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Türkei: Interview mit Mete Dis

1- Gute Besserung. In den Gefängnissen gibt es Hunderte kranke Gefangene. Die meisten befinden sich in einem kritischen Zustand. Sie wurden nun im Zuge einer Kampagne freigelassen. Könnten Sie für uns den Sieg bewerten?
In den Gefängnissen gibt es Tausende Gefangene. Einige von ihnen sind in einem sehr kritischen Zustand. Heute sind die Freunde in dem Gefängnis, in dem ich mich befand, in der gleichen Lage. Unsere Haltung und Reaktion im Gefängnis ist klar. Das betrifft auch Krankheiten… Natürlich können uns Krankheiten unter Druck setzen. Denn wir können sagen, dass die Isolation schwer ist. Wir haben immer schon gesagt, dass sie den Körper der Gefangenen langsam kaputtmacht, dass der Körper an Kraft verliert. Dagegen haben wir eine gewisse Haltung eingenommen. Auch heute haben wir erfahren, dass ein Freund an Krebs erkrankt ist. Solange die Isolation andauert, wird es weitere Fälle wie Güler Zere, Yasemin und Mete geben.
Die Isolationspolitik führt weiterhin zu Krebs und zum Tod der Gefangenen. Über den Sieg kann ich folgendes sagen; der Sieg ist ein großes Ereignis. Aus den F-Typ Gefängnissen, die Burgen des Imperialismus sind, wurde ein revolutionärer Gefangener herausgeholt. Und dies geschah nicht durch die Gerichte. Das haben unsere eigenen Freunde und Genossen geschafft. Letztendlich haben wir diesen Erfolg alle gemeinsam erzielt und gesiegt.
In dieser Periode wurden wir mit brutalen Angriffen der Polizei konfrontiert. Aber ihnen steht ein revolutionärer Wille entgegen. Wir waren es, deren Wille gesiegt hat. Die wahren Sieger sind jene, die kämpfen. Wir können sehen, in welcher Situation sich jene befinden, die nicht kämpfen und sich für die Kapitulation entscheiden. Aber wir können auch sehen, wohin sich die kämpfenden und widerstandleistenden Kräfte bewegen. Und dieser Sieg von uns ist das größte Beispiel hierfür.

2- Könnten Sie uns kurz über Ihre Gefangenschaft berichten?

