich ab und zu zu meiner Tante. Ich war in alle Kämpfe involviert, in die die Arbeiter und Studenten verwickelt waren, und, ohne es zu merken, begann ich am Rande des Gesetzes zu leben. Ich schloss mich den Streiks an, die ich vorfand, und obwohl ich die Politik nicht verstand, lernte ich, dass ich mich als Teil der Menschen im Kampf fühlte. Steine auf die Polizei zu werfen, Busse oder Banken anzuzünden, wurde bald zu meiner täglichen Normalität. Ich hörte zu, was in Nachbarschaftsversammlungen gesagt wurde und nahm an kollektiven Entscheidungen oder an radikalen Minderheitsinitiativen teil“.

„Wir stahlen Lebensmittel, die wir in den Vierteln verteilten, wir raubten Banken und Tankstellen aus, um die Familien der Gefangenen zu unterstützen, und um uns selbst zu finanzieren, wir schrieben Parolen an Wände… Wir wollten eine totale Amnestie!“

Eine dieser Minderheitinitiativen, mit denen Gabriel sich identifizieren konnte, waren die Unterstützungsgruppen für Gefangene. „Sie waren knallharte Militante, viele frisch aus dem Gefängnis entlassen wegen der Mini-Reform von ’813, und sie waren gut organisiert in Affinitätsgruppen.“ Gabriel beschloss, sich auf das einzulassen, was sie „bewaffnete Agitation“ nannten. „Wir haben eine Waffenkammer ausgeraubt und mit dem ganzen Arsenal wurden ‚Aktionsgruppen‘ gebildet. Wir stahlen Lebensmittel, die wir in den Vierteln verteilten, wir raubten Banken und Tankstellen aus, um die Familien der Gefangenen zu unterstützen, und um uns selbst zu finanzieren, wir schrieben Parolen an Wände… Wir wollten eine totale Amnestie!“ So hat er einen Teil seiner Jugendzeit verbracht.

„Man muss sich in diesen sozio-politischen Kontext hineinversetzen, um zu verstehen, was mich zu dieser Entscheidung veranlasst hat: die Kämpfe der Arbeiter und Studenten, der Kampf der Gefangenen und das Elend in den Vierteln, eine faschistische Polizei, ein gescheiterter Staatsstreich – der vom 23. Februar4 – die Folterungen… Trotz meiner Jugend und Unwissenheit habe ich nie daran gezweifelt, dass ich auf der richtigen Seite stehe, ich habe nie gedacht, dass das, was ich tue, schlecht ist, ich war immer der Meinung, dass ich Teil von etwas Größerem bin als ich selbst.“

Auszug aus dem von Gabriel Pombo da Silva beantworteten Interview aus dem Gefängnis von Mansilla de las Mulas (León).

Einige Jahre vergingen, und 1984 wurde Gabriel wegen des Überfalls auf eine Bank in Redondela (Pontevedra) verhaftet. „Weder den verhafteten Gefährten noch mir wurden Waffen oder Geld abgenommen, noch hatten sie irgendeine Art von Beweisen. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft waren einfach „moralisch überzeugt“ und wir wurden verurteilt. Ich landete in dem damals schlimmsten Gefängnis Spaniens, in Teruel.“ Gabriel war 17 Jahre alt und in Teruel begann er seine Reise durch die spanischen Gefängnisse.

Gabriel hatte bereits Polizeigewalt erlebt und war sogar Opfer einer Scheinhinrichtung durch eine Gruppe von Mitgliedern der Guardia Civil gewesen, wie er El Salto erzählte, aber dort, in Teruel, begann er zu erleiden, was er „systematische Folter“ und Isolationshaft nennt. „Als man in Teruel ankam, wurde man vom gesamten Gefängnispersonal beim Durchgang empfangen. Dort haben sie dich gezwungen, dich auszuziehen, während sie dich beleidigt und provoziert haben, vor allen – Gefangenen und Wachen – und dich gezwungen haben, Liegestütze zu machen. Sie würden dir sagen, dass deine Eier im Schraubstock gehalten werden, dass sie dort das Sagen haben und dass das Gefängnis ihnen gehört. Eine Begrüßung, die den Neuankömmlingen als Warnung diente.

Gabriel verbrachte 14 Monate in Isolationshaft, bei der er nur fünf Minuten am Tag die Zelle verlassen durfte, um in den Hof zu gehen – das Europäische Komitee zur Verhinderung von Folter setzt ein Maximum von 14 Tagen Isolationshaft als Gefängnisstrafe fest -. Wie er erklärt, war der Grund für seine Unterbringung in Isolationshaft, dass er gegen die Anwendung der im Allgemeinen Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Rechte auf ihn und seine Mitgefangenen protestierte. Bei einer Gelegenheit, so erinnert sich Gabriel, endete eine verbale Auseinandersetzung mit einem Schließer in einer brutalen Schlägerei: „Ich wurde ins Hauptquartier gebracht und von „gomazos“5 verprügelt, bis ich das Bewusstsein verlor“.

„Sie zerbrachen unsere Sachen, schütteten Bleichmittel auf unsere Kleidung, zogen uns nackt aus und fesselten uns mit den Händen hinter dem Rücken an das Bettbein. Es war eisig kalt und sie haben dafür gesorgt, dass die Fenster offen bleiben. Auch hier wurde ich geschlagen, bis ich das Bewusstsein verlor“.

1988, mit der Schließung des Jugendgefängnisses in Teruel, wurde Gabriel nach Zamora verlegt. „In Zamora kamen am Dienstag, dem 13. September 1988, ich erinnere mich genau an das Datum, wegen der Proteste, die alle Minderjährigen durchgeführt hatten, Schließer – darunter ein Arzt mit einem Knüppel – Zelle für Zelle und schlugen und folterten uns brutal. Sie zerbrachen unsere Sachen – Fotos, Briefe und Bücher – schütteten Bleichmittel auf unsere Kleidung, zogen uns nackt aus und fesselten uns mit den Händen hinter dem Rücken an das Bettbein. Man konnte nur auf dem Boden hocken oder sitzen. Es war eisig kalt und sie haben dafür gesorgt, dass die Fenster offen bleiben. Auch hier wurde ich bewusstlos geschlagen.“

Einen Monat nach dieser Tracht Prügel wurde Gabriel in das Daroca-Gefängnis in Zaragoza verlegt, ein Gefängnis für junge Häftlinge ersten Grades6 zwischen 21 und 25 Jahren. „In Daroca habe ich mich trotz allem besser gefühlt. Ich ging für eine Stunde in den Innenhof und teilte diese Stunde mit einer Gruppe von maximal fünf Gefangenen. Dort haben wir uns als APRE organisiert. Wir bekamen einige Rundschreiben, die in Herrera de la Mancha und Carabanchel von Gefährten mit einem gewissen Prestige verfasst worden waren“.

