Solidarität mit Daniela

Info Nr. 11 / 2. Juli 2024


„Die Solidarität lässt für sie, so sagt Daniela, die Sonne aufgehen“


Hallo,

in diesem Info werden das Interview mit Wolfang vom Gefangenen-Info mit der jungen Welt und die Beiträge zu Daniela aus dem Gefangenen-Info Nr. 2/2024 veröffentlicht.

Im Anhang der verschickten E-Mail findet ihr auch eine Collage vom Gefangenen Finn Siebers.

Daniela hat auf der letzten Kundgebung am 14.6.2024 teilweise nur die Musik mitbekommen, die Redebeiträge leider nicht.

Viele Grüße von der Gruppe: Solidarität mit Daniela

Kontakt: solidarisch-mit-daniela@t-online.de

»Die Repression ist eine Reaktion auf unsere Arbeit«

Seit 35 Jahren gibt es die Zeitschrift Gefangenen-Info. Die aktuelle Ausgabe ist Daniela Klette gewidmet. Ein Gespräch mit Wolfgang Lettow

Ariane Müller

Weil ihr vorgeworfen wird, früher ein Mitglied der Rote Armee Fraktion, kurz RAF, gewesen zu sein, sitzt die 65jährige Daniela Klette derzeit in der Justizvollzugsanstalt Vechta in Niedersachsen in Untersuchungshaft. Auf dem Cover der neuen Ausgabe des Gefangenen-Infos prangt »Freiheit für Daniela«. Ist die gesamte Ausgabe der Inhaftierten gewidmet?

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe ist der Situation von Daniela Klette gewidmet. Ende Februar war sie in Berlin nach mehr als 30 Jahren Klandestinität festgenommen worden. In mehreren Beiträgen befassen wir uns damit, dass sie die Aussage gegenüber den Behörden verweigert, mit der ihr zugefügten Isolationsfolter sowie den Aktionen der RAF, an denen Daniela Klette beteiligt gewesen sein soll. Zusätzlich haben wir mehrere Redebeiträge veröffentlicht, die auf einer Knastkundgebung in Vechta gehalten wurden.

Seit wann gibt es Ihre Publikation, und wer gibt sie heraus?

Das GI, früher trug es den Namen Angehörigen-Info bzw. hieß Hungerstreik-Info, entstand 1989 anlässlich des Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF und des antiimperialistischen Widerstandes. Gegründet wurde diese Zeitschrift von den »Angehörigen der politischen Gefangenen aus der BRD«, um das Totschweigen über den Hungerstreik und die Kriminalisierung ihrer Forderungen zu durchbrechen – also um eine linke und authentische Gegenöffentlichkeit herzustellen. Heute gibt das »Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen« aus Berlin, Hamburg und Magdeburg das GI heraus.

Mit welchen Themen beschäftigt sich GI im allgemeinen?

Die Zeitschrift versucht, mit aktuellen Artikeln zu Widerstand, Repression und Solidarität in der BRD und auf internationaler Ebene die Bedingungen für eine Verbindung von den Kämpfen in den Knästen mit den Kämpfen draußen zu entwickeln und auszubauen. So haben wir am 18. März eine Kampagne gestartet mit dem Motto: »Solidarität mit den Proleten hinter Gittern! Schluss mit der Ausbeutung der Gefangenen!«

Gibt es Schwierigkeiten beim Verschicken der Ausgaben in die Gefängnisse?

Wir stehen regelmäßig im jährlichen Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes. Folglich müssen wir immer wieder damit kämpfen, dass GI nicht in den Knast kommt bzw. den Gefangenen nicht ausgehändigt wird. Als Grund wurde zum Beispiel angegeben, dass die Zeitschrift die »Sicherheit und Ordnung« gefährde.

Sie sind der presserechtlich Verantwortliche. Was können Sie über Repressionsversuche gegen die Zeitschrift mit Blick auf die vergangenen Jahre erzählen?

In den 35 Jahren ihres Bestehens hat es seitens des Staates knapp 30 Versuche gegeben, die Zeitschrift mundtot zu machen. 2010 wurde der »Verantwortliche im Sinne des Presserechts« vor das Berliner Amtsgericht beordert, da in einem Artikel zum 129-b-Prozess gegen Faruk Ereren die Beugehaft gegen den blinden Nuri Eryüksel kritisiert worden war. Im Artikel hieß es: »Besonders zynisch bemerkte der Vorsitzende Richter des 2. Strafsenates, für Nuri Eryüksel sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel, um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet.« Im Prozess wurde ich schließlich freigesprochen.

