Die Urteilsverkündung im §129b-Prozeß (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) gegen Musa fand am Mittwoch, den 6. Februar vor dem OLG Hamburg statt.
Musa Aşoğlu ist ein niederländischer Staatsbürger und kommt aus der Türkei. Er wurde 2. 12. 2016 von den deutschen Behörden in Hamburg festgenommen und befindet sich seitdem im Hamburger Untersuchungsgefängnis (UG) Holstenglacis in Totalisolation.
Zum Sonderstrafrecht in § 129a/b-Verfahren schreibt Musa Aşoğlu:
„Da die Verurteilung schon feststeht und ihre Funktion auf das „Mitmachen bei diesem Justiztheater“ reduziert ist, hat die Verteidigung im Prozess für uns keine positive Bedeutung. .. ,
Alles ist in den § 129b-Verfahren schon standardisiert und wirkt wie abgesprochen:
Bei „PKK“-Prozessen:
keine Trennscheibe bei Anwaltsbesuchen. Isolation 3 – 6 Monate. 2,5 – 3 Jahre Haft.
Bei „DHKP-C“-Prozessen:
Anwaltsbesuche mit Trennscheibe. Isolation bis zum Ende der Revision so bis um die 3 Jahre. Urteile bis zu 6 Jahren und 9 Monaten.
Darauf zu reagieren, ist nicht eine juristische, sondern eher eine politische Option.“
Musa Aşoğlu wird allein aufgrund des Paragrafen § 129b (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland) verurteilt. Die „Straftaten“ die ihm zu Last gelegt werden sind organisieren von Kundgebungen, organisieren von Grup Yorum Konzerten. Man wundert sich, dass keine militanten Aktionen in der Urteilsbegründung erwähnt werden – es haben keine stattgefunden. Mitglied in einer Organisation zu sein, Konzerte und Kundgebungen zu organisieren genügen im Rechtsstaat Deutschland offenbar um hinter Gitter zu gelangen.
Das Bundesjustizministerium und die EU haben die DHKP-C auf die Terrorlisten gesetzt.
Musa wird Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen.
Die Haftbedingungen während der Untersuchungshaft
Während seiner 2-jährigen Untersuchungshaft war Musa 24 Stunden täglich isoliert. Auch bei anderen § 129b-Verfahren gibt es ähnliche Isolation. Schon vor 40 Jahren wurde die Isolationsfolter (weisse Folter) vor allem gegen Gefangene aus der RAF angewendet.
Darüber hinaus Musa droht die Auslieferung an die USA
Bereits 2014 stellten die USA ein Kopfgeld in Höhe von jeweils 3 Mio. Dollar auf Musa Aşoğlu und zwei weitere Personen aus, denen Führungspositionen innerhalb der DHKP-C unterstellt wurden. Die USA gerieten 2013 ins Visier der DHKP-C, die die US-Botschaft in Ankara und das US-Konsulat in Istanbul militant angriffen.
Da diese Aktionen gegen US-Einrichtungen bewußt vom OLG HH nicht thematisiert werden, besteht die Befürchtung, dass Musa nach der Verbüßung seiner Haft in die USA ausgeliefert wird.
Die Urteilsverkündung welche nun vor dem OLG HH verkündet wurde, sieht vor, dass gegen das Urteil von 6 Jahren und 9 Monaten innerhalb von einer Woche in Revision gegangen werden kann. Zur Zeit, da dieser Artikel erscheint ist noch nicht klar, ob Musa und seine Verteidigung von diesem Recht gebraucht machen werden. Ebenso liegt uns die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vor.
Daher hier in aller Kürze ein kurzer Bericht von der Pressebank des OLG Hamburg:
Der Saal in dem die Urteilsverkündung gegen Musa stattfand war voll besetzt mit solidarischen GenossInnen und SympathisantInnen des Angeklagten. Als dieser von den Sicherheitskräften in den Gerichtssaal geführt wurde, ertönten in deutscher und in türkischer Sprache Parolen: „Hoch die internationale Solidarität“, „Freiheit für alle politischen Gefangen“, „Revolutionär zu sein ist kein Verbrechen“.
Hier einige Stichworte aus der Urteilsbegründung:
„Wenn in der Türkei friedlich für Menschenrechte und für Demokratie demonstriert wird, dann hat der Senat davor Respekt. Das jedoch ist meilenweit davon entfernt, was Herr Aşoğlu vorhat. Für dir Errichtung einer marxistisch-leninistischen Gesellschaftsordnung befürwortet er den bewaffneten Kampf und er nimmt in Kauf, dass Menschen getötet werden. Das widerspricht den Ideen von Demokratie und Freiheit. Wo bleibt bei Ihnen die Freiheit der Andersdenkenden? Wir erwarten von Ihnen keine Antwort auf diese Frage. Sie rechnen in in Ihrer Verteidigung 50‘000 vom türkischen Regime Ermordete gegen einige Dutzend vom Widerstand Ermordete auf. Damit beweisen Sie, dass es Ihnen um die gewaltsame Durchsetzung eines Systems geht, welches die Menschenrechte verletzt, damit verletzten sie selber die Menschenrechte.
Es stellt sich die Frage, ob wir das in Deutschland verhandeln müssen?
Ganz bestimmt müssen wir das. Deutschland als Rechtsstaat kann es nicht hinnehmen, dass Unrecht geschieht. (Hervorhebungen vom Autor). Vielleicht sind Sie nun doch froh, dass Sie hier ein Verfahren in Deutschland, einem Rechtsstaat bekommen. Sie haben nun in diesem Verfahren über 6 Monate geredet ohne zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sie haben vom Rache und Vergeltung geredet, vom demokratischen Kampf, vom bewaffneten Kampf durch den Widerstand und sie haben uns belästigt mit der Parole bewaffneter Widerstand sei berechtigt.