COPEL7 existierte schon seit einigen Jahren und zu dieser Zeit begann eine Organisation von Gefangenen, die unter dem Sonderregime gelitten hatten, Gestalt anzunehmen: die Asociación de Presos en Régimen Especial (APRE), die später das „r“ von rekonstituiert zu ihrem Namen hinzufügen sollte.

„APRE war keine vertikale oder geschlossene Organisation. APRE war das Akronym, mit dem wir jede Aktion von uns in Anspruch nehmen wollten: jeden Aufstand, jede Entführung, jeden Streik. Ich wiederhole, dass APRE genau das war, und diejenigen, die sich damit identifizierten. Aktion und Kommuniqué, das war APRE“, erklärt Gabriel. „Es gab schon immer diejenigen, die Protagonisten in diesem Kampf sein wollten und sich für ‚Präsidenten‘ oder ähnlichen Unsinn hielten. Es gab keine Führung, wir waren eine kopflose Hydra, oder eine Hydra mit tausend Köpfen“, fügt er hinzu.

Die spätere APRE(r) – mit r für rekonstituiert – veröffentlichte im Januar 1991 ihre Statuten, unterzeichnet vom damaligen Gefangenen Javier Ávila Navas, der in seinem Buch Un resquicio para levantarse. Historia subjetiva del APRE über die Folterungen, denen er während der Jahre, die er in verschiedenen Gefängnissen in Spanien verbrachte, ausgesetzt war. In ihrer Satzung, die auf der Website des Boletín Tokata verfügbar ist, forderten die Gefangenen die Abschaffung des Sonderregimes 1, das in Artikel 10 des Allgemeinen Strafvollzugsgesetzes von 1979 und in Artikel 46 der Strafvollzugsordnung enthalten ist und das Isolationsregime für als gefährlich eingestufte Gefangene vorsah. Sie prangerten auch die Verlegung in Gefängnisse an, die Hunderte von Kilometern von ihren Familien entfernt sind – worunter Gefangene, die mit der erloschenen ETA in Verbindung stehen, immer noch leiden -, die ständigen Folterungen, die Todesfälle in den Gefängnissen aufgrund von AIDS, mangelnder medizinischer Versorgung oder Aggressionen durch Beamte, wie die von Agustín Rueda im Gefängnis von Carabanchel. Die erste Antwort der dritten Regierung von Felipe González8 auf ihre Proteste war das Rundschreiben der Generaldirektion der Strafvollzugsanstalten vom 6. März 1991, aus dem die Ficheros de internos de especial seguimiento, das sogenannte Régimen FIES, das „Gefängnis im Gefängnis“, hervorging, eine Reihe von Maßnahmen, mit denen Gefangene, die als fähig angesehen wurden, die Ordnung innerhalb der Gefängnisse zu destabilisieren, einer stärkeren Kontrolle und Überwachung unterworfen wurden. Eine Formalisierung der Isolationshaft, unter der Gabriel und viele andere Gefangene weiterhin leiden.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis machte sich Gabriel daran, „eine starke bewaffnete Organisation auf der Straße zu bilden, die einzig und allein den Kampf der Gefangenen unterstützen würde“.

Aber lasst uns zurück zu Pombos Geschichte gehen. Es ist 1989 und Gabriel wird nach fünf Jahren Haft entlassen. Er ist 23 Jahre alt und seine Freiheit währte nur vier Monate. Gabriel verließ Daroca mit einer fixen Idee im Kopf: Freunde und Gefährten zu befreien, um mit ihnen „eine starke bewaffnete Organisation auf der Straße zu bilden, die einzig und allein den Kampf der Gefangenen unterstützen würde“. Er kümmerte sich um die so genannte „galizische Sektion“: „Jeder galizische Häftling ersten Grades, der entlassen wurde oder entkam, konnte unsere Gruppe als Bezugspunkt haben“, erklärt er.

Einer seiner Gefährten in dieser bewaffneten Organisation war Rafael Ares Seoane, der in jenem Jahr ein Auge durch den Schuss eines Gummigeschosses verloren hatte, als er während eines Aufstandes auf dem Dach des Gefängnisses von Zamora verschanzt war. „Im Dezember desselben Jahres flüchtete er aus dem Gericht von A Coruña und lief davon, und zu einem günstigen Zeitpunkt holte ich ihn mit einem Auto ab. Es war eine schöne Aktion der Befreiung“, erinnert sich Gabriel.

Die Aktionen der Gruppe waren „die Enteignung von Banken und die Vorbereitung von Ausbrüchen“, erklärt Gabriel. „Ich glaube, wir wurden in dieser Zeit für 12 Banküberfälle angeklagt“, fügt er hinzu. Sie hatten es auch auf Drogendealer und Zuhälter abgesehen. „Im Januar 1990 erschossen wir einen bekannten Mafioso aus Ourense, der Drogen- und Waffenhändler war und mit Frauen handelte, in seiner amerikanischen Bar „Secretos“. Im Februar, mitten im Karneval, beschlossen wir, einem Heroinhändler ins Bein zu schießen, ebenfalls in Ourense, und wir warnten alle Anwesenden, dass wir die Dealer im Visier hatten“.

Am 2. März 1990, vier Monate nach ihrer Entlassung: Gabriel, Rafael, zwei weitere Männer und drei Frauen, die an der Organisation beteiligt waren, wurden verhaftet. „Die Presse taufte uns auf den Namen ‚Die Siebenerbande‘, das war nicht sehr originell.“ Gabriel sagt, dass er und Rafael beschlossen haben, die volle Verantwortung zu übernehmen, damit der Rest seiner Gefährten nicht verurteilt wird. „Ich habe mich für diese Aktion moralisch verantwortlich gefühlt, tatsächlich habe ich nie versucht, meine Identität zu verbergen und habe alles mit unbedecktem Gesicht gemacht“, erklärt er.

