„Wir wollen die Auslieferung verhindern“ – Interview mit dem Solidaritätskreis „Freiheit für Zaid“

Der junge Antifaschist Zaid sitzt seit Anfang des Jahres in der JVA Köln-Ossendorf in Haft, ihm droht jederzeit die Auslieferung nach Ungarn. Bislang war es recht still um den Fall, doch am vergangenen Sonntag startete eine bundesweite Kampagne, welche die Freilassung von Zaid fordert. Perspektive führte ein Interview mit Joschka Friedrich aus Köln vom Solidaritätskreis Freiheit für Zaid.
Wer ist Zaid und was wird ihm vorgeworfen?
Zaid ist ein junger Antifaschist, der in der JVA Köln-Ossendorf in Auslieferungshaft sitzt. Ihm droht die Auslieferung nach Ungarn. Vorgeworfen wird ihm dort eine Beteiligung an Auseinandersetzungen mit Neonazis rund um den „Tag der Ehre” 2023 in Budapest. An Zaid und allen anderen gefangenen Antifaschist:innen soll nun ein Exempel statuiert werden.

Für uns ist Zaids Fall ein Angriff auf alle, die sich gegen Faschismus und den aktuellen Rechtsruck zur Wehr setzen. Deshalb wollen wir ein breites Bewusstsein für seinen Fall schaffen und Menschen einladen, sich an unseren vielfältigen Aktionen und der Kampagne gegen die drohende Auslieferung Zaids zu beteiligen.

Kannst du kurz erklären, was der „Tag der Ehre” ist?
Der sogenannte „Tag der Ehre” findet jährlich in Budapest statt und ist offiziell ein historischer Spaziergang. Tatsächlich aber marschieren an diesem Tag organisierte Faschist:innen offen auf der Straße, zeigen den Hitlergruß und tragen SS-Uniformen. Rund um den Tag der Ehre im Jahr 2023 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmer:innen des Neonazi-Events und Antifaschist:innen. Es folgte eine europaweite Fahndung nach den Beschuldigten.

Hanna, deren Fall gerade in München verhandelt wird, und die Auslieferung Majas an Ungarn in einer Nacht- und Nebelaktion sind bekannte Beispiele für die Verfolgungswut, die der deutsche Staat daraufhin entwickelt hat. Im Januar stellten sich insgesamt sieben weitere Antifaschist:innen, nachdem sie sich dieser Verfolgung durch die deutschen Behörden mehrere Monate lang entziehen konnten. Einer von ihnen ist Zaid.

Was wissen wir über die Haftbedingungen, die Zaid drohen?
Die Haftbedingungen in Ungarn entsprechen den menschenrechtlichen Standards nicht. Das Helsinki-Komitee, eine NGO, die zu den Haftbedingungen in Ungarn arbeitet, kritisiert Isolation, mangelhafte hygienische Zustände und Ernährung, und außerdem gibt es zahlreiche Berichte ehemaliger Gefangener über Gewalt durch Wärter:innen.

Der Antifaschist Tobi E., der ebenfalls von den ungarischen Behörden für seinen Aktivismus mit Knast bestraft wurde, berichtete von schweren Gewalttaten durch Wärter in Ungarn. Die gleichen Zustände werden durch Berichte von weiteren Beschuldigten in Budapest, u.a. der italienischen Ilaria Salis oder der gerade in Ungarn inhaftierten Person Maja bestätigt. Hinzu kommt eine Vorverurteilung durch Medien und Politiker:innen der regierenden, faschistischen Fidezs-Partei von Viktor Orbán. Selbst das Europaparlament bezeichnete die Situation in Ungarn als „hybrides System der Wahlautokratie“.

Wie hoch ist denn das Strafmaß, dass im Falle einer Auslieferung auf Zaid zukommen würde?
Die in Ungarn drohende Haftstrafe könnte bis zu 24 Jahre umfassen. Dieses Strafmaß ist im Vergleich zu deutschem Recht absolut unverhältnismäßig. Italienische und französische Gerichte haben sich zum Beispiel wegen dieser Unverhältnismäßigkeit deutlich gegen eine Auslieferung von italienischen und französischen Antifaschist:innen an Ungarn gestellt. Auch die Auslieferung von Maja wurde vom Bundesverfassungsgericht nachträglich als verfassungswidrig eingestuft. In dessen Urteil steht, dass die Gewährung grundsätzlicher Menschen- und Bürgerrechte in Ungarn nicht gewährleistet seien.

Das gleiche Berliner Kammergericht, das für die Auslieferung der Antifaschist:in Maja nach Ungarn verantwortlich ist, hat nun auch Zaids Auslieferungsverfahren übernommen – ein Vorgehen, das uns als Solikreis Zaid in höchsten Maße besorgt. In Majas Fall hat man zu spät gehandelt. Wir als Solidaritätskreis tun alles, damit dieser Fehler nicht noch einmal geschieht!

Ihr sprecht oft von einem rassistisch motivierten Prozess. Inwiefern spielt Rassismus eine Rolle in Zaids Fall?
Zaid hat sich den deutschen Behörden nicht allein gestellt. Mit ihm haben sich sechs andere Antifaschist:innen gestellt, denen ebenfalls vorgeworfen wird, Teil des sogenannten Budapest-Komplexes zu sein. Diese sechs Antifaschist:innen erwarten alle ihren Prozess in Deutschland. Doch Zaid droht die Auslieferung nach Ungarn – und das nur, weil er als einziger keinen deutschen Pass hat. Obwohl Zaid nach der Flucht seiner Familie in Deutschland aufgewachsen ist, hier das Abitur absolvierte, ein Studium begonnen hat und in einem Orchester musizierte, besteht die Gefahr, dass er keinen fairen Prozess in Deutschland bekommt.

