Thomas Meyer-Falk: Grußwort an die Anti-Knasttage vom 15.-17.11.13 in Bielefeld

Rauchzeichen aus einer Totenwelt
Es mag ein wenig übertrieben klingen, von Knästen, insbesondere den Anstalten, in denen Sicherungsverwahrung vollzogen wird (die immerhin auf ein Gesetz der Nazis vom 24.11.1933 basiert), als den Totenwelten zu sprechen.

Aber aus Sicht eines Betroffenen trifft es die Situation ganz gut. Wir begegnen dort an der Seele und Psyche oftmals verkrüppelten Menschen, die entweder nie die echte Freiheit und Unabhängigkeit kennengelernt haben, oder wenn sie einen Hauch davon erspürten, ihn vom Knastsystem mit aller Macht ausgetrieben bekommen sollen.

Niemand bestreitet ernsthaft, daß viele derer die hinter Gittern einsitzen, vielfach destruktiv, ja auch grausam gehandelt haben, damit sind sie aber auch Produkt einer destruktiven
und grausamen Gesellschaft, in der ausbeuterische Herrschaft über die Liebe zum Leben und zur Freiheit zu siegen scheint. Hier im Freiburger Knast sitzen Männer seit 5, 10, 15 und mehr Jahren in der Sicherungsverwahrung. Nicht wenige geben offen zu damit zu rechnen, hier ihr Leben zu beenden, d.h. eines Tages zu sterben, ohne jemals wieder den Duft der Freiheit geschnuppert zu haben.
Aber beginnen sie deshalb die Revolte, lehnen sie sich aktiv und kämpferisch auf? Nein, sie verharren in Resignation, eine tiefe Traurigkeit scheint von ihnen auszugehen, wenn man mal hinter die mitunter lautstark-aggressiv vorgetragene Haltung blickt.

Niemand schenkt ihnen Gehör- sieht man von den professionellen Juristen (Anwalt und Gericht), sowie Knastpersonal ab. Und dass solche Personen ein ganz anders geartetes Interesse an den Verwahrten haben, als ihnen eine baldige Freilassung zu ermöglichen, das sollte auf der Hand liegen.
“Lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit ••• “,sang Wolf Biermann seinerzeit; aber hier hinter den harten dicken Betonmauern treffen wir auf mindestens ebenso verhärtete Menschen. Diese wirklich zu erreichen, sie wirklich in ihrem Inneren zu berühren und aus der Verhärtung zu lösen, das wird den heute bestehenden Strukturen in den Knästen nicht gelingen, ja es soll auch nicht gelingen.
Denn jene Menschen die uns einsperren, tagtäglich mit immer kleinlicheren Schikanen provozieren, sind Teil eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses, der nicht auf Befreiung und Befriedung, sondern einen fortdauernden Kampf um Herrschaft über das Individuum gerichtet ist.

Deshalb ist auch die so radikal klingende Forderung nach Abschaffung aller Knäste berechtigt, denn eine Reform im bestehenden System ist unmöglich; nur durch eine Überwindung der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen kann am Ende auch eine Abschaffung der Knäste stehen. Insofern steht die entsprechende Forderung in einer Linie mit jenen Kämpfen, die sich gegen die bestehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung richten.

Aber all das hilft nicht den Hoffnungslosen und Verlorenen die heute hinter den Mauern leben, die dort morgen, übermorgen oder nächstes Jahr dort hinein gelangen werden. Trotzdem können Veranstaltungen wie die Anti-Knasttage, dieses Jahr in Bielefeld, ein Leuchtfeuer sein, ein kleiner Hoffnungsschimmer der aufzeigt, daß eine andere Welt, eine Welt in niemand mehr eingesperrt wird, die ohne solche Orte auskommt.

Thomas Meyer-Falk
z.Zt. JVA Freiburg/Sicherungsverwahrung
https://freedomforthomas.wordpress.com