Die Zweite Sektion des Provinzgerichts von Ourense klagte ihn wegen Taten an, die im Februar desselben Jahres begangen worden waren. In diesem Fall waren die Verbrechen schwerwiegender. Pombo wurde zu 26 Jahren, acht Monaten und einem Tag Gefängnis für einen Raubüberfall mit Gewalt, der mit dem Tod einer Person endete, dem von Pombo zitierten Zuhälter, Besitzer der amerikanischen Bar Secretos, verurteilt. Das gleiche Gericht verurteilte ihn zu weiteren acht Jahren, zwei Monaten und einem Tag Gefängnis für zwei weitere Raubüberfälle, die am selben Tag begangen wurden, sowie zu zwei weiteren Jahren wegen illegalen Waffenbesitzes, zu drei weiteren Jahren wegen eines weiteren Körperverletzungsdelikts und zu weiteren zwei Jahren, vier Monaten und einem Tag wegen eines Verbrechens gegen die öffentliche Gesundheit, weil er zum Zeitpunkt seiner Verhaftung 60 Gramm Haschisch bei sich trug. Zu dieser Verurteilung kam eine weitere vom selben Gericht zu sieben Jahren und sechs Monaten Gefängnis für einen zwei Wochen zuvor begangenen Raubüberfall und eine weitere vom Provinzgericht von Pontevedra für einen weiteren Raubüberfall, der am 24. Januar 1990 begangen wurde, zu sechs weiteren Jahren. Insgesamt: 49 Jahre, acht Monate und drei Tage im Gefängnis.

Er war noch keine 24 Jahre alt und Gabriel Pombo war wieder im Gefängnis, diesmal für lange Zeit und unter viel härteren Bedingungen. „Im Jahr 1991 wurde ich im Gefängnis Pereiro de Aguiar in Ourense gefoltert. Sie brachen mir vier Rippen und ich hatte am ganzen Körper Prellungen. Ein Richter und ein Gerichtsmediziner trafen ein, Aussagen wurden aufgenommen, aber diese Ereignisse wurden nie vor Gericht gebracht. Dies bestärkte mich noch mehr in meiner Überzeugung, dass die Gesetze und das Recht nichts weiter als Perlen einer faschistischen Pseudo-Demokratie sind.“ Gabriel verbrachte dieses Jahrzehnt damit, Fluchtversuche – nach seinen Angaben bis zu 13 – mit Hungerstreiks und Anklagen der erlittenen Folter und Misshandlungen abzuwechseln.

„Um die Situation anzuprangern, unter der sie durch Folter und Isolationshaft litten, schickten sie vor allem schriftliche Beschwerden an die Gerichte, um aus diesen Gefängnissen entfernt zu werden“, erklärt Chao Do Barro. „In diesen Beschwerden, die ein wenig Aufmerksamkeit erregen sollten, bedrohten sie den Richter oder seine Familie, was zu dieser Zeit ein Verbrechen der Bedrohung und Verachtung war“. Gabriel begann, neue Verurteilungen zu erhalten, die aber nun mit den Protestaktionen zusammenhingen, die er im Rahmen der APRE durchführte und die ein Bild von der Tour durch die Gefängnisse im ganzen Staat geben, die Gabriel in jenen Jahren machte.

* Strafgericht Nummer 2 von Vigo: 135 Tage Haft wegen Simulation eines Verbrechens für Ereignisse, die im März 1990 stattfanden.

* Strafgerichtshof Nr. 1 von Ourense: ein Monat und ein Tag für einen Fluchtversuch aus dem Gefängnis am 4. April 1990.

* Strafgericht Nr. 9 von Málaga: zwei Jahre, vier Monate und ein Tag, plus eine Geldstrafe von 300.000 Peseten mit 50 Tagen Ersatzarrest, für einen Brief, der als Missachtung des Gerichts angesehen wird und im Juni 1992 an den Leiter dieses Gerichts geschickt wurde.

* Strafgericht Nr. 2 von A Coruña: sechs Monate Haft wegen Bedrohung für einen weiteren Brief vom Oktober 1992.

* Strafgericht Nr. 1 von Almería: zwei Monate und ein Tag für den Versuch der Flucht aus dem Gefängnis am 5. Februar 1994.

* Strafgericht Ferrol Nr. 7: vier Monate und ein Tag wegen Drohungen vom 8. Juli 1994.

* Strafgericht Nummer 2 von A Coruña: sechs Monate Haft wegen Bedrohung für einen weiteren Brief vom Januar 1995.

„Man muss diese Tatsachen immer so einrahmen, dass man sie zum Beispiel 15 Tage lang in El Dueso isoliert und nackt hatte, oder dass man sie wegen der Proteste, die sie im Gefängnis gemacht haben, gefoltert hat“, erklärt der Anwalt. „Um dieser Situation zu entkommen und auch, um einen Wechsel des Gefängnisses anzustreben, haben sie all diese Vergehen begangen, immer im gleichen Zusammenhang und aus dem gleichen Grund“, fügt er hinzu.

Die Abfolge der Urteile, die Gabriel im Zusammenhang mit Fluchtversuchen und Briefen an Richter erhalten hat, endet mit dem Urteil des Provinzgerichts von Albacete über drei Jahre, sieben Monate und einen Tag Haft für einen Fluchtversuch mit Anschlag auf die Behörde im Mai 1996. „Dieses Urteil wird sehr wichtig sein, weil es dasjenige ist, das später zur Erteilung des Europäischen Haftbefehls aus Deutschland führen wird“, erklärt Chao Do Barro. Aber dazu gibt es noch eine Geschichte zu erzählen.

Im Jahr 1998 wurde Gabriel zum ersten Mal in seinem Leben in den Normalvollzug überstellt, das übliche Regime in Gefängnissen.

