palestine latuff

UN verschiebt erneut Veröffentlichung von „schwarzer Liste“ über Unternehmen in besetzten palästinensischen Gebieten

UN Hochkommissarin für Menschenrechte, die ehemalige chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, verschob die Veröffentlichung der seit drei Jahren vom UN Menschenrechtsrat geforderten Liste auf unbestimmte Zeit. 

Bereits im März 2016 hatte der UN Menschenrechtsrat das Büro des UN Hochkommissars für Menschenrechte beauftragt, eine Datenbank anzulegen, in der Unternehmen, die in den illegalen israelischen Siedlungen in der Westbank, in Ost-Jerusalem und in den besetzten Gebieten der Golanhöhen mit Israel Geschäfte machen, aufgeführt werden sollten. Begleitend sollte der UN Hochkommissar untersuchen, welche Folgen die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen für die politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte der Palästinenser in den illegal besetzten Gebieten hat.

Schnell machte der Begriff einer „schwarzen Liste“ in Menschenrechtskreisen die Runde, was nicht zuletzt bei der israelischen Regierung für erhebliche Unruhe sorgte. Es wurde befürchtet, dass die Veröffentlichung einer solchen Liste die Bewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) stärken könnte, die seit langem darauf drängt, Israel mit Sanktionen wirtschaftlich unter Druck zu setzen, um so die illegale Besetzung der palästinensischen Gebiete zu beenden.

Zunächst sollte die Datenbank im März 2017 veröffentlich werden, doch der damalige UN Hochkommissar, Zeid bin Ra’ad al Hussein, verschob das Datum auf Ende 2017. Bereits er war starkem Druck vor allem aus den USA ausgesetzt.

Als sich gegen Ende 2017 abzeichnete, dass die Liste weiterhin nicht veröffentlicht würde, forderten mehr als 400 namhafte Israelis – darunter pensionierte Diplomaten, ehemalige Abgeordnete des israelischen Parlaments, Intellektuelle, ein pensionierter Generalstaatsanwalt, acht Träger des Israel Preises – in einer Petition vom UN Hochkommissar für Menschenrechte, die Liste endlich herauszugeben. „Wir hoffen“, so die Unterzeichner des Appells, „dass das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte dem Druck, die Liste nicht zu veröffentlichen, nicht nachgeben wird.“

206 Firmen im Visier der Untersuchung
Im Januar 2018 sah sich Zeid bin Ra’ad al Hussein daraufhin gezwungen, einen Zwischenbericht zu veröffentlichen, in dem er über den aktuellen Stand der Bearbeitung informierte.

Demnach waren bis zu dem Zeitpunkt 307 Unternehmen untersucht worden, von denen im Ergebnis 192 für die Aufnahme in die Datenbank in Betracht kamen. Im Rahmen der Untersuchung wurden 14 weitere Unternehmen entdeckt, die Geschäfte in den illegal besetzten Gebieten machten, so dass zum Ende 2017 insgesamt 206 Firmen feststanden, die den Untersuchungskriterien entsprachen. Davon befand sich die Mehrheit von 143 Firmen in Israel oder den illegalen Siedlungen, 22 Firmen allein stammten aus den USA. Obwohl keine Unternehmen angegeben wurden, sickerten bald Namen durch, darunter der des Computerherstellers Hewlett-Packard, des Elektrounternehmens Motorola und anderen.

Unter Verweis auf die „limitierten Ressourcen“, die seinem Büro zur Verfügung stünden, so erklärte es Zeid bin Ra’ad al Hussein in seinem Zwischenbericht, habe man bisher nur 64 dieser Firmen kontaktieren können. Sobald man mit allen 206 Firmen gesprochen habe, werde sein Büro die Namen aller Unternehmen veröffentlichen, die sich im Sinne des UN Menschenrechtsrats-Beschlusses in den besetzten palästinensischen Gebieten geschäftlich engagierten. Ein Datum nannte er nicht.

Was auf den Bericht folgte, waren massive Angriffe der USA mit der Drohung, bei andauernder „anti-Israel-Haltung“ den UN Menschenrechtsrat zu verlassen. Ein Eklat, der im Juni 2018 im tatsächlichen Austritt der USA aus dem Gremium gipfelte. Zeid bin Ra’ad al Hussein versprach nun, den Bericht bis zu seinem Ausscheiden im August 2018 vorzulegen. Doch dazu kam es nicht. Er verließ sein Amt, ohne dass die Liste, die der UN Menschenrechtsrat im März 2016 angefordert hatte, vorlag.

Bachelet enttäuscht Hoffnungen
Zu seiner Nachfolgerin wurde die ehemalige chilenische Präsidentin, Michelle Bachelet, gewählt, die in Sachen Menschenrechte als aufrechte Kämpferin und ehemalige Aktivistin bekannt ist. Von ihr erhoffte man sich die Datenbank, die ihr Vorgänger nicht veröffentlichte, und Anfang 2019 ging man davon aus, dass die „schwarze Liste“ während der vom 25. Februar bis zum 22. März dauernden 40. Sitzung des UN Menschenrechtsrates vorgelegt würde.

