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Über Horst Seehofers Antrittsrede

Am 23.03 hat der Innenminister Horst Seehofer seine Antrittsrede gehalten. Wir halten es für wichtig, sich mit seinen Ausführungen gründlich zu befassen. Zu Beginn seiner Rede nennt Seehofer seine drei Hauptziele, diese werden wir genauer unter die Lupe nehmen.

„1. Sicherheit und diese flächendeckend in ganz Deutschland

2. Migration: gesteuert und begrenzt

3. Sozialer Frieden: gemeinsam und integrativ“

Wir nehmen das Ergebnis dieser Analyse vorweg und sagen, die treffenderen Titel für diese „Hauptziele“ wären:

1. Der militärische Ausbau der deutschen Exekutive und flächendeckende Überwachung

2. Die Spaltung der Arbeiterklasse und die Förderung chauvinistischer Haltungen

3. Der Versuch die Widersprüche zu vertuschen und zu befrieden

Entsprechend werden wir seine Rede durcharbeiten. Beginnen wir mit seinem Steckenpferd, dem Ausbau der deutschen Polizei- und Sicherheits-Behörden. Natürlich wird das Ganze mit der Bedrohung durch den so genannten „islamistischen Terror“ begründet. Zudem will er ein „Musterpolizeigesetz für ganz Deutschland„ schaffen um diese einheitlich auszubauen und ihre Befugnisse auszuweiten.

1. Der militärische Ausbau der deutschen Exekutive und flächendeckende Überwachung

Am Anfang seiner Rede beginnt er damit, vielfach zu betonen wie wichtig ein „starker Staat“ „Null Toleranz“ gegenüber Rechtsbrüchen und der Ausbau der Polizeibefugnisse wäre. Hervorzuheben ist hier folgendes Zitat, gerade in Anbetracht der Hexenjagd anlässlich der G20-Prosteste und der internationalen Fahndung gegen Genossen aus dem Ausland:(http://www.demvolkedienen.org/index.php/de/europa/1945-hexenjagd-in-der-brd).

„Ein starker Staat wird ferner gelingen mit zeitgemäßen Fahndungs- und Ermittlungs-Instrumenten. Das BKA als zentrales Datenhaus, also das Bundeskriminalamt im polizeilichen Informationsverbund werde ich weiter vorantreiben. Die Befugnisse im digitalen Raum müssen denen im analogen Raum angepasst werden. Auf europäischer Ebene müssen wir alles daran setzen die vielen Datenbanken so mit einander zu verknüpfen, dass unsere Sicherheitsbehörden künftig schneller und zielgerichteter agieren können. Immer nach der Maxime: Vorfahrt für die Sicherheit.“

Der letzte Satz des Zitats macht deutlich: jegliche Bedenken oder Einwände gegen diesen Ausbau des Staatsapparates sind nachrangig vor der Sicherheit. Bürgerliche Freiheiten und Grundrechte sind nicht so wichtig wie das, was die Herrschenden „Sicherheit“ nennen und womit sie vor allem ihre eigene Sicherheit meinen.

Dies wird noch deutlicher, als er sagt: „Wir sind und bleiben ein liberaler und weltoffener Staat nach dem Motto leben und leben lassen. Aber meine Damen und Herren, wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat und dafür trete ich ein“. Würde er keinen Widerspruch zwischen einem „liberalen und weltoffenen Staat“ und einem „starkem Staat“ sehen, müsste er diesen Satz nicht sagen.

Zugleich weiß er aber auch, dass dieser Ausbau der Befugnisse auf Widerstand aus der Bevölkerung und in gewissem Maße auch aus dem Parlament stoßen wird. Entsprechend beschwört er die Einheit aller „Bürger“. In dieser Frage gebe es kein „rechts oder links, nicht konservativ oder progressiv. Sicherheit ist ein Menschenrecht und dafür setze ich mich jeden Tag ein.“. Das ist die moderne Fassung von „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“.

Auch die Überwachung will er flächendeckend ausbauen und versucht den Bogen zu spannen zu den Sorgen und Nöten der „kleinen Leute“. So versucht die Herrschende Klasse immer ihre Schweinereien zu rechtfertigen. Sie versuchen uns die Dinge, die völlig gegen unsere Interessen stehen, so zu verkaufen, als ob sie eigentlich in unserem Interesse seien.

„Ich werde dafür eintreten, dass die intelligente Videotechnik weiter ausgebaut wird. Jeder, der sich daran stößt, möge sich in die Opfer eines Überfalls in einem U-Bahnhof oder in einer Fußgängerzone hinein versetzen und dann erneut abwägen. Wir wollen nicht wissen, meine Damen und Herren, wer wann, in welchem Supermarkt einkauft. Wir wollen wissen wer dealt, wer zuschlägt, wer stiehlt oder wer einbricht. Und dann unmissverständliche Konsequenzen ziehen.“

In der Mitte der Rede kommt er zu konkreten Zahlen „Und schließlich gelingt ein starker Staat nur mit starken Polizei- und Sicherheitsbehörden, da haben sie schon in der Vergangenheit hier massive personelle Verstärkungen insbesondere beim Bundeskriminalamt und bei der Bundespolizei eingeleitet. Der Bund wird zügig weitere 7500 zusätzliche neue Stellen schaffen und unsere Sicherheitskräfte mit guter Ausstattung und moderner Ausrüstung versehen“.

