foto12interdom

Zu Gast im »Interdom«

80 Jahre nach seiner Gründung: Ein Besuch im Internationalen Kinderheim in der russischen Gebietshauptstadt Iwanowo.

In der einige Autostunden von Moskau entfernten und nordwestlich der Metropole gelegenen Stadt war just am 1. Mai 1933 ein Kinderheim der Internationalen Roten Hilfe (IRH) eingeweiht worden. Es trat an die Stelle des seit 1925 im thüringischen Elgersburg betriebenen und von den Nazis prompt geschlossenen Kinderheims der Organisation, die im russischen »Meshdunarodnaja Organisazija Pomoschtschi Borzam Revoljuzii« (»Internationale Hilfsorganisation für die Kämpfer der Revolution«) oder kurz MOPR genannt wurde.

Anno 2013 sind hierzulande die 80. Jahrestage reichlich gesät. Beginnend mit der Machtübertragung an die Nazipartei über den von dieser Clique inszenierten Reichstagsbrand und das Verbot der Arbeiterparteien, die illegale Funktionärstagung des Zentralkomitees der KPD im Februar in Ziegenhals bei Berlin oder die Bücherverbrennung vom 10. Mai hat die junge Welt wiederholt dazu Position bezogen.

Doch auch anderswo ist die Geschichte des Jahres 1933 nach wie vor präsent und wird die Erinnerung daran bewahrt. So etwa im russischen Iwanowo. In der einige Autostunden von Moskau entfernten und nordwestlich der Metropole gelegenen Gebietshauptstadt war just am 1. Mai jenes Jahres ein Kinderheim der Internationalen Roten Hilfe (IRH) eingeweiht worden. Es trat an die Stelle des seit 1925 im thüringischen Elgersburg betriebenen und von den Nazis prompt geschlossenen Kinderheims der Organisation, die im russischen »Meshdunarodnaja Organisazija Pomoschtschi Borzam Revoljuzii« (»Internationale Hilfsorganisation für die Kämpfer der Revolution«) oder kurz MOPR genannt wurde.

Zur Feier dieses Jubiläums hatte die einst als »Interdom« in die Geschichte eingegangene und heute noch, allerdings unter etwas anderen Vorzeichen, betriebene Einrichtung auch einige Gäste aus der Bundesrepublik Deutschland eingeladen. Immerhin waren im Juni 1933 gleichermaßen Töchter und Söhne deutscher Hitler-Gegner und Antifaschisten unter den ersten Kindern, die das neue Haus mit Leben erfüllten. Zwar gehörte keiner der heute noch lebenden »Interdomowzi« zu unserer Gruppe, dennoch waren wir nicht weniger willkommen. Wir – das waren ein knappes Dutzend Angehörige der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) bzw. des Vereins der »Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936–1939« (KFSR). Hinzu kamen einige Mitglieder der »Assoziation der Freunde der Inter­brigaden« (AABI) aus Madrid, denn nach dem Franco-Putsch im Juli 1936 hatte die Sowjetunion auch etlichen Kindern aus Spanien vorübergehend Domizil gewährt. Zu ihnen gehörten nicht zuletzt die beiden Kinder der legendären »Pasionara«, Amaya und Ruben Ibarruri. Aber auch deutsche Interbrigadisten wie Otto Straube oder Erich Glückauf, um hier nur zwei von ihnen zu nennen, wußten ihre Nachkommen in Iwanowo gut aufgehoben. Insgesamt zählte man hier sogar rund 200 Kinder von Spanienkämpfern aus aller Welt.

Ankunft in Iwanowo

Am Vorabend mit einem Bus in Moskau in einem mehrstündigen Stau gestartet, erreichten wir Iwanowo im frühen Morgengrauen des 30. April. Dieses »wir« schloß auch einige Dutzend Heimkinder des »Interdoms« ein, die in den Tagen zuvor Moskau besucht hatten. Dort hatten sie an der Eröffnung der Ausstellung »Kinder und Krieg« im Museum des Großen Vaterländischen Krieges teilgenommen, die zu einem beträchtlichen Teil auch mit Dokumenten und Zeugnissen aus der Geschichte ihres Hauses gestaltet worden war. Zudem gehörten sie zu dem vielhundertköpfigen Auditorium des internationalen Forums »Für Frieden und Freundschaft auf dem Planeten«, das im ehemaligen Moskauer Pionierpalast stattfand. Dabei hatten sie eine Resolution verabschiedet, die die junge Genera­tion aller Länder dazu aufruft, das Bemühen um Verständigung und Freundschaft zwischen den Völkern zu intensivieren. »Wir brauchen keine nationalen und religiösen Streitigkeiten und Konflikte. Wir wollen keine Kriege!«, wurde in ihrem Appell nachdrücklich hervorgehoben.

