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Spitzel führten enge Beziehungen mit ihren Opfern«

Britische verdeckte Ermittler haben sich Vertrauen von Aktivisten erschlichen. Die wollen den Skandal in einem Film beleuchten. Gespräch mit Jason Kirkpatrick
Interview: Christian Bunke,junge Welt 11.1.17

»Deutschland und Großbritannien haben eine führende Rolle bei grenzüberschreitenden geheimpolizeilichen Operationen gespielt. Es gibt keinerlei demokratische Kontrolle darüber.« – Jason Kirkpatrick wurde jahrelang von einem mutmaßlichen Freund ausspioniert. Momentan arbeitet er an einem Film über verdeckte Ermittler der britischen Polizei
Jason Kirkpatrick ist ­Umwelt- und Klima­aktivist und wurde jahrelang von einem mutmaßlichen Freund ausspioniert. Momentan arbeitet er an einem Film über verdeckte Ermittler der britischen Polizei
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Der Einsatz von verdeckten Ermittlern der britischen Polizei hat sich vor knapp zwei Jahren zu einem regelrechten Skandal entwickelt. Auch Sie wurden von einem angeblichen Freund ausspioniert. Warum haben Sie sich entschieden, den Vorgang in einem Film aufzuarbeiten?
Während unseres Kampfes für die Aufklärung des internationalen Skandals um verdeckte Ermittler mussten wir uns mit der polizeilichen Propagandamaschine auseinandersetzen. Immer wieder scheint es eine Kooperation zwischen Privatkonzernen, Sicherheitsfirmen, der Polizei und Staatsanwaltschaften zu geben, um soziale Bewegungen zu diskreditieren. Deshalb will ich meine Seite der Geschichte erzählen und angesichts der Lügen von Polizei und Regierungen nicht länger untätig bleiben.
In England und Wales soll ein Untersuchungsausschuss Aufklärung schaffen. Erhoffen Sie sich etwas davon?
Ich bin einer von etwa 170 nichtstaatlichen Zeugen in dieser Untersuchung, da ich ein Ziel des verdeckten Ermittlers Mark Kennedy war. Bis der Ausschuss die wichtigsten Aussagen ehemaliger verdeckter Ermittler veröffentlicht, wird es bis Ende des Jahres oder gar Anfang 2018 dauern.
Warum ist das Gebiet, in dem den Vorgängen nachgegangen werden soll, dermaßen streng begrenzt?

Es betrübt mich, dass die ehemalige Innenministerin und jetzige Premierministerin Theresa May persönlich dafür gesorgt hat, die Untersuchung nicht auf andere Länder auszuweiten. Kennedy war nicht nur in England, sondern auch in Irland, Nordirland, Schottland, Deutschland und Polen aktiv. Ich musste in all diesen Ländern einzeln um Zugang zu meinen Polizeiakten kämpfen. Das Büro von Thomas de Maizière hat bei Theresa May eine Einbeziehung Deutschlands in die Untersuchung angefragt. Leider hat sie nein gesagt, weshalb ich vier verschiedene Klagen angestrengt habe, um die Befugnisse der Untersuchung auszuweiten. Im Februar habe ich einen Termin beim High Court in Belfast, wo ich eine Revision der Entscheidung Mays fordere.
Ein Ziel staatlicher Unterwanderung ist die Schaffung einer Atmosphäre der Angst und des Misstrauens unter Aktivisten. Wurde das erreicht?
In Wales wurde eine Antikriegsgruppe durch die Aktivitäten eines verdeckten Ermittlers zerstört, der unter dem Namen »Marco Jacobs« agierte. Auch Labour-Parteichef Jeremy Corbyn wurde zum Ziel verdeckter Ermittler, weil er in der Bewegung gegen die Apartheid in Südafrika aktiv war. Doch der Geheimpolizei ist es trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, diese Bewegung zu zerstören. Ich hoffe, dass heutige Aktivisten sich über die Methoden der Geheimpolizei informieren und sich von der Atmosphäre staatlich geschaffener Paranoia nicht überwältigen lassen.
Braucht es eine internationale Untersuchung solcher Vorgänge?
Durch die Bemühungen des deutschen Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko kam die Existenz einer »European Cooperation Group on Undercover Activities«, ECG, ans Licht. Diese diskutiert technische, rechtliche und operative Aspekte von verdeckten Ermittlern. Deutschland und Großbritannien haben eine führende Rolle bei grenzüberschreitenden geheimpolizeilichen Operationen gespielt. Es gibt keinerlei demokratische Kontrolle darüber. Sie gehören verboten oder mindestens stark reguliert. Eine internationale Untersuchung wäre eine gute Idee.

Für Außenstehende ist das alles sehr schwer greifbar, was auch an der wachsenden Auslagerung und Privatisierung des Überwachungsappartes liegt. Wie soll man dem begegnen?
Grenzüberschreitende Undercover-Aktionen durch die Polizei gibt es schon seit Jahrzehnten, auch ohne ECG-Beteiligung. Es gibt formelle und informelle grenzüberschreitende Polizeitreffen, Interpol, private Sicherheitsfirmen. Das ist alles sehr verwirrend. Und doch wissen wir, dass der britische Polizist Mark Kennedy einen Vertrag mit der deutschen Polizei hatte. Auch andere britische Ermittler haben politische Gruppen in Deutschland unterwandert. Einige Spitzel führten enge Beziehungen mit ihren Opfern, beispielsweise in Hamburg. Deutsche Politiker müssen aufhören, das mit Steuergeldern zu finanzieren. Die Auslagerung auf private Firmen gehört mindestens stark reguliert oder gleich ganz verboten.