Am Rande reißt er einen Gesetzesentwurf der CDU/CSU an, welcher Gewalt gegen Polizeibeamte härter bestrafen soll. In diesem Gesetzesentwurf vom Februar 2017 heißt es, dass es sich bei einer Attacke auf Polizisten und andere Vollstreckungsbeamte um einen „Angriff auf einen Repräsentanten der staatlichen Gewalt“ handele: (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw07-de-vollstreckungsbeamte/491556). „Schließlich sind unsere Sicherheitskräfte auch die Garanten für unser Wohlergehen. Ich sage sehr deutlich, wir alle müssen jene besser schützen, die uns jeden Tag schützen.“ Denn Polizisten sind keine normalen Menschen wie du und ich, sondern die Repräsentanten des Staates und die willigen Vollstrecker seines Gewaltmonopols. Sie sind die „besondere Formation bewaffneter Menschen“, welche sich bewusst entscheiden dieses System mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

2. Die Spaltung der Arbeiterklasse und die Förderung chauvinistischer Haltungen

Für diesen Punkt macht er einen geschickten Zug, er beklagt, dass „in unserer Gesellschaft der Zusammenhalt erodiere“, Fragen von „Zuwanderung, Integration, kultureller Identifikation“ seien „aufgeladen, hoch umstritten“ und es würden Ängste mitschwingen „abgehängt, ja ungleich behandelt zu werden“. Weiter sagt er: „deshalb, meine Damen und Herren, ist es mein Ziel, gesellschaftlicher Polarisierung entgegen zu wirken, Gruppen zusammen zu führen, Politik für die Menschen in unserem Land zu machen.“

Sogar ein Lippenbekenntnis gegen die AfD ringt er sich ab „Und ich sage gleich ganz deutlich zu Beginn dieser Legislatur: Null Toleranz gibt es für mich auch bei Hassparolen und Gewalt gegen Andersdenkende und -gläubige.“ Nur um danach allen Forderungen der AfD zu entsprechen und zu versuchen die Massen zu spalten.

So fordert er: „Die Begrenzung der Zuwanderung unter Wahrung unserer Schutzverpflichtung. Konsequente Abschiebungen für jene, die kein Bleiberecht haben. Und schließlich Keinerlei sozialromantisches Verständnis bei Straftätern und Gefährdern“

Konkret heißt das eine Einschränkung des Grundrechts auf Asyl, „Nun steht ein Korridor von jährlich 180000 bis 220000 Zuwanderern im Koalitionsvertrag und trotzdem gibt es keinen Grund Menschenrechte in Frage zu stellen, auch nicht das Asylrecht.“ Zudem sichert er sich die Sympathien von Chauvinisten, die meinen, dass der Staat „endlich konsequent abschieben“ müsse und bedient das Bild der Staat wäre so lasch, dass er „Straftäter und Gefährder“ einfach machen lasse. Als gäbe es kein strategisches Kalkül, Leute wie Anis Amri zu überwachen aber nicht festzunehmen. Hier gilt es sich in den Kopf zu rufen, dass es in der Politik keine Zufälle gibt. Wenn deutsche Sicherheitsbehörden so genannte Terroristen einfach machen lassen, dann ist das kein Zufall sondern passiert bewusst. Worum es hier geht ist einen Widerspruch zwischen In- und Ausländern zu konstruieren und den imperialistischen Chauvinismus zu befördern. Zu behaupten, dass hauptsächliche Problem der Arbeiterklasse wäre nicht der Imperialismus, sondern die Menschen aus den unterdrückten Nationen, das ist das Ziel. Diese Spaltung wird mal mehr mal weniger subtil vorangetrieben und muss bekämpft werden.

Weitere Sympathien der Chauvinisten sichert er sich, wenn er verspricht „sich einzusetzen für die Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten auch in unserem Land. Bei aller Weltoffenheit die uns auch prägt, Politik vor allem auch mit dem Herzen zu machen“. So macht er einen Widerspruch zwischen einer Politik „aus dem Herzen“ – also einer des „gesunden Menschenverstandes“ – und einer weltoffenen Politik auf. Im Klartext sagt er damit, jeder normale Mensch, und damit meint er jeder Deutsche, wolle eine Begrenzung der Zuwanderung.