Bereits 1998, zum ersten Mal in seinem Leben, kommt Gabriel in den Normalvollzug, das übliche Regime in Gefängnissen, in denen man im normalen Trakt leben und Gemeinschaftsräume mit anderen Gefangenen teilen kann, man hat die Möglichkeit, Bildungs- oder Arbeitstätigkeiten auszuüben und kann die Erlaubnis genießen, einige Tage das Gefängnis zu verlassen. Gabriel wurde nach Nanclares de Oca, in Álava, versetzt, wo er ein Philosophiestudium an der UNED begann. „Ich habe die Vorprüfung und die Aufnahmeprüfung für die Universität gleich beim ersten Mal bestanden“, sagt Gabriel.

Obwohl er bereits im Normalvollzug war, sagt Gabriel, dass er weiterhin an den Hungerstreiks oder „txapeos“9 teilnahm, zu denen der Movimiento de Presxs en Lucha (Bewegung der Gefangenen im Kampf) aufrief, eine Organisation von Gefangenen, die nach der Auflösung der APRE entstand. In diesen Jahren, Ende der 90er Jahre, begannen mehrere Häftlinge, Bücher zu veröffentlichen, in denen sie die Gefängnisrealität bekannt machten. Juanjo Garfia veröffentlichte ¡Adiós prisión! im Verlag Txalaparta und Xosé Tarrio Huye, hombre, huye, in Virus. Gabriel begann auch für einige libertäre Publikationen zu schreiben, wie Al Margen, Ungowa! oder Obrero prisionero, der ABC der Halbinsel10. „Ich habe immer freundschaftliche Beziehungen zu libertären Gefährten gehabt, die ich auf der Straße oder bei Besuchen getroffen habe. Obwohl ich so viele Jahrzehnte inhaftiert war, gab es Gefährten und Gefährtinnen aus der halben Welt, die mich immer auf die eine oder andere Weise begleitet haben, ob sie nun meine Aktionen oder Ideen teilten oder nicht“, erklärt Gabriel.

Der Beschluss, mit dem das 2. Strafgericht von Girona die Strafen von Gabriel Pombo da Silva neu festsetzte, stellte nicht klar, auf der Grundlage welchen Strafgesetzbuches er seine Einhaltung berechnete, ob es das Strafgesetzbuch von 1973 war, das die Tilgung von Strafen vorsah, oder das Strafgesetzbuch von 1995.

Pombos Leben im Gefängnis verlief von Gefängnis zu Gefängnis und im Jahr 2000 wurde er erneut verurteilt, diesmal wegen Erpressung durch das 2. Strafgericht von Girona, welches ihn zu neun Monaten und einem Tag Gefängnis verurteilte. Ein Jahr später erließ dieses Gericht einen Beschluss, in dem es alle Strafen, die Pombo noch zu verbüßen hatte, zusammenfasste und seine Gesamtstrafe auf 30 Jahre festlegte. Allerdings ließ der Beschluss nach Angaben seines Anwalts unklar, auf welcher Grundlage es die Vollstreckung der anhängigen Strafen berechnet. „Wenn es durch das Jahr 1973 ist, hätten sie Anspruch auf ordentlichen Straferlass [der einen Tag Straferlass für alle zwei Tage Gefängnisarbeit vorsieht] und außerordentlichen [der nach Ermessen des Verwaltungsrates des Gefängnisses „aufgrund der besonderen Umstände des Fleißes, der Disziplin und der Leistung in der Arbeit“ gewährt wird], oder wenn es durch das Strafgesetzbuch von 1995 ist, das es von dem Moment an aufhebt, weil dieses 1996 in Kraft tritt“.

Von Girona aus wurde Pombo nach der Anordnung in das Gefängnis Martutene in San Sebastián verlegt. Dort nutzte er einen Hafturlaub zur Flucht. „Meine Flucht war motiviert durch das, was um mich herum geschah: Es gab Leute, die mich schamlos ausnutzen wollten. Sie wollten mich zu einem Erzieher in einer Erziehungsanstalt im Baskenland machen! Das war schon zu viel für mich.“ Das Jahr 2003 war das erste Jahr, in dem Gabriel das Gefängnis für ein paar Tage verlassen durfte. „Ich wollte mein existenzielles Kapital nicht verpfänden, um die Vakanz des ‚rehabilitierten Gefangenen‘, der zum Erzieher wurde, zu decken, und zwischen Dezember 2003 und Januar 2004 beschloss ich zu fliehen und den Kampf fortzusetzen, diesmal aus und mit einer bewussten und anarchistischen Perspektive“. Sobald er frei war, erklärt Pombo, verbrachte er seine Zeit damit alles zu übersetzen, was mit dem Kampf der Gefangenen zu tun hatte, von COPEL zu APRE und der Movimiento de Presxs en Lucha (Bewegung der Gefangenen im Kampf). „Der Kampf musste aus der Iberischen Halbinsel herauskommen, er musste internationalisiert werden, er musste bekannt werden“, betont er.

Flucht und Gefangennahme in Deutschland

Wieder war seine Freiheit nur von kurzer Dauer. Zehn Monate nach seiner Flucht wurde Gabriel an einem Grenzkontrollpunkt an der deutsch-holländischen Grenze, in Aachen bei Köln, identifiziert. Ihm und zwei weiteren Personen, mit denen er unterwegs war, gelang nach einer Schießerei die Einreise nach Deutschland, aber seine Schwester wurde verhaftet. Auch sie wurden kurz darauf verhaftet. Die Staatsanwaltschaft Aachen klagt sie wegen versuchten Mordes an neun Menschen, Geiselnahme, bewaffneten Raubüberfalls, Planung eines Raubüberfalls und als Sahnehäubchen Verkehrsdelikte an. „Ich gehe davon aus, dass sie die Verkehrsdelikte begangen haben, als sie auf der Flucht waren“, sagt ihr Anwalt. Am Ende verurteilte ihn das Kölner Landgericht wegen der Geiselnahme zu 13,5 Jahren Haft, wobei ein versuchter Mord ausgeschlossen wurde.

