Wien: Tierschützer vor neuer Farce

Anklage versucht mit Nötigungsvorwurf Kriminalisierung

Von Hannes Hofbauer, Wien, ND 26.8.13

Seit 2009 kämpfen Aktivisten des »Vereins gegen Tierfabriken« vor Gericht gegen ihre Kriminalisierung. Nun hat die Staatsanwaltschaft Wien im Mai 2011 ergangene Freisprüche aufgehoben. Mit einem neuen Paragrafen sollen legale Tierschutzkampagnen als schwere Nötigung juristisch verfolgt werden. Eine Umfrage zeigt jetzt die Absurdität dieser Konstruktion.

Mit dem sogenannten »Anti-Mafia«-Paragrafen 278a, der dem deutschen § 129 entspricht, scheiterte die Staatsanwaltschaft kläglich. Die 13 Tierschützer, die sich jahrelang in Kampagnen gegen industrielle Hühnerhaltung, Pelzhandel und Vogelfang engagiert hatten, wurden im Mai 2011 auch deshalb freigesprochen, weil die Polizei dem Gericht entlastende Ermittlungsergebnisse von eingeschleusten Spitzeln vorenthalten hatte. Erst eigene Recherchen der Verteidiger brachten das ans Licht und kippten die Stimmung nicht nur in den Medien, sondern auch im Gerichtssaal. Doch so leicht gibt sich »Justitia« nicht geschlagen.

Der mit seiner Anklage auf voller Linie gescheiterte Staatsanwalt kletterte die Karriereleiter hinauf und das Oberlandesgericht Wien zog einen neuen Paragrafen aus dem Gesetzbuch und erhob nun weitere Anklagen.

Wieder geht es um »schwere Nötigung«, die die »wirtschaftliche Existenz« eines Unternehmens, in diesem Fall eines Pelzhändlers, beeinträchtigen kann (§ 106 StGB), verbunden mit einer »gefährlichen Drohung am Vermögen, die geeignet ist, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen« (§ 74 StGB), wie es in Juristendeutsch heißt. Ganz legale Kampagnen, die potenzielle Kunden vor den Pelzgeschäften über die Art und Weise der Tierhaltung informieren, geraten damit erneut ins Fadenkreuz der Justiz. Jeder Streik wäre in dieser Logik »schwere Nötigung«, erklärte der Obmann des Vereins, Martin Balluch, vor der Presse.

In der Gefahr, jede außerparlamentarische Aktion als »schwere Nötigung« gerichtsanhängig machen zu können, liegt der politische Charakter des Prozesses. Darüber hinaus war und ist für die Angeklagten der Rechtsstreit selbst zur Strafe geworden, nicht nur deshalb, weil für jeden der ursprünglich 13, jetzt vier neuerlich Angeklagten Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 700 000 bis 900 000 Euro angefallen sind. Die Republik weigert sich, Kostenersatz zu leisten. Auch darum wird es »indirekt«in der Neuauflage des Prozesses gehen.

Martin Balluch und sein Verein werden zu Prozessbeginn jedenfalls einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens stellen. Sie haben dafür, rein juristisch betrachtet, gute Karten. Denn der Nötigungsparagraf nennt in Absatz 2 eine Ausnahme: »Die Tat ist nicht rechtswidrig«, heißt es da, »wenn die Anwendung der Drohung als Mittel zum angestrebten Ziel nicht den guten Sitten widerstreitet.« Es geht also um Sittenwidrigkeit. Die Tierschützer haben flugs das renommierte Meinungsforschungsinstitut IFES beauftragt, die Österreicher zu befragen, ob sie es für sittenwidrig hielten, einem Modehaus eine Kampagne anzudrohen, sollte es nicht aus dem Pelzhandel aussteigen oder Kunden über das Leid in Tierfarmen informieren.

Das Resultat war auch für die Geschäftsführerin von IFES, Imma Palme, »überraschend«. Auf einer Pressekonferenz gab sie die Ergebnisse der Umfrage bekannt: Demnach halten 87 Prozent der Österreicher eine Kampagne gegen Modehäuser, die Pelze verkaufen, nicht für sittenwidrig, 72 Prozent empfinden es nicht als sittenwidrig, Modehäuser durch Information ihrer Kundinnen zum Pelzausstieg zu nötigen. Ergebnisse einer Befragung können als Gutachten durchaus gerichtsrelevant sein.

Der Prozess gegen die Tierschützer hat indes eine demokratiepolitische Dimension. Allein seine Neuauflage zeigt, was der Ankläger von zivilgesellschaftlichen, außerparlamentarischen Aktionen hält: Er sieht eine Bedrohung der staatlichen Ordnung.