Natürlich lässt er es sich nicht nehmen zu behaupten Deutschland werde „Fluchtursachen bekämpfen“ und das sei genau so eine Lösung der „Migrationsproblematik“ wie „verstärkte Abschiebungen“. Es gehört schon einiges an Zynismus dazu zu sagen, der deutsche Imperialismus würde die Fluchtursachen bekämpfen, wo er doch tagtäglich die unterdrückten Nationen ausplündert und so maßgeblich die Fluchtgründe für hunderttausende schafft.

3. Der Versuch die Widersprüche zu vertuschen und zu befrieden

Zum Ende seiner Rede wird er „versöhnlich“, gibt sich modern und aufgeklärt, nimmt ein bisschen Abstand von seiner offensichtlichen Law-and-Order Rhetorik und sichert sich die Sympathien liberaler Kleinbürger. So sagt er „bei Heimat“ gehe es „nicht um Folklore, Brauchtümelei oder Nostalgie. Wer dies so aufnimmt, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“. Nein „bei Heimat“ gehe es in Wirklichkeit „um die Verankerung, um Verwurzelung, um ein kulturell angestammtes Umfeld in einer globalisierten Welt. Es geht schlicht und einfach um Zusammenhalt, um Geborgenheit, um den Halt, den jeder Mensch in unserem Land braucht. Und wir werden über diese Heimatabteilung einmal den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken in Deutschland und auf der anderen Seite dafür kämpfen, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland bekommen und das gilt für Ost wie für West.“

Er spielt hier mit den Bedürfnissen der Massen nach Kollektivität und Zusammenhalt, um sie reaktionär zu wenden. In der kapitalistischen Gesellschaft führt die Konkurrenz und der Individualismus zur immer stärkeren Vereinzelung der Menschen. „Alle gegen alle“ lautet die Devise. Das soziale menschliche Bedürfnis nach Solidarität und Gemeinschaft wird hier im Sinne des deutschen Imperialismus gewendet. Als Mittel für sozialen Frieden und Klassenversöhnung. Nicht die Leute, die wirklich gemeinsame Interessen haben, die Arbeiter, welche im Kampf gegen dieses verrottende System vereint werden müssen, sondern alle „Bürger“ sollen hier zusammengeschweißt werden. Dies bedient die Illusion, dass alle Menschen einer Nation gleiche, prinzipiell harmonische, Interessen hätten. Egal ob Kapitalist, Arbeiter oder Kleinbürger unter dem Schlagwort „Heimat“ sollen sie alle zusammengebracht und die Widersprüche gekittet werden. Ob sich diese bürgerliche Ideologie modern und aufgeklärt oder noch in „Blut-und-Boden“ Manier gibt ist egal, ihr reaktionärer Kern bleibt bestehen: Die Versöhnung der Klassen auf der Grundlage einer eingebildeten Gemeinsamkeit.

Diese Tendenz setzt sich durch den gesamten Endteil seiner Rede fort, so spricht er in seinen Schlussworten davon einen „Koalitionsvertrag für kleine Leute“ unterzeichnet zu haben und er “habe noch nie an einem Koalitionsvertrag mitgewirkt, der eine so breite soziale Dimension beinhaltet hat“. Das gelte auch für die „Rente über die Pflege bis hin zur Gesundheit und das gilt auch für den Wohnraum. Ich sage nur in aller Kürze, für mich ist die Frage der Entwicklung unserer Mieten das soziale Problem der Zukunft und da ist die richtige Antwort, dass wir mehr Wohnraum und mehr Gleichgewicht im Markt schaffen. Und deshalb ist es gut wenn wir 50% mehr Wohnungen bauen als in der letzten Legislaturperiode, nämlich 1,5 Millionen Wohnungen und das wird bei uns nicht ein Anhängsel sein im Ministerium, sondern ein ganz großer Schwerpunkt“

Es bleibt sehr unwahrscheinlich, dass irgendwer ihm diese wohlklingenden Versprechen abkauft. Kennen die Massen doch zur genüge die Lügen und Versprechungen der Politiker. Dass am Ende nie etwas davon umgesetzt wird, weiß sowieso jeder. Womit wir aber rechnen können ist, dass all das, was gegen unsere Interessen steht und was den Hauptteil seiner Rede ausmacht, jetzt auf die Agenda gesetzt wird. Die proletarischen Revolutionäre müssen diese Angriffe auf die Rechte der Klasse und die faschistische Tendenz des deutschen bürgerlichen Staates denunzieren.

Die Widersprüche spitzen sich zu und es ist eine unerträgliche Lage, dass unsere Klasse im Moment ohne die Führung einer Kommunistischen Partei dasteht, während die objektiven Bedingungen glänzend sind. Diese zu rekonstituieren ist die Hauptaufgabe, welche sich den Kommunisten in Formierung in der BRD stellt.
http://www.demvolkedienen.org/index.php/de/europa/2179-ueber-horst-seehofers-antrittsrede