Im Rahmen beider Veranstaltungen hatten die Abgesandten aus Iwanowo Teile ihres zum 80. Schuljubiläum aufgelegten Festprogramms gezeigt: Impressionen aus der langen »Interdom«-Geschichte, über Sprachbarrieren und Ländergrenzen hinweg geprägt und durchdrungen vom Geist der internationalen Solidarität.

Die Stadt (seit 1873), urkundlich erstmals 1561 erwähnt, war jahrzehntelang ein Aushängeschild der russischen bzw. sowjetischen Textilindustrie. Sie gehörte zu den Zentren der Revolution von 1905; hier war seinerzeit der erste Arbeiterrat (Sowjet) gegründet worden. Die Einwohnerzahl hat sich seither auf mehr als 400000 nahezu verzehnfacht. Ihre vier Stadtbezirke (Rayons) sind nach Lenin und dem 1925 verstorbenen Volkskommissar Michail Frunse, der 1905 in dieser Stadt einer der Führer des Aufstandes war, benannt; die beiden anderen heißen »Oktjabrski« und »Sowjetski«. Aktuell macht Iwanowo mit seinen sieben Hochschulen und weiteren Fachschulen bzw. Filialen indes eher als Universitäts- denn als Industriestadt von sich reden.

Das heutige Schulinternat trägt nach wie vor den Namen von Lenins langjähriger Mitstreiterin Jelena Stassowa (1873–1966), die in den 30er Jahren nach Julian Marchlewski und Clara Zetkin von 1933 bis 1937 Vorsitzende der 1922 auf Empfehlung der Kommunistischen Internationale in Moskau gegründeten Internationalen Roten Hilfe (MOPR) war. Die war eine nicht parteigebundene Organisation und vereinte damals allein in der Sowjetunion rund zehn Millionen Mitglieder über 14 Jahre, von denen 70 Prozent Parteilose waren. Weltweit zählte die IRH Mitte der 30er Jahre in über 70 Ländern etwa 15 Millionen Menschen.

Im Oktjabrski-Rayon in der Uliza Sportiwnaja fast am östlichen Stadtrand vor einem dem Revolutionsjahr von 1905 gewidmeten Park gelegen, verbreiten die das Schulinternat umgebenen Grünanlagen nach einem langen Winter erst wenig frühlingshaftes Flair. Im Inneren der Gebäude dagegen geht es ausgesprochen munter und lebhaft zu. In hellen und freundlichen Unterrichtsräumen herrscht wie etwa auch in der Stolowaja, dem Speisesaal, eine nahezu familiäre Atmosphäre, in der die jüngeren und jüngsten der rund 350 Heimkinder meist rücksichts- und beinahe schon liebevoll von den älteren umsorgt werden. Auch seitens der 75 Lehrer und Betreuer, die in ihrer Mehrzahl Erzieherinnen sind, ist kaum ein übermäßig lautes Wort zu vernehmen. Wer gesehen hat, wie spontan und herzlich die jüngeren Schülerinnen und Schüler – vermutlich aus einer dritten, vierten oder fünften Klasse – ihre Lehrerin, die trotz Babypause zur Festveranstaltung gekommen war, im Foyer des Kinosaals begrüßt haben, glaubt unbesehen das hier oft zu hörende Wort von einer großen Familie.

