Inkontinenter Papst: Die Titanic-Redaktion muß beim Landgericht Hamburg antanzen. Ein Gespräch mit Leo Fischer
– Chefredakteur des in Frankfurt am Main erscheinenden Satiremagazins Titanic
Das Hamburger Landgericht verhandelt am Freitag über Ihren Widerspruch gegen das Verbot, das Titanic-Titelbild mit dem eingenäßten Papst weiter zu verbreiten. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?
Das liegt allein in Gottes Hand. Und der läßt, so hoffen wir, eine gewisse Neutralität walten – selbst wenn sein Stellvertreter unser Prozeßgegner ist.
Der hat aber einen besseren Draht zum Boß als Sie …
Das glaubt er vielleicht. Wir wissen doch alle, daß es schon Päpste gab, die ein gottloses Leben geführt haben. Nun ja, über Benedikts Privatleben wissen wir so gut wie gar nichts …
Wie waren die Reaktionen der Leser auf die Titelseite, die den Papst mit Pinkelfleck auf der Soutane zeigt – Glückwünsche, Hallelujah-Rufe, Empörung?
Wir haben viel erfreute, aber auch nachdenkliche Post erhalten. Da hieß es unter anderem: »Tötet Leo Fischer!«. Ein Leser drohte, einen Betonmischwagen voller Jauche vor der Redaktion auszukippen.
Müßten Sie dem Papst nicht dankbar sein? Seine bloße Existenz erleichtert Ihnen doch die monatliche Themensuche – über alte Männer in bunten Frauenröcken lassen sich lustige Geschichten schreiben.
Wir würden uns freuen, wenn es nicht so viele Anlässe gäbe, uns mit der Kirche zu befassen. Dieser Verein ist doch nicht mehr von dieser Welt, und seine Mitgliederzahlen sinken ständig – eigentlich hätte er unser Mitgefühl verdient.
Wir würden uns lieber auf zeitgemäße Themen konzentrieren – aber dann kommt uns wieder so ein Mann wie der Limburger Bischof dazwischen. Der predigt Demut und läßt sich erster Klasse mitsamt Generalvikar um die halbe Welt fliegen. Es wäre ein journalistisches Versagen ersten Ranges, darauf nicht zu reagieren!
Als die drei Damen von Pussy Riot in Moskau vor Gericht standen, gab es Solidaritätsbekundungen querbeet: Von der Linkspartei über Angela Merkel bis hin zum US-Außenministerium. Aber verglichen mit der Aktion dieser Frauen ist Ihr Titelbild doch eher pillepalle. Warum wurde es eigentlich verboten?
Das weiß ich bis heute nicht genau. Die Klageschrift des Papstes enthält nur den Vorwurf »Verletzung der Persönlichkeitsrechte«. Das hat das Gericht dann auch so gesehen, ohne weiter auszuführen, wie das denn gemeint sein könnte. Selbst wenn man den feuchten Fleck auf dem Papstgewand als Hinweis auf Inkontinenz deuten wollte, was wäre denn daran verletzend?
Benedikt ist 85 Jahre alt, da ist Inkontinenz doch wohl eher der Normalfall …
Vielleicht mag sich Herr Papst nicht mit Altersgebrechen auseinandersetzen – aber er muß es sich halt gefallen lassen, Symbolfigur für einen Vatikan zu sein, der nicht ganz dicht ist.
Warum legen Sie nicht eine Schippe drauf und geben als »The Titanic Pussies« eine lustige Einlage im Petersdom? Die erwähnte Solidaritätsfront würde Ihnen wie im Fall der Pussy Riots sicher den Rücken stärken …
Reisen in den Vatikan will ich in nächster Zeit lieber vermeiden. Der Papst als absoluter Monarch würde einen entlarvten Titanic-Mitarbeiter sofort in ein finsteres Verlies werfen lassen.
Schade, daß Sie dort nicht hin wollen – die junge Welt hätte dann einen schönen Anlaß für eine Soli-Aktion. Könnte man Sie nicht damit locken, daß wir Ihnen ein Frei-Abo für den Knast versprechen?
Meinen Sie, Sie würden die Zeitung in den Vatikan schleusen können?
Klar doch. Wir kennen uns in dem Geschäft bestens aus, wir haben auch Spezialisten für Schleusungen – eben für alles, was branchenüblich ist.
Ok, das ist was anderes. Ich überlege es mir noch mal!
Die Titanic-Redaktion ist in Kompaniestärke schon mal nach Hamburg gereist, um sich für den Prozeß am Freitag warmzulaufen. Was haben Sie vor? Blasphemie auf vornehm hanseatische Art?
Blasphemie? Um Himmels willen! Wir werden uns am heutigen Donnerstag erst einmal am Michel anketten, wo wir das seriöse Gespräch mit Kirchenleuten, Journalisten und Bürgern suchen. Und am Freitag gibt es am Sieveking-Platz einen Mittelaltermarkt mit Feuerschluckern, Wahrsagern und Artisten. Wir werden dort übrigens jede Stunde eine Hexe verbrennen.