„Meine Gefangenschaft in Deutschland war totale Isolation. Ich war 23 Stunden am Tag in einer Zelle eingesperrt und konnte nur eine Stunde im Hof“, erklärt er. In den ersten Jahren, die er im Aachener Gefängnis verbrachte, widmete sich Gabriel dem Schreiben seines Buches Diario e ideario de un delincuente (Tagebuch und Ideologie eines Verbrechers). Zu diesem Zeitpunkt war er bereits eine bekannte Person in den anarchistischen Kreisen mehrerer europäischer Länder für seine Teilnahme an APRE und seine Anprangerungen von Rechtsverletzungen in Gefängnissen. „Das internationale Echo unserer Verhaftung in der anarchistischen Welt war beträchtlich. Wir wurden ‚Die Aachen 4‘. Meine Haftzeit in Aachen war von ständiger politischer Agitation geprägt. Ich schrieb mit Gefährten aus der halben Welt, darunter auch Culmine, dem ersten anarchistischen Blog, mit dem ich mich intensiv identifizierte. Durch den Briefwechsel mit Culmine und dem Archivo Severino Di Giovanni lernte ich Elisa, die Gefährtin und Mutter meiner Tochter, kennen“.

„Als Anarchistin habe ich immer Geschichten über Gefangene gehört, und in den frühen 2000er Jahren erfuhr ich durch die Bewegungspresse von ihm“, erinnert sich Elisa Di Bernardo, die Gabriels Lebensgefährtin werden sollte. Xosé Tarrio, Pombos Freund und Gefährte, hatte gerade Huye, hombre, huye: diario de un preso FIES veröffentlicht, das später ins Italienische übersetzt wurde. „Wir, als anarchistische Gruppe mit großer Sensibilität für die Gefangenenproblematik und FIES, stellten das Buch vor und es war eine Gelegenheit, auch den Fall Gabriel vorzustellen, der gerade in Deutschland vor Gericht gestellt und verurteilt wurde“, fährt sie fort.

Di Bernardo schrieb bereits an andere Gefangene, und ein paar Jahre später begann sie, Gabriel zu schreiben, und dann begannen die Telefonanrufe. Aber was die italienische Polizei in diesen Kontakten sah, war Terrorismus. „Diese Telefonkontakte nährten einen Verdacht, der 2012 zu einer Repressionsaktion führte, bei der mehrere Gefährten und ich in Italien verhaftet wurden“, erzählt Elisa. „Auch Gabriel war involviert, er galt als Ideologe einer angeblichen anarchistischen Organisation, die es nicht gibt“, fährt sie fort.

Elisa bezieht sich auf die Operation Ardire (auf Deutsch: Wagemut), die im Juni 2012 gegen die anarchistische Bewegung in Italien durchgeführt wurde – im Stil der spanischen Operationen Pandora, Piñata und ICE – und die mit der Verhaftung von acht Personen, darunter sie selbst, der Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen11 für zwei Gefangene in Gefängnissen in Deutschland, darunter Gabriel Pombo und der Schweiz und der Vernehmung von 24 weiteren Personen endete. Im Juni 2012 stellte Italien einen europäischen Haftbefehl gegen Gabriel aus, da ihm vorgeworfen wurde, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein, die in Deutschland, Italien und der Schweiz operiert, während er im Aachener Gefängnis saß. Als Beweise für seine mögliche Beteiligung wurden unter anderem der Einsatz einer „handgefertigten Tätowiermaschine“ und ein Gespräch mit einem italienischen Anarchisten angeführt, in dem er sagte, er wolle sich das Symbol der Federazione Anarchica Informale / Federazione Rivoluzionaria Insurrezionale (FAI/FRI) auf die Brust tätowieren lassen. Und das war’s. Der italienische Haftbefehl wurde zwei Jahre später zurückgezogen.

Auszug aus dem vom Gericht in Perugia ausgestellten Europäischen Haftbefehl gegen Gabriel Pombo da Silva.

Elisa, die beschuldigt wird, den Gegeninformationsblog Culmine zu betreiben, wurde bis September 2013 in Untersuchungshaft eingesperrt. Ein Jahr später hob das Gericht die gegen alle Angeklagten verhängten Sicherheitsmaßnahmen auf. Im Jahr 2016 kam es zu einer zweiten Phase der gleichen Operation, jetzt unter dem Namen Scripta Manent, deren Prozess noch auf ein endgültiges Urteil wartet12.

„Ich habe nie diese Fixierung verstanden, die die italienische politische Polizei auf mich hat, diese Besessenheit, mich als ‚Ideologe‘ einer anarchistischen Gruppe oder Tendenz zu bezeichnen. Wenn man die Verhandlungssitzungen des Scripta-Manent-Falls oder die Anschuldigungen der Ardire-Operation liest, versteht man am Ende genauso viel wie ich von der ganzen Sache: nichts“, sagt Pombo.

Zurück zu Aachen. Im Jahr 2013 betrachtet Deutschland Gabriels Strafe als verbüßt und erlässt einen Teil davon im Gegenzug dafür, dass er zehn Jahre lang nicht nach Deutschland zurückkehrt. Aber er war noch nicht frei. Im Jahr 2004 hatte das Provinzgericht von Albacete einen Überstellungsbescheid nach Deutschland ausgestellt, um Gabriel zur Verbüßung der dreijährigen Haftstrafe auszuliefern, die 1996 gegen ihn verhängt worden war, die letzte wegen der APRE-Aktionen. Die deutsche Justiz gab eine positive Antwort auf die Anfrage von Albacete und übergab ihn 2013, als er die Strafe im Aachener Gefängnis verbüßte, an die Justiz in Albacete. „Dieses Gericht war das einzige, das Deutschland um die Auslieferung bat, also wurde Gabriel nach Spanien ausgeliefert, um nur diese Strafe zu verbüßen“, sagt Chao.

Die Europäische Verordnung über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabe legt fest, dass „die übergebene Person für eine vor ihrer Übergabe begangene Straftat nicht verfolgt, verurteilt oder einer Freiheitsstrafe unterworfen werden darf, es sei denn, die Straftat wäre der Grund für ihre Übergabe gewesen“. Dies steht wörtlich in Artikel 27.2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002, der für die Mitgliedsländer verbindlich ist und in Artikel 24 des Gesetzes 3/2003 vom 14. März über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabe in das spanische Recht übernommen wurde, und dann in Artikel 60.2 und 60.4 des Gesetzes 23/2014 vom 20. November über die gegenseitige Anerkennung von Strafurteilen in der Europäischen Union.