Apropos Festveranstaltung: Zu der hatte Direktorin Galina Schewtschenko am 2. Mai neben den Heimkindern und Mitarbeitern auch viele ehemalige Absolventen und frühere Lehrkräfte sowie Vertreter der Stadt um Bürgermeister Igor Swetuschkow begrüßen können. Dabei gestalteten rund hundert Schülerinnen und Schüler ein mitreißendes Programm, in dem sie die lange »Interdom«-Geschichte Revue passieren und auch den heutigen Alltag lebendig werden ließen. Bereits am Vortag, nach der Maidemonstration, hatte ein gerade erst fertiggestellter Dokumentarfilm über »Das Haus meiner Kindheit« seine begeistert aufgenommene Premiere erlebt. In diesem Streifen kommen Lehrer und mehr noch Schüler zu Wort, die bereitwillig Auskunft geben über ihre Tätigkeit, die längst nicht nur auf das tägliche Lernen oder die Erledigung von Hausarbeiten beschränkt ist. Dazu bietet das »Interdom« viel zu viele Möglichkeiten einer abwechslungsreichen Freizeitgestaltung – vom Sport über das Tanzen bis zum Zirkel zur Informatik oder den zur Textilgestaltung, für dessen Arbeit selbst ein weltbekannter Modeschöpfer wie der in Iwanowo geborene Slawa Saizew schon mal höchstes Lob zollte.

Auf Tradition gegründet

Andere widmen sich mit großer Hingabe der ruhmvollen Geschichte des Hauses. Die ist bereits ordentlich dokumentiert, wie in dem ersten Teil des 335 Seiten umfassenden Almanachs »Weg in die Zukunft« – er behandelt die Jahre 1941 bis 1945 – nachzulesen ist. Besichtigt werden kann all das auch in dem dieser Tage wieder eröffneten und völlig neugestalteten Schulmuseum oder im Refugium von Museumsleiterin Sofija Kusnezowa. 1944 in Iwanowo in der Familie eines Textilarbeiters geboren, hat sie in den 60er Jahren im Komsomolkomitee der Stadt gearbeitet und 1968 im »Interdom« begonnen, zunächst als Pionierleiterin. Nach einem Pädagogikstudium war sie seit 1980 weitere 18 Jahre als stellvertretende Direktorin für Erziehungsarbeit tätig und unterhält heute noch vielfältige Kontakte zu ehemaligen Schülern. Von sich selbst sagt die quirlige Frau, die Möglichkeit, trotz längst erreichten Rentenalters weiterhin in diesem Haus aktiv sein zu können, sei ihr größtes Glück.

Die Geschichte, von dem »ihr« ­Museum Zeugnis ablegt, beginnt mit dem Jahr 1931. Damals hatten die Textilarbeiter von Iwanowo landesweit zu einer Spendensammlung für ein neues Kinderheim der MOPR aufgerufen und selbst rund eine Million Rubel dazu beigetragen. So war das Geld für den Bau bald beisammen. Das Haus – in der Draufsicht zeigt es symbolisch stilisiert Hammer und Sichel, die Insignien der Sowjetmacht – wurde schließlich nach Plänen des Moskauer Architekten Nikolai Porkunow errichtet und am 1. Mai 1933 bezugsfertig übergeben. Die ersten etwa 120 Insassen, darunter auch etliche Vorschulkinder, folgten einen Monat später; sie kamen vor allem aus den faschistisch regierten Ländern Bulgarien, Italien und Deutschland sowie aus China. Der Unterricht fand seinerzeit noch in den Schulen von Iwanowo statt; eine eigene Schule erhielt das »Interdom« erst zu Beginn der 60er Jahre.

1936 nannte Nikolai Ljapin, der erste Direktor des Internationalen Kinderheims, die Zahl von 148 Kindern, »die genau 30 verschiedene Nationalitäten repräsentieren. Am größten ist die bulgarische Gruppe. Seitdem aber die Nazis in Deutschland die Macht übernommen haben, wächst unaufhörlich die Zahl der deutschen Kinder. Aus dem Fernen Osten, aus China, Japan, Korea, aus der Mongolei und aus Persien sind ebenso Kinder bei uns wie aus Rumänien, Jugoslawien, Italien, Spanien und Amerika. … Manchmal habe ich den Eindruck, daß das Kinderheim ein Barometer der internationalen politischen Ereignisse ist. Sobald es irgendwo in der Welt große politische Erschütterungen oder revolutionäre Kämpfe gegeben hat, folgen bald darauf Kinder aus diesen Ländern.«

In goldenen Lettern

 

