Deutschland vs. Ulm 5: Repression im Namen der Staatsräson

Wer in der BRD gegen Völkermord und Kriegsverbrechen protestiert, bekommt es mit der vollen Wucht des Staates zu tun: Ulm 5.
Gewaltfrei blockieren fünf Menschen mutmaßlich einen deutschen Standort des israelischen Rüstungskonzerns Elbit Systems – und landen in Untersuchungshaft unter teils entwürdigenden Bedingungen. Der Fall der „Ulm 5“ zeigt exemplarisch, wie der deutsche Staat durch Repression, Rechtsbeugung und die Kriminalisierung der Palästina-solidarischen Bewegung seine Unterstützung für Israels Kriegspolitik absichert.

Am 8. September 2025 betraten fünf Personen unterschiedlicher Nationalitäten das Gelände von Elbit Systems in der Stadt Ulm in Süddeutschland. Dort führten sie – während sie sich selbst filmten und ihre Gesichter unverdeckt waren – eine gewaltfreie Aktion durch, die darauf abzielte, die Fortsetzung des Völkermords in Gaza zu verhindern. In weiteren Videos formulierten sie ihre Forderungen und erklärten, warum sie den deutschen Standort von Israels größtem Rüstungsunternehmen Elbit Systems gewählt hatten – ein Unternehmen, das für einen erheblichen Teil der Waffen und Technologien verantwortlich ist, die beim Völkermord in Gaza eingesetzt werden, wie es ein jüngster UN-Bericht dokumentierte. Sie warteten darauf, von der Polizei festgenommen zu werden, ohne Widerstand zu leisten oder zu fliehen. Seitdem befinden sich diese fünf irischen, britischen, deutschen und argentinisch-spanischen Personen in Untersuchungshaft.

Diese direkte Aktion einer gewaltfreien angeblichen Sachbeschädigung machte nicht nur die Untätigkeit der deutschen Regierung sichtbar – einer Unterzeichnerin der UN-Völkermordkonvention –, sondern auch ihre aktive Beteiligung: durch diplomatische Unterstützung, Waffenhandel mit Israel und die Produktion von Waffen auf deutschem Boden, die direkt beim Völkermord am palästinensischen Volk eingesetzt werden. Deutschland, das sich sowohl im eigenen Land als auch vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mehreren juristischen Verfahren wegen seiner Mitschuld am Völkermord stellen muss, reagierte auf diese fünf Personen mit der ganzen Härte seiner institutionellen Gewalt.

Seit ihrer Festnahme an diesem Tag, bei der ihnen unter anderem das Recht auf anwaltliche Vertretung sowie auf Kontakt zu Familie oder Freunden zugesichert wurde, berichten die inhaftierten Aktivistis, ihre Anwält*innen und ihre Unterstützungsnetzwerke von Misshandlungen und Rechtsverweigerungen:

Zwang, sich auszuziehen und stundenlang in einer Zelle nur in Unterwäsche (ohne BHs) eingesperrt zu sein.
30 Stunden Haft ohne ausreichende Verpflegung.
Einer der fünf Personen wurde der Zugang zu ärztlich verschriebenen Medikamenten durch die Polizei über einen Zeitraum von 20 Stunden verweigert.
Polizeiliche Verhöre ohne Anwesenheit eines Anwalts.
Allen fünf Personen wurde bis wenige Minuten vor der ersten Anhörung der Zugang zu Anwältinnen verweigert – trotz wiederholter Bitten der Inhaftierten und wiederholter Versuche der Anwältinnen, sie zu erreichen.
Mindestens eine Person durfte zwei Wochen lang keinen Kontakt zu ihrem Anwalt haben.
Mindestens einer Person wurde einen Monat lang der Kontakt zu Familie oder Freundinnen verwehrt. Nach der Anhörung wurden sie voneinander getrennt und in fünf verschiedenen Städten in unterschiedliche Gefängnisse verlegt. Mehrere werden in Einzelzellen mit 23-stündigem Einschluss isoliert. Besuchsrechte für Familie und Freundinnen wurden stark eingeschränkt, teilweise auf nur eine Stunde Besuch pro Monat.
Telefonate wurden auf Gespräche mit Anwält*innen beschränkt.
Freilassung auf Kaution wurde verweigert, obwohl sie keine Vorstrafen haben und keine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.
Eingehende Briefe werden vier Wochen oder länger zurückgehalten, bevor sie ausgehändigt werden.
Sämtliche Kommunikation unterliegt strenger Überwachung.
Der deutsche Staat behandelt diese fünf Aktivistis wie gefährliche Kriminelle und will sie ohne Beweise wegen der Bildung oder Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) anklagen – ein Straftatbestand, der mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann. Aufgrund der Beweislosigkeit hat die Staatsanwaltschaft Schwierigkeiten, einen tragfähigen Fall zu konstruieren. Dies führt zu einer längeren Haftdauer für die Aktivistis unter den oben beschriebenen katastrophalen Bedingungen.

Die Verteidiger*innen argumentieren, dass es – wie bereits erwähnt – zahlreiche Unregelmäßigkeiten im Ermittlungs- und Kautionsverfahren gibt. Dies deutet darauf hin, dass politischer Druck und eine eine politische Motivation hinter dem Verfahren stehen – ganz im Einklang mit dem Vorgehen des deutschen Staates gegen die pro-palästinensische Bewegung in den letzten Jahren.

Der Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung wurde bereits gegen Klimaaktivistis eingesetzt, wofür Deutschland von der UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern gerügt wurde. Die Bundesregierung verteidigte sich gegen diese Vorwürfe in einem peinlichen und entlarvenden Schreiben, in dem es einräumt, die Aktivistis überwacht zu haben – allerdings ohne den Einsatz von V-Leuten.

