woodfox

Zum Schweigen verurteilt

Nach fast 44 Jahren in Isolationshaft ist der US-Gefangene Albert Woodfox frei. Auf Feststellung seiner Unschuld muss er verzichten
Von Jürgen Heiser, junge Welt 22.2.16

Endlich frei: Albert Woodfox am Freitag in New Orleans

Nach über vier Jahrzehnten in Einzelhaft öffneten sich für Albert Woodfox am vergangenen Freitag endlich die Tore des US-Staatsgefängnisses Angola nahe Baton Rouge im US-Bundesstaat Louisiana. An seinem 69. Geburtstag verließ auch das letzte Mitglied der legendären »Angola 3« nach exakt 43 Jahren und zehn Monaten seine knapp fünf Quadratmeter große Zelle.

Nach dem jahrzehntelangen Kampf um seine Freiheit dankte Woodfox seinen Unterstützern und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die unermüdlich für seine Freilassung eingetreten waren. Er habe eigentlich gegen das 1974 über ihn gefällte Urteil wegen der Ermordung des Gefängniswärters Brent Miller in einem neuen Prozess seine Unschuld beweisen wollen, sagte Woodfox. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands und mit Rücksicht auf sein hohes Alter habe er sich jedoch entschieden, »den Fall jetzt abzuschließen«.

Denn statt eines rechtmäßigen Urteils bot ihm die Justiz lediglich einen Handel an. Seine Freiheit sollte ihm nur gewährt werden, wenn er zustimmte, sich künftig nicht mehr juristisch gegen die vierzig Jahre alten und nie bewiesenen Mordvorwürfe zu wehren. Louisianas Generalstaatsanwalt Jeff Landry nannte diesen außergerichtlichem Deal gegenüber der Presse selbstgefällig »ein Arrangement im Dienste der Gerechtigkeit«. Gedient wurde hier nach Aussagen der Verteidigung allerdings vor allem dem Ansehen der Justiz, die immer wieder verhindert hatte, dass Woodfox den Gerichtssaal nach einem fairen Urteil als freier Mann verlassen konnte. Anwalt George Kendall nannte es »völlig ungerechtfertigt«, dass sein Mandant »gezwungen war, Jahrzehnt um Jahrzehnt die Isolationshaft zu erdulden, länger als irgendein anderer Häftling in der Geschichte der Vereinigten Staaten«. Woodfox stand schon mehrfach vor seiner Entlassung aus der Haft. Zuletzt hatte ein Bundesbezirksrichter im vergangenen Juni seine bedingungslose Freilassung angeordnet und ein neues Verfahren mit der Begründung untersagt, mehr als vierzig Jahre nach der Tat sei kein fairer Prozess mehr möglich. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Berufung ein, Woodfox blieb im Gefängnis.

Die beiden anderen Gefangenen der »Angola 3« waren bereits zuvor entlassen worden. Robert King kam 2001 nach 29 Jahren Einzelhaft frei, weil sein wegen eines anderen Tatvorwurfs ergangenes Urteil aufgehoben worden war. Der 72jährige Herman Wallace, der gemeinsam mit Woodfox wegen der Ermordung des Wärters zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, konnte das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis von Angola im Oktober 2013 nur als Todkranker verlassen und starb drei Tage nach seiner Freilassung. Ein Bundesgericht hatte nach einer Vielzahl von Berufungsanträgen das lebenslange Urteil gegen Wallace als verfassungswidrig aufgehoben. Für eine »Lösung« in Woodfox’ Fall ließen sich die Mühlen der US-Justiz noch mehr als zwei Jahre Zeit.

Wie anderen politischen Gefangenen wurde Wallace und Woodfox nie verziehen, dass sie Anfang der 1970er Jahre im Gefängnis eine Gruppe der Black Panther Party gegründet hatten, um sich gemeinsam mit ihren Mitgefangenen durch Hunger- und Arbeitsstreiks gegen Unrecht, Gewalt und Vereinzelung in der Haft zu wehren. Sie wurden auf Dauer weggesperrt, weil ihr Beispiel keine Schule machen sollte in einem Gefängnissystem wie dem der USA, in dem aktuell rund 100.000 Häftlinge ohne Kontakt zu anderen Menschen isoliert werden.