Ich kam 2010 ins F-Typ- Gefängnis. Seitdem waren wir Ziel von Angriffen. Letztlich wurden auch unsere Genossen in Kandira und in anderen Gefängnissen Angriffen ausgesetzt. Der einzige Grund für meine Krankheit ist die Isolation, die in den F-Typen umgesetzt wird. Denn wir wissen, dass der Imperialismus diese Politik bewusst in den Gefängnissen einsetzt und dass er Untersuchungen dazu angestellt hat. Und wir können uns alle vorstellen, wie fortgeschritten diese Maßnahmen mittlerweile sind. Wir können sagen, dass wir laufend Angriffen, Repression und entwürdigenden Zwangsmaßnahmen ausgesetzt werden.
Ich habe gemerkt, wie mein Körper langsam schmerzte, wie er an Kraft verlor. Dann wurde ich operiert. Als ich vor der Operation zum Krankenrevier ging, wurde ich ebenfalls unter Druck gesetzt. Sie sagten, ‚wir behandeln euch, indem wir euch Medikamete geben und Auskünfte‘. Also, die Revolutionäre und die anderen Gefangenenen werden regelrecht als Versuchspersonen eingesetzt. Sie geben uns als leichtestes Medikament Psychopharma, aber aufgrund unserer Hartnäckigkeit konnte ich ins Krankenhaus gebracht werden und es wurde Krebs festgestellt. Das geschah aufgrund unserer Hartnäckigkeit, ansonsten hätte ich weitere 1-2 Monate Medikamente eingenommen und das wäre dann so weiter gegangen. Anschließend begann die Chemotherapie. Ich wurde zum Krankenhaus in Kartal gebracht und dort wurde ich ebenfalls mit der feindlichen Haltung der Gefängniswärter und Gendarmen konfrontiert. Sie sind nicht einmal meinen kleinsten Bedürfnissen nachgegangen. Sie brachten mich nicht einmal 1-2 Meter zur Toilette, ließen mich warten. Meine Hände waren in Handschellen gelegt. Wir diskutierten und es hieß, ‚Du bist jemand, der unter meinem Befehl steht und tust nur das, was ich dir sage‘. Natürlich hat er auch eine Antwort bekommen. In der darauffolgenden Zeit wurde ich auf gleiche Weise behandelt.
… Im Maltepe Gefängnis verbrachte ich in einer Einzelzelle. Ich sah die Haltung der Wärter gegenüber den Gefangenen. Sie versuchten mit Eisenstangen anzugreifen. Da ich allein war, versuchten sie mich einzukesseln.  … Danach trat ich in den Hungerstreik und wurde ins Kandira Gefängnis gebracht. Dort wieder die gleiche Behandlung. Auch dort gab es keine Medizin. 1 Monat lang konnten wir keine Medikamente bekommen. Im Krankenhaus und im Gefängnis sagten sie, wir sollten uns selber darum kümmern. Wie sollten wir das als Gefangene anstellen? Wir sagten es unseren Freunden und sie fanden die Medikamente dann in Ankara. So kamen wir dazu.
Es gab erneut Folter, Repression und Unterdrückung. Denn während ich zum Krankenhaus gebracht wurde, waren meine Hände in Handschellen gelegt. Ich konnte nicht gehen vor lauter Erschöpfung. Jeden Tag verbrachte ich 5-6 Stunden mit Handschellen im Gefangenentransporter. Wir fuhren um 9:00 Uhr los und kamen um 16:00 Uhr ins Gefängnis zurück. Schließlich zog ich mir eine Krankheit zu. Ich bekam eine Infektion. In diesem Zustand ging ich dreimal täglich zum Krankenhaus – jedes Mal mit Handschellen gefesselt. Zuletzt hatte ich solange diskutiert, bis die Handschellen geöffnet wurden. Eines Nachts ging es mir plötzlich schlecht und ich wurde ins Krankenhaus gebracht. Ich lag 4-5 Stunden im Krankenhaus. Und gegen 4:00 Uhr morgens wurde ich erneut ins Gefängnis zurückgebracht. Und dann fuhr ich erneut zum Krankenhaus zur Chemotherapie. Wieder kam ich mit Handschellen ins Gefängnis zurück. Wegen der Infektion bekam ich dann 41° Fieber. Es war ein Feund namens Cem bei mir. Er wurde bei der neulichen Razzia gegen Ärzte und Beamte verhaftet. Dank seiner Bemühungen haben sie mich ins Krankenhaus gebracht. Ich wollte eigentlich nicht, weil ich den ganzen Weg diese Folter ertragen musste. Folter auf dem ganzen Weg und dann wurde ich noch halb ohnmächtig im Krankenhaus herumgefahren. Die Halten des Soldaten war ohnehin klar. Ich blieb zwei Tage im Krankenhaus. Es kam ein spezieller Befehl vom Kommandanten.   Er soll gesagt haben ‚legt Mete um 24:00 Uhr Handschellen an‘. Es kam ein uns feindlich gesinnter Kommandant der sagte, legt im Tag und Nacht Handschellen an. Als meine Blutwerte sich erhöhten und es mir etwas besser ging – ich konnte nämlich nicht gut sehen und hatte Gleichgewichtsstörungen – sagte ich, ’nehmt die Handschellen runter, das ist entwürdigend, es ist würdelos. Ich akzeptiere das nicht‘.  Später kam ich wieder ins Gefängnis zurück.

3- Wie kamen die Aktionen draußen im Gefängnis an?

Die Kampagne draußen war sehr einflussreich. Sie hatte sowohl auf uns, als auch auf unsere Feinde Wirkung. Viele Teile der Bevölkerung haben draußen jene, die für die Gerechtigkeit des Volkes eintraten, unterstützt. Sie haben uns verteidigt. Drinnen wurden sie langsam nervös. Das führte dazu, dass später sowohl der Direktor als auch der Staatsanwalt zu und kamen und uns Aufmerksamkeit schenkten. Als es draußen allmählich Öffentlichkeit gab, zeigten auch die Behörden langsam Interesse.

