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VERSUCHTER TOTSCHLAG BEIM G20 – EIN AUGENZEUGENBERICHT

Gestern haben wir einen Aufruf gepostet, mit Foto- und Videomaterial von Polizeiübergriffen bei den Protesten gegen den G20-Gipfel an die Öffentlichkeit zu gehen. Daraufhin meldete sich Anselm Schindler bei uns, er hat für das Protestcamp im Altonaer Volkspark die Pressearbeit koordiniert.
Im Folgenden findet ihr den Augenzeuginnenbericht einer Genossin, die Anselm von ihren Erfahrungen mit Polizeigeigewalt berichtet hat:
Polizeibeamte sollen am frühen Freitagmorgen eine spontane
Anti-G20-Demonstration angegriffen haben, die auf dem Weg in die Hamburger Innenstadt war. Eine Aktivistin berichtet, wie selbst Schwerverletzte noch getreten wurden:
Hamburg – Die Polizei rückt aus zwei Richtungen an, mit Blaulicht und Wasserwerfern.
Gegen sieben Uhr morgens kreist sie die jungen Menschen, die in der Nähe des Protestcamps im Altonaer Volkspark zu einer Spontandemonstration Richtung Innenstadt aufgebrochen sind ein. Bei der Auseinandersetzung gibt es zahlreiche Schwerverletzte, Knochenbrüche, Platzwunden.

Polizeibeamte drängen Protestler*innen gegen eine Metallabsperrung, dahinter geht es rund vier Meter in die Tiefe. Die Absperrung bricht, einige Demonstrant*innen stürzen in die Tiefe. So schildert eine junge Aktivistin aus der kurdischen Freiheitsbewegung die Szenerie. Abgespielt hat sie sich am frühen Freitagmorgen, noch Stunden bevor in der Hamburger City die Luft brannte. „Da waren keine Kameras, keine Presse, das wurde einfach vertuscht“, sagt sie. Ihren Namen will die Aktivistin in der Zeitung nicht sehen.
„Ich hab gesehen, wie ein Genosse über die Metallabsperrung gefallen ist, er ist gestürzt, dann sind ihm die Knochen am Bein herausgestanden. Ein Polizist hat trotzdem auf ihn eingetreten, dann war überall Blut“, erklärt die Aktivistin am Handy. Auch der „Rote Aufbau Hamburg“, eine kommunistische Gruppe, die im Bündnis „Fight G20“ auf die Gipfelproteste hingearbeitet hat, hat auf Facebook eine kurze Stellungnahme zu dem Vorfall herausgegeben. Die Polizei habe Aktivist*innen der Gruppe „eine Mauer runtergeprügelt und so 25 Genoss*innen, zum Teil durch den Sturz schwer verletzt“.
Rund eine Woche ist der Vorfall jetzt her: die Polizei gibt noch am selben Tag eine kurze Pressemitteilung heraus, einige Zahlen zu Verletzten, kaum Hintergründe. In Hamburg-Bahrenfeld seien 80 Personen von der Polizei festgesetzt, elf von ihnen beim Fluchtversuch schwer verletzt worden.
Verletzte Polizeibeamte gab es im Zuge der Aktion nicht. Nur langsam werden Details zu dem Vorfall bekannt, sie sind ein weiteres Puzzlestück auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, warum die Proteste in Hamburg am vergangenen Freitag derart eskalieren konnten.
Wie viele Menschen an der spontanen Protestaktion beteiligt waren, darüber geben weder Demonstrant*innen noch Polizei Auskunft. Ein Teil der Protestler jedenfalls, das kann rekonstruiert werden flieht über ein Industriegleis Richtung Innenstadt.
Zwei Straßenzüge weiter werden gerade einige hundert Aktivist*innen der Interventionistischen Linken (IL) von der Polizei gekesselt, sie haben denselben Plan – in die Stadt zu gelangen, um den Gipfel zu blockieren.
Viele Aktivist*innen, die an der Spontandemonstration beteiligt sind, landen in der Gefangenensammelstelle, mindestens eine Aktivistin aber, sie stammt ebenfalls aus der kurdischen Bewegung, sitzt wegen der Aktion noch in Untersuchungshaft.
Der Vorwurf: Schwerer Landfriedensbruch. Die meisten anderen wurden nach kurzer Zeit entlassen.
Die Stimme der Aktivistin ist immer noch zittrig, wenn sie von ihren Erlebnissen berichtet, sie war das erst mal auf einer Großdemonstration und dann gleich das: Hamburg, G20. Hektisch purzeln die Worte aus ihrem Mund: „Mir ist dann kurz schwarz vor Augen geworden, dann bin ich nur noch gerannt“.
Ob die Polizei von den Demonstranten angegriffen wurde? „Da hab ich nichts gesehen, die haben ohne Vorwarnung und ohne irgendeine Ansage losgeprügelt“.
Gezeltet hat die junge Frau, wie viele andere Demonstrant*innen auch, im Altonaer Volkspark, im Nordwesten Hamburgs. Sie ist seit Jahren in der Kurdistan-Solidaritätsarbeit aktiv. Die Bewegung hatte dort ein eigenes Barrio, einen Camp-Bereich mit einigen großen Gruppenzelten. Eine Mitorganisatorin des Barrios, Sara Ronahî, bestätigt die „Prügelattacke“ vom Freitagmorgen auf Nachfrage, kleinkriegen lassen werde man sich von so
etwas allerdings nicht, so die Aktivistin. „Wir machen weiter, jetzt erst recht“.

von Anselm Schindler – http://lowerclassmag.com
http://lowerclassmag.com/2017/07/versuchter-totschlag-beim-g20/#more-5017