Am 12. Mai dieses Jahres hatte es in einem Container des Mannheimer Abschiebegefängnisses auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) gebrannt. Bei dem Brand wurden 2 Abschiebegefangene verletzt. Einer von ihnen war einige Tage in Lebensgefahr und wurde in ein künstliches Koma versetzt. Er lag mehrere Wochen im Krankenhaus.
Gegen die beiden Gefangenen wurde sehr schnell nach dem Brand Haftbefehl erlassen. Sie wurden wegen „schwerer vorsätzlicher Brandstiftung und Körperverletzung“ angeklagt. In der Berichterstattung unmittelbar nach dem Brand wurde die Abschiebehaft als Ausdruck des staatlichen Rassismus nicht hinterfragt.
Der Prozess gegen die beiden Angeklagten begann am 3. November vor dem Landgericht Mannheim und endete am 29. November nach fünf Verhandlungstagen. Auch im Prozess gegen die beiden Angeklagten wurde die Praxis der Abschiebehaft, die bis zu 18 Monate dauern kann und faktisch oft schlimmer als Strafhaft ist, obwohl sie rechtlich keine Strafe ist, stillschweigend gerechtfertigt.
Jedes Gefängnis ist ein Ort extremer Unfreiheit. Für die Abschiebegefangenen kommt noch die Angst vor einer drohenden Abschiebung und erneuter Verfolgung im Herkunftsland hinzu. Der Entzug der Freiheit und die Ungewissheit vor der Zukunft erzeugen bei den Gefangenen Hilflosigkeit und Verzweiflung. Depressionen und Selbsttötungen sind in Abschiebegefängnissen nicht selten. Auch treten immer wieder Gefangene aus Protest gegen ihre Inhaftierung einzeln oder in Gruppen in den Hungerstreik.
Im Zeitraum von 1993 bis 2009 verletzten sich in Deutschland 858 Flüchtlinge aus Angst vor der Abschiebung oder aus Protest gegen die drohende Abschiebung oder sie versuchten sich umzubringen und überlebten z.T. schwer verletzt.
59 Menschen kamen in diesem Zeitraum in Abschiebehaft ums Leben.
(Siehe ARI ((Antirassistische Initiative)) Berlin, „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“, 2010 ).
Ein von Abschiebegefangenen gelegter Brand ist ein Verzweiflungsakt und kein Verbrechen. Bei dem Brand am 12. Mai wurden die beiden Männer, die jetzt vor Gericht standen, fast getötet. Die beiden Angeklagten entkamen den Flammen in ihrer Zelle in letzter Minute – alle anderen Gefangenen waren von den Wachleuten schon in Sicherheit gebracht!
Das Urteil ist ein Versuch, die Normalität der rassistischen Abschiebehaft zu bestätigen. Der Angriff gegen diese unmenschliche Normalität wurde von der Justiz hart sanktioniert. Ein Gefangener wurde zu 3 Jahren und 7 Monaten Gefängnis wegen „schwerer Brandstiftung“ verurteilt, wobei ihm seine angebliche „Aggressivität“ und seine „Impulsivität“ besonders negativ ausgelegt wurden. Die Staatsanwältin hatte für ihn sogar 5 Jahre und 6 Monate Haft beantragt. Der andere Angeklagte wurde freigesprochen, weil er nach Ansicht des Gerichts für die Brandlegung nicht infrage käme. Das Gericht betonte wohlwollend, dass er „friedlich“ sei. Allerdings wurde er die ganze Haftzeit hindurch täglich mit Psychopharmaka ruhig gestellt. Der genaue Hergang des Brandes wurde nicht aufgeklärt.
Eines kam bei der Beweisaufnahme ans Tageslicht: Die Alarmanlage im Container-Abschiebeknast ist äußerst unzureichend. Es gibt in jeder Zelle zwar einen Notrufknopf. Wenn Alarm ausgelöst wird, leuchtet lediglich ein Licht außen über der Zellentür auf. Im Raum der Angestellten einer Sicherheitsfirma ertönt dann ein Summton. Dieser kann aber nur gehört werden, wenn sich auch jemand in diesem Raum aufhält!
Die Angeklagten sagten, sie hätten ziemlich bald nach Ausbruch des Brandes den Notrufknopf gedrückt und laut um Hilfe geschrien. Sie seien in Panik geraten, weil niemand zu Hilfe kam. Warum das so war, wurde auch nicht aufgeklärt!
Die Abschiebehaft steht am Ende der Kette eines repressiven institutionellen Rassismus, der die Flüchtlinge ausgrenzt und entrechtet durch Unterbringung in Lager, Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht) und der medizinischen Versorgung. In einigen Bundesländern (beispielsweise in Baden-Württemberg) gibt es für die Flüchtlinge lediglich Sachleistungen oder beschränkten Einkauf in einem einzigen Laden („point store“) wie in Mannheim. Hier kann nur nach einem Punktsystem und teurer als bei Lidl oder Aldi „eingekauft“ werden. Die Flüchtlinge bekommen an Bargeld für einen Monat nur ein minimales Taschengeld von 40 Euro. Hinzu kommt ihre oft entwürdigende Behandlung durch die zuständigen Behörden und für viele von ihnen ein Aufenthaltsstatus auf Abruf – sogenannte Duldung, d.h. „Aussetzung der Abschiebung“. Die sog. Asylpolitik hat vor allem die Funktion die Flüchtlinge abzuwehren.
Die Ursachen für den Brand im Mannheimer Abschiebegefängnis liegen im gesellschaftlichen System von Ausgrenzung und Rassismus und nicht beim Verurteilten. Erst wenn dieser Normalität ein Ende bereitet wird, fällt auch die Ursache weg für eine solche Verzweiflungstat wie sie in diesem Prozess verhandelt wurde.
Daher kämpfen wir für ein Bleiberecht für alle und für die Abschaffung der Abschiebehaft !
Bündnis gegen Abschiebungen (BgA) Mannheim, Mannheim, den 6. Dezember 2010
Kontakt: bleiberechtsbuendnis@web.de