„Die Richtlinie und diese beiden innerstaatlichen Gesetze sind grundlegend, um zu verstehen, was der Grundsatz der Spezialität13 ist, das im Grunde bedeutet, dass eine Person, die von einem Mitgliedstaat auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates übergeben wird, unter der Bedingung übergeben wird, dass sie keine weitere frühere Strafe für frühere Taten verbüßen wird“, erklärt Chao.

Deutschland übergab Gabriel Pombo da Silva an Spanien, damit er nur die vom Gericht in Albacete verhängte Strafe verbüßt, und die deutsche Staatsanwaltschaft informierte das 2. Strafgericht von Girona darüber.

Trotzdem verlangt das 2. Strafgericht von Girona, als Pombo in Spanien ankommt, dass er die 16 Jahre verbüßt, die ihm nach ihren Berechnungen noch aus dem Urteil fehlen, das 2001 seine Strafen zu insgesamt 30 Jahren Gefängnis zusammengelegt hatte. „Die Ansammlung der Anordnung von 2001 ist klar, dass sie vor der Auslieferung, die im Jahr 2013 erfolgt, es sich hier um Tatsachen der frühen 90er Jahre handelt und viele von ihnen wurden während seinem Aufenthalt im Knast begangen“, betont der Anwalt. Trotzdem geben weder das Provinzgericht von Girona, noch der Oberste Gerichtshof oder das Verfassungsgericht nicht klein bei. „Wir haben den internen Weg im spanischen Staat ausgeschöpft und es gab keine Möglichkeit, ihnen begreiflich zu machen, was der Grundsatz der Spezialität ist“, bedauert Chao, der betont, dass es im Urteil des Obersten Gerichtshofs eine besondere Stimme des Richters Andrés Martínez Arrieta gab, der anprangerte, dass im Fall von Gabriel und anderen ca. 400 Gefangenen eine Abrechnung der Strafe genehmigt wurde, die weit über die im Strafgesetzbuch vorgesehene Höchstgrenze der Haftstrafe hinausging.

Deutschland musste kommen, um es der spanischen Justiz zu erklären. „Wir nahmen Kontakt zu den Anwälten in Köln auf und erreichten über sie, dass die deutsche Staatsanwaltschaft einen Brief an die Staatsanwaltschaft des Provinzgerichts von Albacete und an das Gericht selbst schickte, in dem sie daran erinnerte, dass Gabriel nach dem Grundsatz der Spezialität ausgeliefert worden war und daher nur zur Verbüßung dieser Strafe ausgeliefert wurde“, so Chao weiter. „Die Auslieferung des Verfolgten nach Spanien wurde ausschließlich zum Zweck der Vollstreckung des Urteils der 1. Kammer des Landgerichts von Albacete vom 15.11.1997 unter Beachtung des Grundsatz der Spezialität genehmigt“, heißt es in dem von der deutschen Staatsanwaltschaft unterzeichneten Dokument, zu dem El Salto Zugang hatte.

Nach der Intervention der deutschen Staatsanwaltschaft erkannte das Landgericht Albacete an, dass Gabriel nur diese Strafe verbüßen kann. Trotzdem versuchte das Strafgericht Nr. 2 von Girona erneut, das Gefängnis anzuweisen, ihn im Freiheitsentzug zu halten, damit er die angeordnete Neufassung der 30-jährigen Haftstrafe verbüßen kann. Es dauerte mehrere Wochen, bis das Provinzgericht von Girona in einem am 7. Juni veröffentlichten Urteil das Strafgericht Nr. 2 anwies, Gabriel freizulassen. Am 9. Juni 2016 wurde er aus dem Strafvollzugszentrum La Moraleja in Dueñas entlassen.

„Diese Jahre auf der Straße gaben mir eine realistische Perspektive, wie sehr sich alles verändert hatte. Ich bin als Kind hineingegangen, als das Fernsehen noch schwarz-weiß war, und ich bin in der vollen technologischen Revolution herausgekommen“.

„Ehrlich gesagt, als ich entlassen wurde, konnte ich es nicht glauben. Ich weiß nicht, wie ich diese ersten Tage, Wochen und Monate beschreiben soll. Meine Gefährten haben es mit mir gelebt und ich habe es mit ihnen gelebt. Eines der ersten Dinge, die ich tat, war, zu gehen und diesen Richter zu denunzieren. Dann hielt ich Vorträge über meine Erfahrungen auf der Halbinsel und vor allem widmete ich mich fast zwei Jahre lang der Arbeit, um das Ateneo Agustín Rueda [zu Ehren des in den 70er Jahren im Gefängnis ermordeten Anarchisten] voranzubringen und unser Haus zu bauen, das von Elisa und mir. Am 19. November 2017 wurde unsere Tochter geboren“, erinnert sich Gabriel. „Diese Jahre auf der Straße gaben mir eine realistische Perspektive, wie sehr sich alles verändert hatte. Ich bin als Kind hineingegangen, als das Fernsehen noch schwarz-weiß war, und ich bin in der vollen technologischen Revolution herausgekommen“, fügt er hinzu.

Im Jahr 2016 beginnt für Gabriel endlich die längste Zeit seines Lebens in Freiheit, seit er im Alter von 17 Jahren das erste Mal ins Gefängnis kam. Pombo ist jetzt frei, aber sie machen es ihm nicht leicht. Elisa erzählt, wie die Banken sich weigern, ihm ein Konto zu eröffnen, über das er die knapp über 400 Euro im Monat an Leistungen abrufen kann, die Haftentlassenen für sechs bis 18 Monate zustehen. „Um die Leistung zu bekommen, musste ich eine spezielle Akte bei dem Jobcenter (A.d.Ü., INEM in Spanien) anlegen, mit der ich jeden Monat zu einem bestimmten Datum zum Schalter derselben Bank gehen musste, die ihm das Konto verweigerte“, erklärt Elisa. „Sie haben alles getan, was möglich war, um ihn zur Rückkehr in die Kriminalität zu bewegen, von welcher Art von Rehabilitation sprechen wir hier? Entweder ist die Person, die aus dem Gefängnis kommt, stark, klar und hat persönliche Ressourcen, mit denen sie kämpfen kann, oder sie wird sich für den Rest ihres Lebens eingesperrt wiederfinden“, fügt sie hinzu.