Obwohl die Bundesanwaltschaft auch im Falle von Zaid die rechtlichen Mittel hätte, um seinen Fall in Deutschland verhandeln zu können, wurde diese Entscheidung bei Zaid bisher bewusst aufgrund seiner Staatsangehörigkeit anders getroffen. Er gilt den deutschen Behörden nicht als Deutscher, sondern als Syrer. Seine Anwältin bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Man könnte Zaid gleich behandeln, tut es aber nicht“.

Auch eine Abschiebung nach Syrien könnte durch die ungarischen Behörden erfolgen – also in ein Land, das jahrelang in einem Bürgerkrieg zerstört wurde und in dem sowohl unter alter als auch neuer Regierung sowie durch den IS immer wieder Massenmorde an der Bevölkerung verübt wurden.

Das ist natürlich keine Sache, die nur Zaid betrifft: Jeden Tag treffen deutsche Behörden rassistische Entscheidungen, verfügen Ausweisungen und Abschiebungen, schicken Menschen aus unserer Mitte, oft auch wegen ihrem politischen Aktivismus, in Kriegsgebiete oder in die Einflussbereiche unterdrückerischster Regime zurück. Egal ob es türkische, kurdische, palästinensische, tamilische oder, wie jetzt in Zaids Fall, syrische Aktivist:innen trifft – wir nehmen die Kriminalisierung linken Protests und die Ungleichbehandlung der Aktivist:innen nicht hin!

Vor kurzem habt ihr als Solidaritätskreis Zaid eure bundesweite Kampagne gestartet. Wieso genau jetzt und was ist euer Ziel?
Die Kampagne hat zum Ziel, dass die Auslieferung von Zaid nach Ungarn durch den Aufbau von öffentlichem Druck verhindert wird. Mit der Abgabe des Verfahrens durch das Kölner OLG an das Berliner Kammergericht – das im Falle von Maja die Nacht-und Nebel-Beschlüsse getroffen hat – ist für uns jetzt der Moment des Handelns gekommen. Wir fordern ein Ende der Ungleichbehandlung Zaids aufgrund seiner Staatsangehörigkeit.

Zaid hat aber auch immer wieder betont, dass er als Person nicht im Vordergrund stehen möchte. Ihm ist wichtig, dass es nicht nur um ihn als Einzelfall geht, sondern dass der Staat alle Antifaschist:innen einschüchtern will, konsequenten Antifaschismus zu betreiben und dass der Knast allgemein ein Instrument der Unterdrückung ist.

An wen richtet ihr euch mit eurer Solidaritäts-Arbeit und wer kann mitmachen?
Eines unserer Hauptziele als Solikreis ist es, ein breites Bewusstsein für den Fall von Zaid in der Bevölkerung zu schaffen, hier in Köln und bundesweit. Wir richten uns also an antirassistische Kräfte und Organisationen, wir richten uns an Initiativen, die sich gegen Rechts stellen und sich für demokratische Grundrechte stark machen.

Aber vor allem wollen wir die Menschen, die wir auf unseren zahlreichen Infoständen, Flyer-Aktionen, Kundgebungen oder Demonstrationen kennenlernen, ermutigen, sich offen solidarisch mit Zaid zu zeigen und sich – ja vielleicht – sogar unserem offenen Solidaritätskreis anzuschließen und in einer unseren zahlreichen Aktionsformen aktiv zu werden, selbst kreativ zu sein und eigene Aktionen auf die Beine zu stellen.

Welche Aktionen habt ihr geplant?
Seit einigen Wochen bereiten wir eine Orchester-Kundgebung vor der JVA Köln Ossendorf vor. Am 19.04. ab 16 Uhr spielt das Orchester, in dem Zaid früher gespielt hat, ein Konzert vor der Vollzugsanstalt. Auch die Familie Zaids wird da sein. Wir wissen, dass er uns auch in seiner Zelle hören kann, und deshalb werden wir zusätzlich zu der Musik auch Redebeiträge halten und den staatlichen Repressionen unsere Solidarität entgegenstellen.

Wir sind in Köln aktuell allgemein sehr aktiv, haben viele Ideen für Infostände und kreative Aktionen, und unser Solikreis wächst ständig. Wir sind aber auch bundesweit vernetzt und wollen das noch weiter ausbauen. Gerade unsere Kontakte in Berlin sind wichtig, da dort ja das zuständige Kammergericht sitzt. Aber auch in Leipzig, Nürnberg, Hamburg und anderen Städten gibt es Gruppen, die die bundesweite Kampagne mittragen. Gemeinsam wollen wir die Auslieferung Zaids verhindern!

Für weitere Informationen, Rückfragen oder zur weiteren Kontaktvermittlung stehen wir immer gerne zur Verfügung.

Mail: solikreis-zaid@systemli.org

Webseiten: www.basc.news & www.allantifa.noblogs.org

Instagram: @freiheit_fuer_zaid

https://perspektive-online.net/2025/04/wir-wollen-die-auslieferung-verhindern-interview-mit-dem-solidaritaetskreis-freiheit-fuer-zaid