Als Herausgeber*innen zeichnen verantwortlich Lydia Hartwig, eine ehrenamtlich in der Anstalt tätige Sozialpädagogin, sowie Prof. Ulfrid Kleinert, seit 2000 Vorsitzender des Beirats der JVA Dresden und Redaktionsmitglied von „Der Riegel“.
Nach Sachbereichen geordnet, werden in sieben Kapiteln Einblicke in „Kultur und Kunst“, „Knastalltag“, „Das Personal der JVA“ ebenso gewährt, wie in so prekäre Lebensbereiche, wie den allgegenwärtigen Umgang mit Drogen im Haftalltag, der Menschenwürde, aus Sicht der Inhaftierten, aber auch ganz elementaren, existentiellen Gefühlen, wie dem der Angst! Gerade die Angst der Gefangenen vor anderen Gefangenen wie auch vor sich selbst, ebenso vor dem Personal und vor der Welt vor den Mauern, wie auch die Ängste der Menschen außerhalb des Gefängnisses vor den Gefangenen, so mein Eindruck nach vielen Jahren der eigenen Inhaftierung, verdient entsprechende Beachtung.
Erfreulicherweise wird ebenfalls auf das Leben von ehemaligen Inhaftieren nach der Haft eingegangen. So finden sich Texte im Unterkapitel „Entlassung“, die ganz lebensnah und authentisch davon berichten, wie sich der Weg zurück in die Welt vor den Gefängnismauern gestaltet, wie es ist, dann mit einigen Euro in der Tasche, an einem regnerischen Tag vor den Mauern zu stehen.
Im Kapitel „Fachtagungen“ werden Texte rund um die u.a. von dem Verein Hammer Weg e.V. veranstalteten Tagungen präsentiert. Der Verein ist benannt nach der Strasse an der die Haftanstalt ihren Sitz hat. Wie man in dem Buch erfährt, ist der Hammer Weg seinerseits nach dem Dresdner Dichter Friedrich Julius Hammer benannt, gestorben vor nun bald 160 Jahren. Der Verein bietet Fortbildungsveranstaltungen für ehrenamtliche Betreuer*innen an, welche jeweils unter einem bestimmten Leitgedanken stehen. 2003 ging es um „Freiheit- und was dann?“, sieben Jahre später um die „Konfliktwahrnehmung und –bewältigung im familiären Umfeld bei Inhaftierung und in Freiheit“. Vieles kann nur angedeutet werden, und die Gefangenen sind auch keine professionellen Journalist*innen, sie schreiben aus ihrer Betroffenenperspektive, oftmals auch verallgemeinernd, Stereotypen folgend, aber immer authentisch. Dass im letzten Kapitel auch der poetischen Ader der gefangenen Menschen Platz eingeräumt wird durch den Abdruck von Gedichten, in denen die existenziellen Fragestellungen des Lebens verhandelt werden, ist besonders erfreulich.
Wer einen ziemlich ungeschminkten Einblick in den Haftalltag, die Sorgen, Nöte, aber auch Wünsche und Hoffnungen von Gefangenen im 21. Jahrhundert, hier mitten aus der sächsischen Hauptstadt bekommen möchte, findet in dem Buch viele Antworten. Da schadet es dann letztlich auch nicht, wenn das Buch nicht ohne Vorwort der Justizministerin auskommt, wobei in einzelnen Beiträgen durchaus hin und wieder ein Fehlen von kritischer Distanz zu beklagen ist.
Bibliografische Angaben:
„Ein deutsches Gefängnis im 21. Jahrhundert“
Hrsg. U. Kleinert/L. Hartwig
Verlag: NOTschriften (https://www.notschriften.de)
ISBN: 978-3-948935-14-6