Das Paar kommt lange Zeit nicht zur Ruhe. Im Januar 2017 tauchte die Guardia Civil bei ihnen zu Hause auf und verhaftete Gabriel auf Anordnung des Juzgado de Instrucción Nr. 4 (Untersuchungsgericht) von Vigo im Rahmen der Operation Buyo wegen Waffenhandels, und sein Name tauchte wieder in den Medien auf, zusammen mit dem von C.O., einer angeblichen Anarchistin.

Elisa erzählt ihre Version dieser Geschichte: „Das erste Jahr der Freiheit verbrachte Gabriel neben dem Bau unseres Hauses und der Gründung einer Familie damit, Vorträge zu halten, und in einem davon, in Vigo, kam diese Frau, die Probleme mit Drogen hatte, auf ihn zu. Ich bin Sozialpädagogin und Gabriel hat schon viele Jugendliche im Gefängnis vor Drogen bewahrt und sie an Bücher und an Sport herangeführt. Aus Mitleid wollten wir ihr helfen und luden sie in unser Haus auf dem Land ein, um sie dort von der Sucht zu vertreiben, aber nach fünf Tagen merkten wir, dass sie sich immer noch heimlich Scheiße einwarf und wir luden sie ein, wieder nach Hause zu gehen.“ Ein paar Tage später kamen 60 Guardia Civiles mit dem Vorwand, nach Waffen zu suchen. Die Guardia Civil ging auch zum Haus der Frau, auf die sich Elisa bezieht, C.O., wo sie ein Dutzend Waffen fanden.

Gabriel wurde 24 Stunden lang auf der Polizeiwache festgehalten und dann freigelassen. Ein Jahr später schloss das Untersuchungsgericht Nr. 4 von Vigo die Ermittlungen gegen Gabriel in einem Beschluss ab, zu dem diese Zeitung Zugang hatte, in dem es darauf hinwies, dass es keine Beweise für eine Beziehung von Pombo zu dem Fall gab. „Als das Untersuchungsgeheimnis offengelegt wurde, sahen wir, dass das Mädchen, das die Tochter eines Militärs ist, mit dem CNI (A.d.Ü., militärischer Geheimdienst) kollaborierte und über Milanuncios (A.d.Ü., Kleinanzeigen im Internet) ungestraft Waffen verkaufte; sie hätten sie nach Informationen über Gabriel gefragt, weil er in den 80er Jahren Waffen benutzte, oder um Waffen in unser Haus zu bringen, aber als sie am 24. Januar kamen und das ganze Anwesen auf den Kopf stellten, fanden sie nichts“, fährt Elisa fort.

Auszug aus dem veröffentlichten Teil des Beschlusses, mit dem das Gericht Nr. 4 von Vigo die Ermittlungen gegen Gabriel Pombo da Silva eingestellt hat.

Aber auch das Gericht in Girona hatte seine Bemühungen, Gabriel wieder ins Gefängnis zu bringen, nicht aufgegeben. Kurz nachdem er seine Freiheit wiedererlangt hatte, hatte das Gericht ein neuen Europäischer Haftbefehl an Deutschland ausgestellt, worauf der deutsche Staat nur antwortete, dass er sich nicht äußern müsse, da seit seiner Auslieferung mehr als 45 Tage verstrichen seien.

Parallel dazu hatte Pombo in einer 2019 bearbeiteten Klage vor dem Obersten Gerichtshof von Katalonien den Leiter des Gerichts von Girona wegen Ausweichens angezeigt, weil er versucht hatte, seine Freilassung zu verhindern, was aber zu den Akten gelegt wurde, weil er sich zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Fahndung und Gefangenschaft befand und diese nicht ratifizieren konnte.

Das Gericht von Girona hatte es erneut versucht, und diesmal erfolgreich, mit der Zusammenarbeit von Italien durch Europol und Juspol. Der neue Europäischer Haftbefehl, der mit Verfügung vom 24. Juli 2019 erlassen wurde, gipfelte in der Festnahme von Gabriel in Monçao, nur vier Kilometer von der Grenze zu Portugal entfernt, am 25. Januar 2020. „Schon als er in Deutschland inhaftiert war, schickte Italien einen Europäischen Haftbefehl und als Gabriel nach Spanien zurückkehrte, folgte ein weiterer. Die Zusammenarbeit (A.d.Ü., mit der italienischen Justiz, denken wir) mit dem Gericht von Girona für ein neuen Europäischen Haftbefehl zeigt ein unverhältnismäßiges Interesse“, fügt Chao hinzu.

Veröffentlichungen in Medien wie ABC (A.d.Ü., eine rechte und monarchistische Tageszeitung) über die Verhaftung sprachen von Gabriel im Rahmen der Buyo-Operation von 2017, ohne jedoch zu sagen, dass die Anklage gegen Gabriel erhoben wurde, hoben die 30 Jahre Strafe hervor, die vom Strafgericht Nummer 2 weiterhin gegen ihn verhängt werden, und zitierten einen Polizeivermerk, in dem darauf hingewiesen wurde, dass Pombo „weiterhin Manifeste auf Webseiten der anarchistischen Bewegung veröffentlichte, in denen er sich als Anführer der Bewegung zeigte und zum Aufstand aufrief“. Sie stellten auch seine Beziehung zur FAI/FRI fest.

Nach seiner Verhaftung genehmigte das Tribunal de Relaçao de Guimaraes die Auslieferung Pombos an Spanien. Sein Anwalt legte gegen die Auslieferung Berufung beim portugiesischen Obersten Gerichtshof ein, der die Berufung jedoch ablehnte. „Der portugiesische Oberste Gerichtshof hat seiner Auslieferung im Wesentlichen deshalb zugestimmt, weil sie sagen, dass die Anerkennung des Grundsatzes der Spezialität Gabriel einer Art diplomatischer Unantastbarkeit gleichkäme oder ihm eine Art Amnestie gewähren würde, weil er von diesen 30 Jahren noch 16 Jahre und fünf Monate absitzen müsste“, erklärt Chao. „Aber dieser Betrag ist das Ergebnis, wenn kein Erlass auf ihn angewendet wird, denn sonst hätte er den gesamten Erlass, den er bis 1997 angesammelt hätte. Im schlimmsten Fall müsste Gabriel jetzt auf Bewährung sein“, sagt der Anwalt.

