Spionagesoftware
Die Vorwürfe, deutsche Unternehmen aus der Überwachungsbranche rüsteten das Folterregime in Bahrain mit Spionagetechnologie zur Überwachung von Oppositionellen aus, sind nicht neu. Schon im August 2011 hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg beschrieben, wie Regimegegner in dem Land gefoltert wurden. Dabei seien sie mit Abschriften ihrer Mobil- und E-Mail-Kommunikation konfrontiert worden, hieß es. Auf der Suche nach den Lieferanten der zum Ausspionieren nötigen Software stieß Bloomberg auf die Münchner Trovicor GmbH, die den übereinstimmenden Angaben zweier Insider zufolge Bahrain mit Überwachungssoftware beliefert hatte. Die Technologie sei von den Behörden mutmaßlich auch genutzt worden, um Proteste zu verhindern und die Festnahme von Demonstranten vorzubereiten, zitierte die Nachrichtenagentur einen mit der Installation vertrauten Experten. Der Fall Bahrain sei übrigens keineswegs einzigartig: Firmen wie Trovicor hätten zuletzt „ihre Verbindungen zu Chefspionen, Polizeibossen und Armeeoffizieren genutzt, um Land für Land mit Überwachungstechnik auszurüsten“, hieß es in dem Bericht.[1]
Geliefert und gewartet strong>
Diese Woche haben nun mehrere Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen in Berlin und London OECD-Beschwerden [2] gegen die Münchner Trovicor GmbH sowie die deutsch-britische Gamma Group eingelegt. Beide Firmen unterhalten Kontakte zu Geheimdienst und Repressionsbehörden in Deutschland: Während die Gamma Group Spionagesoftware an das Bundeskriminalamt verkauft hat, werden Produkte der Trovicor GmbH Berichten zufolge vom Bundesnachrichtendienst (BND) genutzt. Trovicor wurde im Jahr 1993 als Teil des Münchner Siemens-Konzerns gegründet, der als enger Kooperationspartner des BND eingestuft wird.[3] Laut den neuen OECD-Beschwerden sind nach wie vor „Anhaltspunkte“ vorhanden, dass Trovicor „Überwachungstechnologie in Bahrain wartet“. „Mit Blick auf Gamma International“ legten „Medienberichte und Aussagen von Experten“ nahe, dass „die besonders invasiven FinFisher-Produkte des Unternehmens in Dutzenden Ländern eingesetzt wurden oder noch werden, darunter auch in Bahrain“.[4] „Mit hoher Wahrscheinlichkeit“ seien die Gamma-Produkte dort auch noch nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe im Sommer 2011 gewartet und aktualisiert worden; dies sei „für das dauerhafte Funktionieren dieser Technologien essenziell“.
Fachgespräche mit dem BKA
Tatsächlich werden die Behörden des bahrainischen Regimes nicht nur von privaten Unternehmen, sondern auch von staatlichen Stellen aus Deutschland unterstützt. So waren Führungskräfte der bahrainischen Repressionsapparate zu einem Symposium geladen, das das Bundeskriminalamt vom 22. bis 24. November 2011 in Abu Dhabi abhielt. Damals waren bereits Dutzende Oppositionelle in Bahrain getötet und zahllose weitere verhaftet worden. Die Konferenz behandelte die „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ und den „Schutz kritischer Infrastrukturen“; als Maßnahme zum „Schutz kritischer Infrastruktur“ hatte das Präsidium der deutschen Bundespolizei im Jahr 2011 die Niederschlagung der bahrainischen Proteste eingestuft (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Am 12. und 13. Juli 2012 empfingen Beamte des BKA Kollegen aus Bahrain in Deutschland, um sie im Rahmen einer „Ausbildungsmaßnahme“ über die „Arbeit des BKA“ zu informieren.[6] Noch kurz zuvor hatte die Bundesregierung ein „Fachgespräch Terrorismusbekämpfung“ zwischen dem BKA und bahrainischen Stellen angekündigt.