Sie haben uns mit Ihren unzähligen Einwürfen die Zeit gestohlen. Mehrmals haben sie aus dem Bulletin der DHKP-C zitiert unter anderem haben sie gesagt, der ‚der Kampf werde nicht an der Front, sondern an der Rückfront gewonnen‘.
Wir sehen: Prinzipiell geht es dem Gericht darum den bewaffneten Kampf der türkischen Guerilla zu verurteilen und zu diffamieren. Damit handelt es sich in der Tat um einen politischen, nicht um einen strafrechtlichen Prozess. Das war und das ist allen Beteiligten, allen voran Musa Aşoğlu von Beginn an klar. Gleichwohl erstaunt die Arroganz und das Dünkel mit der das Gericht gegen den Angeklagten argumentiert: Einerseits handelt es sich bei § 129 a / §129 b ganz klar um Gesinnungsparagraphen, also um politische Paragraphen. Somit sollten wir eigentlich davon ausgehen können, dass an so einem Prozess auch politisch argumentiert werden kann, insbesondere, wenn die Rede immer wieder auf den „deutschen Rechtsstaat“ kommt. Weit gefehlt!
Eben das Recht politisch zu argumentieren wird Musa Aşoğlu abgesprochen, ja es wird es vom Gericht, welches für sich in Anspruch nimmt Demokratie und Freiheit zu verteidigen, als „Belästigung“ bezeichnet. So versteigt sich das Gericht in der Urteilsbegründung gar zur Aussage, „Das Ziel der DHKP-C seien Mord und Totschlag“. Deratiges könnte tatsächlich aus einem Gerichtsaal in Istanbul oder Ankara kommen und wo da der Unterschied zum Rechtsstaat und einem totalitären System genau sein soll, bleibt schleierhaft.
Gesinnungsjustiz! Klassenjustiz!
Zum im deutschen Grundgesetz niedergeschriebenen Recht auf Widerstand macht das Gericht bezeichnenderweise keine Aussagen, hingegen hören wir, dass das Gesetz für Musa Aşoğlus „Verbrechen“ ein Strafmass von 1 Jahr bis hin zu 10 Jahren vorsieht. (Die Anklage forderte 7 Jahre und 6 Monate). Mildernde Umstände kann das Gericht in Musas Fall, obwohl in Deutschland nicht vorbestraft nicht erkennen. Musa hat weder ein Geständnis abgelegt (was genau er gestehen soll bleibt ebenfalls im Dunkeln) noch zeigt er Reue. Wir hören, dass das Gericht anerkennt, dass Musas Kindheit von Menschenrechtsverletzungen durch die Türkei geprägt war. Menschenrechtsverletzungen in der Türkei? Ach ja: Die guten Beziehungen Deutschlands zur Türkei, quasi von einem NATO Staat zum anderen sind offensichtlich nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Gericht anerkennt die 2 Jahre Untersuchungshaft. Nicht erwähnt werden jedoch die Bedingungen dieser U-Haft: Isolation, weisse Folter. (Siehe oben)
Strafverschärfend kommt für das Gericht hinzu, dass angeblich Musa Aşoğlu 8 Jahre lang Kader in der von Deutschland verbotenen Vereinigung war.
So kommt das OLG Hamburg zum Schluss Musa Aşoğlu nun für 6 Jahre und 9 Monate weg zu sperren.
Tatsächlich handelt es sich bei den § 129a /129b um ein „Sonderstrafrecht“. Die Argumentation des deutschen Rechtsstaates gleicht, wie bereits erwähnt der Argumentation die wir von türkischen Gerichten kennen. Zwischenrufe im Gerichtssaal wie „Klassenjustiz“ waren daher durchaus gerechtfertigt. Der Prozess gegen Musa Aşoğlu war ein politischer Prozess, das Urteil gegen ihn ist ein politisches Urteil. Folgerichtig wird er auch nicht für seine Taten, sondern für seine Gesinnung verurteilt. Das solches im „Namen des deutschen Volkes“ und ihm Namen des Rechtes geschehen kann ist unerträglich. Nicht der unterdrückerische türkische Staat wird angeklagt, sondern diejenigen, die dieses Unrecht bekämpfen. Nicht die deutsche Militärmaschinerie, die inner- und ausserhalb der NATO an allen Fronten gegen die Völker kämpft wird angeklagt, sondern diejenigen welche diese barbarischen Angriffe bekämpfen.
Wir sehen: Der deutsche Rechtsstaat, der so sehr darauf bedacht ist, dass der Widerstand friedlich bleiben soll, hat ganz offensichtlich keine Bedenken in Syrien die Terrorbanden gegen die völkerrechtlich legitime syrische Regierung zu unterstützen. Gemeinsam mit den USA und ihren NATO Verbündeten ruft die Bundesregierung offen zum regime change gegen die gewählte Regierung in Damaskus auf. Wir haben keine Kenntnis, dass irgend ein deutsches Gericht diese gewalttätigen Machenschaften jemals angeklagt, geschweige denn verurteilt hätte. Ebenso wenig können wir erwarten, dass ein deutsches Gericht die, mittlerweile weltweiten Einsätze, der Bundeswehr verurteilen wird.
Wir leben in einem imperialistischen System und wir können wir in diesem System politisch keine Gerechtigkeit erwarten. Wir können aber politisch gegen diese offensichtlichen Ungerechtigkeiten ankämpfen und unsere Forderungen stellen:
Freiheit für Musa Aşoğlu!
Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit!
Weg mit der Gesinnungsjustiz!
Deutschland raus aus der NATO!
NATO raus aus Deutschland!
Bündnis gegen den imperialistischen Krieg, Basel, Wien, Hamburg