Keine zehn Jahre nach der Einweihung des »Interdoms« lebten 178 Kinder, 84 Jungen und 94 Mädchen, aus 27 Ländern in der Einrichtung, darunter 54 Chinesen, 25 Deutsche, elf Bulgaren, zehn Polen, neun Italiener, sieben Rumänen und ebenfalls sieben Ungarn sowie drei Spanier. In jenem Jahr 1942 hatten allerdings mehr als 50 frühere »Interdomowzi« das Heim schon wieder verlassen, eine Berufs- oder Hochschulausbildung begonnen bzw. absolviert und den bewaffneten Kampf gegen die Okkupanten aus Hitler-Deutschland zur Verteidigung ihrer zweiten Heimat aufgenommen. Oder waren dabei wie Kurt Römling, ein Braunschweiger Arbeiterjunge, der zu den Partisanen gegangen war, und sein Landsmann Rolf Gundermann bereits ums Leben gekommen. Sie sind nur zwei von insgesamt 17 ehemaligen Internatsschülern aus Iwanowo, die während des Großen Vaterländischen Krieges gefallen sind. Dazu zählen der eingangs erwähnte Ruben Ibarruri, der Ende 1942 an der Front von Stalingrad starb, ebenso wie der Artillerieoffizier Gustav Schütz aus dem damaligen Königsberg und Elvira Eisenschneider aus Fischbach in der Pfalz, die 1944 als Aufklärerin in die Hände der Gestapo fiel und vermutlich in einem KZ zu Tode gequält wurde.

Doch auch die jüngeren Heimbewohner blieben in jenen schweren Jahren des Krieges nicht tatenlos, zumal die Stadt wiederholt von faschistischen Bombern bedroht war. Vorsorglich wurden Unterstände ausgehoben und im Vorfeld der Stadt Panzergräben angelegt. Zur Bewältigung der komplizierten Versorgungslage halfen sie auf einem nahegelegenen Staatsgut oder sorgten sich im eigens angelegten Schulgarten ums lebenswichtige Gemüse. Andere betreuten in umliegenden Lazaretten verwundete Rotarmisten oder machten mit Briefen bzw. Päckchen an die Front den Kämpfern der in der Stadt aufgestellten Division Mut und manche Freude.

Ihnen allen wird in Iwanowo auch heute noch liebevoll gedacht; insbesondere nennt eine graue Marmortafel mit den Worten »Ewiger Ruhm …« im Foyer in goldenen Lettern die Namen der 17 Gefallenen. Neben den vier Deutschen stammten sie aus Jugoslawien und Polen, aus Bulgarien, Griechenland, Spanien, Palästina, der Sowjetunion und dem fernen Kuba. Auch in einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 1982 wird ihr Einsatz gewürdigt. Unvergessen sind gleichermaßen jene, die wie Fritz Straube und Alfred Koenen, Renate Leuschner und Emmi Stenzer die Kämpfe an bzw. hinter der Front überlebten, und die jüngeren Heimkinder wie Herbert Stein, Isa Guddorf, Ursula Vogel oder Ulla Plener, die Liesegang-Brüder Kurt und Reinhard oder Rolf Glückauf, die nach dem Krieg in der DDR an der Gestaltung einer antifaschistischen Ordnung mitwirkten. Wohl stundenlang könnte Sofija Kusnezowa dank ihrer guten Kontakte zu den »Ehemaligen« davon erzählen.

Ein illustres Gästebuch

Selbst Direktorin Galina Schewtschenko, eine attraktive Mittvierzigerin, die seit über zehn Jahren im Schulinternat arbeitet, scheint ganz in ihrem Element zu sein, wenn sie wiederholt Bezug nimmt auf den antifaschistischen Gründungskonsens des »Interdoms« und aktuell das Bemühen ihres Hauses hervorhebt, den 1964 von der UNO proklamierten »Tag des jungen antifaschistischen Helden« am 8. Februar wiederzubeleben.