Am Dienstag dieser Woche jedoch erteilte Bachelet der Hoffnung eine Absage. In einem Schreiben an den Präsidenten des UN Menschenrechtsrates, Coly Seck, verschob Bachelet die Veröffentlichung der Liste – drei Jahre nach dem Beschluss des Gremiums – erneut auf unbestimmte Zeit. Als Gründe gab sie die „Komplexität“ und die „Neuheit“ des Auftrags an, ein Begriff, der angesichts drei verstrichener Jahre voller angeblicher Aktivitäten merkwürdig anmutete.

Sie sei, so Bachelet in ihrem Brief weiter, engagiert, den Auftrag des UN Menschenrechtsrats zu erfüllen, jedoch bedürfte es noch „weiterer Überlegungen“ in der Sache. Ihr Büro „plane“ aber, die Aufgabe des Mandats „in den nächsten Monaten“ zu erfüllen. Genauere Angaben machte sie nicht.

Während Israels Außenminister die Vertagung der Veröffentlichung begrüßte und erneut von einer „anti-Israel Voreingenommenheit“ des Menschenrechtsrates sprach, zeigten sich Menschenrechtsorganisationen und Palästinenser entsetzt, dass die seit drei Jahren erwartete Liste noch immer nicht von der UN herausgegeben wird. Hanan Ashrawi, Mitglied des Exekutivkomitees der PLO forderte die „unverzügliche Veröffentlichung“ der Liste. Die Palästinensische Führung sei „alarmiert und enttäuscht über das Versagen der UN Hohen Kommissarin, die lange überfällige Datenbank zu veröffentlichen“. Die erneute Vertagung sei „ein inakzeptabler Bärendienst gegenüber Menschenrechten“ und sende ein falsches Signal aus, dass Druck auf den UN Menschenrechtsrat Erfolg habe.

Jüdischer Weltkongress traf sich mit Bachelet
In der Tat scheint erneut Druck eine Rolle bei der neuerlichen Verschiebung der Veröffentlichung gespielt zu haben. So zeigte sich der Jüdische Weltkongress (WJC) in einer Stellungnahme hocherfreut über die Nichtveröffentlichung und forderte Bachelet auf, von der Publikation der Datenbank dauerhaft abzusehen. Gleichzeitig offenbarte der WJC, dass Robert Singer, der Geschäftsführer und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, sich im Januar „privat“ mit Bachelet in Genf getroffen und dort den Verzicht einer Veröffentlichung gefordert hatte. „Im Namen unseres Präsidenten Ronald S. Lauder“, so die Stellungnahme weiter, „erklärt der Jüdische Weltkongress gegenüber der Hohen Kommissarin Bachelet seine tiefe Dankbarkeit für ihre anständige Entscheidung, den Bericht sorgfältig und professionell einzuschätzen und die Veröffentlichung dieser tendenziösen schwarzen Liste zu verschieben.“ Im übrigen, so der WJC, sollte die Publikation der Liste nicht nur verschoben, „sondern komplett gestrichen werden“.

Würde Bachelet dieser Forderung dauerhaft folgen, käme das einer Verletzung ihrer Pflichten gleich, denn als UN Hohe Kommissarin für Menschenrechte ist der Auftrag, den der UN Menschenrechtsrat ihrem Amt vor drei Jahren erteilte, bindend.

Menschenrechtsaktivisten warnten entsprechend dringlich davor, dem Druck immer wieder nachzugeben. Bruno Stagno Ugarte, stellvertretender Direktor der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verurteilte die Vertagung. Die „dreiste Ausweitung illegaler Siedlungen unterstreicht, warum die UN Datenbank von Firmen, die diese Siedlungen ermöglichen, unbedingt veröffentlicht werden muss“. Ein weiteres Hinauszögern der Veröffentlichung würde nur das Geschäftsengagement solcher Firmen in den illegalen Siedlungen „und damit weitere Menschenrechtsverletzungen“ zementieren.

Ugarte forderte die UN Hohe Kommissarin für Menschenrecht, Michelle Bachelet, auf, sich nach drei Jahren der Verschiebungen auf ein klares Datum festzulegen, wann dieser „wichtige Bericht“ herausgebracht wird. Diese Festlegung, so der stellvertretende Direktor von Human Rights Watch, sei jetzt eine „Angelegenheit von Dringlichkeit“.

https://palaestina-nachrichten.de/2019/03/07/un-verschiebt-erneut-veroeffentlichung-von-schwarzer-liste-ueber-unternehmen-in-besetzten-palaestinensischen-gebieten/.