„Sie schmuggelten mich mitten in der Pandemie heraus und lieferten mich heimlich in Badajoz ab. Das Gefängnis von Badajoz war schon immer ein Ort der menschlichen Verwesung. Es war kein Zufall, dass das erste FIES-Trakt dort eröffnet wurde, wo so viele Menschen gefoltert wurden. Es ist ein Zentrum der Straflosigkeit“, erklärt Pombo. Die erneute Auslieferung nach Spanien fand am 13. Mai 2020 in einer Polizeistation in Caia, zwischen Badajoz und Elvas, statt. Noch am selben Tag wird er in das Strafvollzugszentrum von Badajoz eingeliefert, wo er zwei Wochen verbringt, bis er in das Gefängnis von Mansilla de las Mulas, in León, verlegt wird, wo er sich derzeit befindet.

Seitdem kämpft Manuel Chao für die Freilassung von Pombo. Der Beschluss zur Neufassung der Urteile wird vor dem 2. Strafgericht von Girona angefochten; Die Leistungen der Erlösung, die zu keiner Zeit auf ihn nach einem Leben hinter Gittern angewandt wurden, werden im Strafvollzugsgericht von León, das das zuständige Gericht ist, angefochten, und was den Grundsatz der Spezialität betrifft, nach dem Pombo keine Strafe vor der von Albacete verbüßen sollte, für die er von Deutschland ausgeliefert wurde, hat der Anwalt eine Schutzklage vor dem Verfassungsgericht eingereicht, die 4540/2020, die in der Zweiten Kammer Vierte Abteilung gefallen ist. Nach der Antwort des Obergerichts wird er eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission einreichen und, falls das Verfassungsgericht die Beschwerde nicht zulässt, zum Gerichtshof der Europäischen Union gehen.

In der Zwischenzeit wartet Gabriel immer noch im Gefängnis von Leon, unter der Kategorie FIES-5, mit der Überwachung aller Kommunikationen. „Hier lassen sie mich in Ruhe, was für mich schon ein Novum ist, und ich habe die Pandemie mit Lektüre verbracht: Ich studiere das Mittelalter und werde die Gelegenheit nutzen, alles zu lesen, was mir in die Hände fällt.“

Am Vorabend von 20. November hatten Gabriel und seine Tochter ihren Geburtstag. Er ist 53 und seine Tochter ist 3. An diesem Tag meldeten die Fernsehsender die Freilassung von Carlos García Juliá, einem der Mörder der Atocha-Anwälte14. García Juliá war Anfang 2020 ebenfalls an Spanien ausgeliefert worden, in seinem Fall von Bolivien, wo er wegen Drogenhandels inhaftiert war. Er hatte noch zehn Jahre zu verbüßen, als er aus dem Gefängnis ausbrach, aber bei seiner Ankunft in Spanien wurden ihm für diese zehn Jahre Haftvergünstigungen gewährt. „Irgendetwas funktioniert in diesem Land nicht, mein Fall ist eine Schande. Ich wehre mich immer noch, das ist alles, was ich sagen kann“, schließt Gabriel Pombo ab.

1A.d.Ü., APRE – Asociación de Presos en Regimen Especial – Vereinigung der Gefangenen im Sonderregime (besondere harte Haftbedingungen)

2A.d.Ü., wir konnten es uns nicht verkneifen die Bedeutung von El Calvario zu erklären, da dies Kalvarienberg oder Leidensweg bedeutet. So wird einem schon das eigene Leben durch den Namen des Kiezes, in dem man lebt, erklärt und beschrieben.

3A.d.Ü., mehr Infos zu diesem Thema in unserem Artikel in der Reihe Geschichte der Repression in Spanien Teil 5

4A.d.Ü., am 23. Februar 1981 versuchte ein Teil des Militärs mit einigen Einheiten der Guardia Civil im spanischen Staat einen Staatsstreich durchzuführen, der scheiterte.

5A.d.Ü., durch die Verwendung von Knüppeln.

6A.d.Ü., die Haftbedingungen im spanischen Staat werden durch drei Verschiedene Grade, oder Stufen, definiert. Primer Grado – erster Grad – ist der geschlossene Vollzug, sprich Isolationshaft, der Segundo Grado – zweiter Grad – ist der Normalvollzug und der Tercer Grado – dritter Grad – ist der offene Vollzug.

7A.d.Ü., zu der Gefangenenorganisation COPEL, hier eine Liste von Artikeln: I; II; III; IV; V und VI

8A.d.Ü., Felipe González, war der erste sozialistische Präsident im spanischen Staat, von 1982 bis 1996, nach der Diktatur Francos.

9A.d.Ü., als txapeo wird die Protestaktion bezeichnet, bei der Gefangene entweder ihre Zelle oder den Hof nicht verlassen.

10A.d.Ü., hiermit werden die anarchistischen Gruppen der ABC (Anarchist Black Cross), auf Spanisch CNA (Cruz Negra Anarquista) gemeint und nicht die monarchistische und rechtskonservative Zeitung im spanischen Staat, die denselben Namen trägt.

11A.d.Ü., nicht nur Untersuchungshaft wäre hier der Fall, sondern auch Hausarrest, Meldeauflagen usw.

12A.d.Ü., als dieser Artikel veröffentlicht wurde, war die Wiederaufnahme des Falles im Gange. Mehr Infos hier I; II.

13A.d.Ü., mehr zu dem Grundsatz der Spezialität hier.

14A.d.Ü., am 24. Januar 1977 wurden fünf Anwälte, die der damals kommunistischen Gewerkschaft Comisiones Obreras und der Kommunistischen Partei nahe standen, von einem faschistischen Kommando erschossen. Dieser Anschlag gilt als eins der Höhepunkte des Übergangs vom Faschismus in die Demokratie.

http://panopticon.blogsport.eu/2021/04/14/spanischer-staat-das-leben-hinter-gittern-des-galicischen-anarchisten-gabriel-pombo-da-silva/