4- Mitglieder von TAYAD und der Volksfront führten draußen eine intensive Kampagne und Sie sind nun frei. Aber drinnen gibt es noch viele kranke Gefangene. Welche Politik verfolgt die AKP. Noch wenige Tage vor Ihrer Freilassung hat im Geschlossenen Gefängnis Ahlat Gürgin Kurt sein Leben verloren. Wie sollte der Kampf gegen die Politik der AKP im Zusammenhang mit kranken Gefangenen aussehen?
Schließlich wurde die Kampagne der Volksfront und der TAYAD-Angehörigen im ganzen Land verbreitet.
Heute gibt es Tausende  Gefangene, ob sozial oder politisch. Aber als ich nach Maltepe kam, sah ich, dass auch gegenüber den sozialen Gefangenen massive Repression ausgeübt wird. Offen gesagt, wurden die Menschen dort wie Tiere behandelt. Wir können uns vorstellen, wie es in den Gefängnissen aussieht, wo von uns niemand ist. Also, niederwertig. Was können wir gegen diese Politik der AKP unternehmen? Was die AKP mit ihrer Politik erreichen will ist, dass sich ihr alle unterwerfen. Wer das nicht soll sterben. Wir können uns auch den gegenwärtigen Prozess ansehen. Ihre derzeitige Politik ist, ‚du wirst dich ergeben, wenn nicht, dann lass ich dich nicht frei‘. Wir Revolutionäre sind die einzige Alternative. Deshalb verfolgt die AKP diese Politik. Warum.. Sie sagen es heute sogar direkt „Stell dich mir nicht in den Weg oder ich töte dich“. Draußen ist die Situation genauso wie im Gefängnis. Wie sollten wir uns dagegen verhalten? Diese Kampagne sollte gemeinsam geführt werden. Denn wir sehen, dass es z. B. nicht nur uns so ergeht, sondern auch den sozialen Gefangenen. Auch unter den sozialen Gefangenen gibt es heute viele Tote. Jemand kann Blut spucken und sterben. Dieser jemand muss nicht politisch sein, auch die anderen Menschen werden im Gefängnis isoliert. Wir sollten uns vereinen und diese Kampagne vergrößern. An dieser Kampagne sollten nicht nur wir sondern auch andere linke Kräfte teilnehmen. Wie bei Güler Zere, wo Tausende Menschen mitmarschierten. Wir können etwas erreichen, wenn wir die Kampagne zur Freilassung unserer Genossen vergrößern, verbreiten und uns vereinen.

5- Wie ist Ihr Gesundheitszustand heute? Wie sieht die Behandlung draußen aus?
Es mag komisch klingen, aber ich weiß es nicht genau. Im Gefängnis wurde ich immer hin- und hergebracht. Aber mir wurde keine genaue Auskunft erteilt. Es war sehr chaotisch. Man fährt zur Behandlung und fragt, bekommt aber keine umfassende Antwort. Als Gefangener ist man eben nur soviel wert. Meine derzeitige Verfassung: Während dieser Chemotherapie traten einige Beschwerden auf. Ich musste zehn Tage lang unnötig Medikamente einnehmen. Weil es keine weiteren Schritte gab, habe ich 10 Tage umsonst Medikamente eingenommen. Ich habe starke Beeinträchtigungen und Schmerzen. Ich habe Gelenkschmerzen. Wenn ich morgen zum CAPA-Krankenhaus gehe, bekomme ich meinen Blutbefund. Wenn der Krebs immer noch da ist oder sich ausgebreitet hat, wird die Chemotherapie fortgesetzt. Ansonsten werde ich alle 15 Tage oder alle 3 Monate in bestimmten Abständen zur Untersuchung ins Krankenhaus gehen. So werden wir den Krebs besiegen.

6. Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

Natürlich gäbe es da noch so viel, was ich erlebt habe. Während dieser Kampagne habe ich sehr viel gesehen und gelernt. Es zeigt sich im Rahmen solcher Kämpfe, wie die Menschen bewusster und erfahrener werden. Ich kann sagen, meine Freunde, Genossen und Anwälte haben große Anstrengungen gemacht. Es hat mich wirklich bewegt. Wir haben schließlich unter diesen Bedingungen verbracht. Die F-Typ Gefängnisse sind eigentlich ein blinder Brunnen. Man ist in einer kleinen Zelle eingesperrt, zusammen mit drei Genossen. Es berührt einen sehr, wenn man draußen und drinnen von einer so großen Kampagne und den Aktionen hört. Ich möchte noch sagen, viele meiner Freunde haben sich an dieser Kampagne beteiligt. Ich möchte ihnen noch mal speziell danken. Ich werde diesen Dank im Laufe der Zeit im praktischen Leben zeigen. Das wird nicht nur ein Wort bleiben. All die Unterdrückung gegen die Menschen, gegen uns und unser Volk.. Wir werden es nicht mit Worten zeigen, sondern mit unserem Leben.