Zu den von Sofija Kusnezowa gehüteten Schätzen gehört überdies auch das »Rote Buch«, in dem sich die Gäste und Besucher des »Interdoms« über die Jahrzehnte hinweg eintrugen. Angefangen bei der späteren Namensgeberin des Kinderheims über den Komintern-Vorsitzenden Georgi Dimitroff bis zum damaligen KPD-Chef Wilhelm Pieck, der in der Nachfolge von Jelena Stassowa an der Spitze der IRH stand, gaben sich hier unzählige Repräsentanten der revolutionären Weltbewegung bis in die 80er Jahre hinein die Ehre. Viele von ihnen hatten dabei ganz unmittelbar persönliche Gründe. Denn in der Natur der Sache lag es, daß gerade in den 30er und 40er Jahren auch Söhne und Töchter führender Parteifunktionäre Aufnahme im internationalen Kinderheim fanden – so die von Mao Tse-tung und Josip Broz Tito, der italienischen Parteichefs Palmiro Togliatti und Luigi Longo, der späteren rumänischen Außenministerin Anna Pauker oder des polnischen Partei- und Staatschefs Boleslaw Bierut. Andere Bilder zeigen etwa den Generalsekretär der Portugiesischen KP, Alvaro Cunhal, 1968 inmitten von Heimkindern; 15 Jahre nach ihm war der chilenische KP-Führer Luis Corvalan umjubelter Gast im »Interdom«. Der nordamerikanische Sänger Paul Robeson war ebenso da wie Walentina Tereschkowa, die erste Frau im Weltall, und selbst der russische Präsident Wladimir Putin machte seine Aufwartung.

Auf all das sind sie – Lehrkräfte wie Betreuer und Schüler – natürlich stolz, selbst wenn es zum Teil bereits Jahrzehnte zurückliegt. Stolz etwa präsentierten sie auch bei der diesjährigen Maidemonstration in ihrem Marschblock die Fahnen jener 86 Länder, aus denen einst Kinder in ihrem »Interdom« Aufnahme gefunden hatten. Nicht weniger stolz und selbstbewußt führten sie früher erhaltene Ehrenbanner und Auszeichnungen mit, darunter auch den Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre verliehenen DDR-Orden »Stern der Völkerfreundschaft«.

Heute ist manches anders im »Interdom«. Zwar konnten die Versuche des russischen Militärs, aus der Einrichtung eine Kadettenschule zu machen, erfolgreich abgeschmettert werden, nicht zuletzt dank der Intervention des Roten Kreuzes, das neben dem Bildungsministerium, sprich: dem Staat, zu den wichtigsten Geldgebern des Hauses gehört. Selbst das russische Friedenskomitee machte sich in Gestalt seines Präsidenten, des früheren Schachweltmeisters und Duma-Abgeordneten Anatoli Karpow, stark für seinen Erhalt als Schulinternat.

»Haus der Sonne«

Auch wenn das Heim nun nicht mehr wie ehedem als »Kinderinternationale« zuvörderst dem proletarischen Internationalismus und der weltweiten Solidarität verpflichtet ist, so lebt doch der Geist von einst fort. Nicht ohne Grund sprach Bürgermeister Swetuschkow bei der Festveranstaltung vom »Interdom« als dem »ganzen Stolz« und »einem Aushängeschild« der Stadt. In der Tat bietet das oft zitierte »Haus der Sonne« auch seinen heutigen Bewohnern – zumeist Waisenkinder aus allen Teilen der Russischen Föderation oder Kinder aus zerrütteten Familienverhältnissen, aber ebenso Sprößlinge von vorübergehend im Ausland arbeitenden Eltern – eine glückliche Kindheit in einem geborgenen, familien­ähnlichen Umfeld. Und das verbindet das ehemalige, nach Lenins Weggefährtin benannte internationale Kinderheim durchaus mit dem heutigen Schulinternat »imeni J. D. Stassowa« von Iwanowo. Übrigens auch ganz persönlich. Denn wie schon in der Vergangenheit sind gerade an diesem Wochenende wieder ehemalige »Interdomowzi« wie die inzwischen 80jährige Historikerin Ulla Plener oder der gleichaltrige Ingenieur Herbert Stein, die zwischen 1939 und 1946 bzw. 1951 im Heim heranwuchsen, in die russische Stadt eingeladen, um mit den heutigen Bewohnern und deren Erziehern gemeinsam das Jubiläum zu begehen.

r

von Peter Rau, junge welt, 01.06.2013
 
Trailer (5 min) zu einer Dokumentation über das Kinderheim Iwanowo:
 
 
interdom18