Schusswaffen und Munition
Auch die Aufrüstung der bahrainischen Repressionsapparate mit ausdrücklicher Genehmigung der Bundesregierung hält an. Die Golfdiktatur bezieht bereits seit Jahren Maschinenpistolen, Gewehre und Munition aus Deutschland; im Jahr 2009 etwa erhielt sie 13.000 Schuss Munition von Heckler und Koch unter anderem für das Sturmgewehr G3, 2010 genehmigte der Bundessicherheitsrat offiziell den Verkauf von 100 Gewehren und 50 Maschinenpistolen an Bahrain. Auch im Jahr 2011 und damit nach dem Beginn der blutigen Repression erlaubte die Bundesregierung Waffenexporte: Der entsprechende Rüstungsexportbericht führt die Lieferung von Gewehrteilen im Wert von rund 18.000 Euro auf. Angaben für das Jahr 2012 liegen noch nicht vor.
Stabilität erwünscht
Hintergrund der Maßnahmen ist die enge politische Kooperation Berlins mit den Diktaturen auf der Arabischen Halbinsel. Deren Regime gelten als zuverlässig prowestlich und zugleich als Partner im Machtkampf gegen Iran; zudem haben sich einige von ihnen, vor allem Qatar und Saudi-Arabien, als handlungsstarke Verbündete in den Kriegen in Libyen und Syrien erwiesen.[7] Die Kooperation setzt freilich voraus, dass die Regime sich an der Macht halten können. Gelänge es der Opposition auch nur in der kleinsten Golfdiktatur, in Bahrain, die herrschenden Kräfte zu erschüttern, rechnen Beobachter mit einem Dominoeffekt, der größere Unruhe insbesondere in Saudi-Arabien mit seiner schiitischen Minderheit auslösen könnte. Daran hat Berlin kein Interesse.
Exportinitiative Sicherheitstechnologien
Ungeachtet der neuen OECD-Beschwerden kündigen die Organisatoren der Überwachungs-Messe „ISS World MEA“, die vom 4. bis zum 6. März in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) stattfindet, die Teilnahme von Vertretern der Trovicor GmbH und der Gamma Group an. Auf der Fachmesse geht es unter anderem um die Kontrolle verschlüsselter elektronischer Kommunikation und um die Überwachung der sozialen Netzwerke. Der Chefentwickler der Gamma Group behauptet, auf einer solchen Messe sei dem Unternehmen einst die Software gestohlen worden, die jetzt in Bahrain zur Anwendung kommt – eine Angabe, die von Kritikern bezweifelt wird, da die Software offenkundig auch weiterhin gewartet wurde. Die ISS World MEA hat für die Überwachungsbranche erhebliche Bedeutung: Einerseits gibt es in den Golfdiktaturen, an die sich die Messe vorwiegend richtet, keinerlei nennenswerte gesetzliche Repressions-Beschränkungen, weshalb sie schon vor Jahren in der bundeseigenen Außenwirtschaftsagentur ein „Paradies für staatliche Voyeure“ genannt wurden [8]; andererseits ist der Agentur zufolge „angesichts des ‚Arabischen Frühlings‘ und eines spürbaren regionalen Konfliktpotenzials“ das „Interesse an Sicherheitstechnik“ auf der Arabischen Halbinsel „ungebrochen groß“ [9]. Unter Umständen können deutsche Überwachungsfirmen bei Geschäften auf der Arabischen Halbinsel sogar von staatlicher Unterstützung profitieren: Berlin hat eigens im November 2011 eine „Exportinitiative Sicherheitstechnologien“ gestartet.[10]
Lead Sponsor
Wie es bei Messen üblich ist, verfügt auch die ISS World MEA über Sponsoren, die sich das Event einiges kosten lassen – nicht uneigennützig. Unter ihnen finden sich eine Reihe von Firmen aus der Bundesrepublik, darunter Siemens, ipoque aus Leipzig, Atis Systems aus Bad Homburg, Utimaco aus Aachen und die deutsch-britische Gamma Group. „Lead Sponsor“ der Überwachungsmesse ist die Trovicor GmbH aus München.