Der offenkundige Machtmissbrauch und die Einschüchterungstaktiken des deutschen Staates haben die Anwältinnen der Ulm 5 dazu veranlasst, den unten veröffentlichten Brief zu verfassen. Darin fordern sie nicht nur die sofortige Entlassung ihrer Mandantinnen aus der Untersuchungshaft, sondern auch die Untersuchung von Elbit Systems Deutschland wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die weltweit – insbesondere in Palästina – begangen wurden.

Es ist unerlässlich, dass diese fünf Aktivistis fair behandelt werden und ein faires Verfahren erhalten. Dafür müssen wir nationale und internationale Aufmerksamkeit auf diesen Fall lenken, der ein weiterer Nagel im Sarg des angeschlagenen deutschen Rechtsstaats sein könnte.

In den letzten Jahren wurde der deutsche Rechtsstaat – befeuert durch die Beihilfe zum Völkermord in Gaza – durch seine Staatsräson stark politisiert. Die unerschütterliche und strafrechtlich relevante Unterstützung des deutschen Staates für das völkermörderische Regime hat zu einer kontinuierlichen Kriminalisierung und Verfolgung von Aktivistis geführt, die gegen den anhaltenden Völkermord protestieren. Angesichts der Stärke, Beharrlichkeit und Überzeugung dieser Aktivistis ist die pro-palästinensische Bewegung zur am stärksten gesellschaftlich, politisch und juristisch verfolgten Bewegung mindestens seit der deutschen Wiedervereinigung geworden.

In Zukunft, wenn es zu spät sein wird, werden wir erkennen, dass der Völkermord am palästinensischen Volk nicht in den Gerichtssälen gestoppt wurde, sondern auf der Straße und durch direkte Aktionen, die das Herz des internationalen völkermörderischen Netzwerks trafen.


Im Folgenden dokumentieren wir die Pressemitteilung des Anwält*innenteams der Ulm 5: vom 26. November:

+++ PM: Verteidigung der „Ulm 5“ fordert Ermittlungen hinsichtlich der möglichen Beteiligung der Elbit Systems Deutschland GmbH an Kriegsverbrechen der israelischen Armee in Gaza +++

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die Verteidigerinnen und Verteidiger der „Ulm 5“, denen vorgeworfen wird am 8. September 2025 in den Standort des deutschen Ablegers des israelischen Waffenherstellers Elbit Systems in Ulm eingedrungen zu sein und dort Sachschaden verursacht zu haben, haben die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart aufgefordert, auch hinsichtlich der naheliegenden Beteiligung der Elbit Systems Deutschland GmbH und Co. KG an Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid in Gaza zu ermitteln.

Die Motivation unserer Mandant*innen war es, größeres Unrecht zu verhindern. Die Elbit Systems Deutschland GmbH und Co KG ist eine 100%ige Tochter der israelischen Elbit Systems Ltd. Diese profitiert erheblich vom Krieg in Gaza und liefert einen Großteil der dort eingesetzten Drohnen. Auch die Elbit Systems Deutschland muss sich daher ihrer Mitverantwortung für Kriegsverbrechen in Gaza stellen. Trotzdem hat die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart bis jetzt, etwa 2 Monate nach der Tat, keine Ermittlungen in diese Richtung geführt.

Die Tat war offenkundig auf ein legitimes Ziel, das Töten von Zivilist:innen in Gaza zu beenden, gerichtet. Es ist in diesem Rahmen lediglich zu Sachschäden gekommen, Menschen wurden nicht verletzt.

Wir fordern, unsere Mandant:innen umgehend aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Die Sicherungshaft wird unter den verschärften Bedingungen von strikter Telefon-, Besuchs- und Briefkontrolle vollzogen. Einzelne Beschuldigte sind 23 Stunden am Tag in ihrer Zelle eingesperrt. Ihnen wird bspw. der Zugang zu Büchern und Gemeinschaftsveranstaltungen erschwert.

Die Vollstreckung von Untersuchungshaft steht nicht nur zu dem Tatvorwurf außer Verhältnis – ein für die Anordnung der Untersuchungshaft zwingend notwendiger Haftgrund liegt aus Sicht der Verteidigung schon nicht vor. Die Annahme von Fluchtgefahr ist angesichts der konkreten Umstände abwegig: Unsere Mandantinnen haben sich bei der Aktion selbst gefilmt und sich anschließend widerstandslos von der Polizei festnehmen lassen. Ein Video der Aktion wurde öffentlich gepostet. Offensichtlich ging es ihnen gerade nicht darum, sich dem Verfahren zu entziehen, sondern im Gegenteil darum, sich diesem zu stellen, um die Gründe für ihr Handeln darlegen zu können.

Für Rückfragen stehen die Unterzeichnenden gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwältin Dr. Maja Beisenherz, München, ue.zrehnesieb@ofnI, 0177 / 70 95 812
Rechtsanwalt Mathes Breuer, München, ed.eba-ielznak@reuerb, 0175 / 52 46 963
Rechtsanwalt Benjamin Düsberg, Berlin, ed.grebseud-tlawnasthcer@liam, 0157 / 30 30 8383
Rechtsanwältin Rosa Mayer-Eschenbach, München, ed.eba-ielznak@hcabnehcse, 0176 / 65 35 9443
Rechtsanwältin Christina Mucha, Memmingen, ed.ahcum-ielznak@ofni, 08331 / 69 08 136
Rechtsanwalt Matthias Schuster, Berlin, ed.retsuhcs-tlawna@liam, 0176 / 24 75 8230
Rechtsanwältin Martina Sulzberger, Augsburg, ed.regrebzlus-nitleawna@ielznak; 0821 / 50

Roser Garí Pérez