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U-Haft für türkische Linke

Umfangreiches 129b- Verfahren gegen Betroffene

Ende Juni mussten drei in Deutschland lebende türkische Linke erneut Untersuchungshaft antreten. Die Nürnberger Ärztin Banu Büyükavci, ihr Lebensgefährte Sinan Aydin sowie der gemeinsame Freund Sami Solmaz gehören zu einer Gruppe von zehn Personen, die seit drei Jahren in München vor Gericht stehen. Sie werden beschuldigt, die 1972 gegründete Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch Leninistisch (TKP/ML) unterstützt zu haben. Diese Organisation kämpft in der Türkei auch mit Waffengewalt gegen das türkische Militär.

Die Angeklagten werden nicht beschuldigt, in Deutschland militante Aktionen vorbereitet oder durchgeführt zu haben. Durch den Paragrafen 129b können aber auch legale Tätigkeiten, wie die Vorbereitung eines Kongresses, als Unterstützung der TKP/ML bewertet werden. Büyükavciist war bereits 2015 verhaftet wurden, Mitte Februar ließ man sie unter Bedingungen frei. Das Oberlandesgericht München begründete die erneute Inhaftierung damit, dass die Beschuldigten gegen die Auflagen verstoßen hätten. Im April 2019 hätten sie ohne richterliche Erlaubnis für kurze Zeit Deutschland verlassen.

Das Anwält*innen-Team hat die Einstellung der Verfahren gefordert, weil sich die Anklage auf eine Kooperation mit der türkischen Justiz stütze. »Die Generalbundesanwaltschaft greift auf im Wege der Rechtshilfe übermittelte Erkenntnisse der türkischen Sicherheitsbehörden zurück«, heißt es in der Anklageschrift. Aufgeführt sind dort folgend ein knappes Dutzend Anschläge, von denen einige über zehn Jahre zurückliegen, erklärte der Münchner Rechtsanwalt Yunus Ziyal, der Büyükavci vertritt.

Für Zival ist die Zusammenarbeit mit den türkischen Justizbehörden aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Dazu komme: Weder sei die TKP/ML in Deutschland verboten, noch stehe sie auf der EU-Terrorliste. Dennoch habe die deutsche Politik ohne Notwendigkeit die Genehmigung zu dem Verfahren erteilt. »Die Verfolgungsermächtigung, also die Erlaubnis des Justizministeriums, eine Vereinigung nach Paragraf 129b zu verfolgen, ist eine Prozessvoraussetzung«, sagte der Anwalt Ziyal. »Ohne diese würde das Verfahren umgehend platzen.«

Mehrere der Angeklagten waren in der Türkei über mehrere Jahre inhaftiert gewesen. Dort habe man sie nach eigenen Angaben auch gefoltert. Nicht nur in München stehen türkische Linke vor deutschen Gerichten. In der vergangenen Woche verurteilte das Oberlandesgericht Hamburg Erdal Gökoglu zu einer fünfjährigen Haftstrafe. Er wurde nach dem Paragrafen 129b wegen Mitgliedschaft in der linken türkischen Organisation DHKP-C verurteilt.

Mit seiner Entscheidung ging das Gericht über den Antrag über die Staatsanwaltschaft sogar hinaus, die eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten gefordert hatte. Auch Gökoglu wurden eigentlich legale Tätigkeiten, darunter die Organisierung von linken Konzerten, als Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung« ausgelegt. Wolfgang Lettow vom Netzwerk »Freiheit für alle politischen Gefangenen« kritisierte das Desinteresse der Öffentlichkeit an dem Verfahren.
Nd 4.7. Peter Nowak