Ab 2010 waren Aktivistinnen und Aktivisten des »Netzwerks Freiheit für alle politischen Gefangenen«, nicht zuletzt durch das 129er-Verfahren wegen RAZ/RL/Radikal, stark im Fokus der Repressionsbehörden. Dies hatte auch Auswirkungen auf Gefangenen-Info. Bei diversen Hausdurchsuchungen in den vergangenen Jahren wurde die Infrastruktur von GI immer wieder stark angegriffen. Die Repression gegen unsere Zeitschrift ist auch immer eine Reaktion auf unsere Arbeit, denn wir stellen Gegenöffentlichkeit her mit dem Ziel, diese Verhältnisse zu ändern.

Wolfgang Lettow ist seit mehr als 30 Jahren Mit­arbeiter der Zeitschrift Gefangenen-Info

www.gefangenen.info

Den Artikel finden Sie unter: https://www.jungewelt.de/artikel/477930.gefangenensolidarität-die-repression-ist-eine-reaktion-auf-unsere-arbeit.html

(c) Junge Welt 2024

https://www.jungewelt.de

Jetzt kommen die Beiträge aus dem Gefangenen-Info Nr. 2/2024

Freiheit für Daniela Klette

Mit der Gefangennahme der Kämpferin Daniela Klette versucht die deutsche imperialistische Konterrevolution, indem sie sie in totaler Isolation hält, den jahrzehntelangen erfolgreichen Widerstand gegen die konterrevolutionäre Verfolgung zu begraben und die Entschlossenheit, die Fähigkeit und die Freiheit der Verfolgten zu rächen. Der Widerstand gegen die personalisierten Angriffe der Konterrevolution ist ein bedeutender und entscheidender Sieg der Bewegungen, ein Sieg, der nicht durch staatliche Vernichtungs- und Ausrottungsmaßnahmen zunichte gemacht wird.

Da ich die Verfolgung durch die Konterguerilla erlebt habe, kann ich bestätigen, dass offene Türen, die soziale Solidarität, die dieser Situation entspricht, und die Genossen, die zum täglichen Schatten der Verfolgten werden, den Unterschied in der Waage zwischen Konterguerilla und Widerstand ausmachen. Eine Organisation, eine Bewegung, die ihre Verfolgten schützen kann, verfügt über ein notwendiges politisches Element für das Wachstum einer revolutionären Position. Wie die Genossinnen und Genossen der Internationalen Roten Hilfe betonen, ist Solidarität ein Programm, keine Parole.

Jetzt ist die Zeit für uns, die internationale antikapitalistische Bewegung, zu zeigen, dass der historische Übergang von der Zeit der RAF zum heutigen revolutionären Klassenkampf uns gehört. Wir werden keinen Moment und keinen Kämpfer aufgeben, schon gar nicht einen der großen Momente der revolutionären Projekte und der Guerillakämpfer, die die Zeit überbrücken. Der Kampf gegen die Isolation von Daniela Klette ist der Kampf für das Leben der Bewegung. Der Kampf für die Beendigung der Verfolgung und Bestrafung der vergangenen revolutionären Phasen, der zeitlosen revolutionären Bewegung, ist ein Zeichen für ihre Fähigkeit, den Kampf fortzusetzen.

Die strafrechtliche Verfolgung von Antifaschisten ist ein Signal der Gefahr und auch eine Orientierung für die sozialen Bewegungen in ganz Europa: Ohne breite revolutionäre politisch-soziale Organisierung können wir den Würgegriff des paramilitärischen und institutionellen Terrorismus nicht überwinden.

Freiheit für die Kämpferin Daniela Klette

Jeder Winkel der Erde, eine Festung für jeden verfolgten Kämpfer

Dimitris Chatzivasileiadis

Domokos Gefängnis

Rede der Roten Hilfe International an die Demonstrant:innen vor dem Gefängnis in Vechta

Liebe Genoss:innen,

Das Echo der Verhaftung von Daniela Klette und der Reaktionen, welche die Verhaftung provoziert hat, war groß.

Diese jahrzehntelange Klandestinität in einem Staat, dessen Polizei über so viele Mittel verfügt und die diesen Fall zu einer Priorität machte, ist eine herausragende Leistung. Eine solche Klandestinität ist quasi stellvertretend der Stolz der gesamten revolutionären Bewegung und erteilt ihr eine Lektion in Sachen Intelligenz, Methode und Entschlossenheit.

Die Anzahl der Demonstrationen der Sympathie mit Daniela, Ernst-Volker und Burkhard zeigt, dass dieses Gefühl von vielen geteilt wird, was die Vertreter des Regimes umso wütender macht. Über die RAF-Untergetauchten hinaus haben viele andere Genoss:innen die schwierige und mutige Entscheidung getroffen, unterzutauchen, anstatt sich der Klassenjustiz zu unterwerfen oder mit ihr zu verhandeln. Dies ist der Fall bei vielen Antifaschist:innen, die wegen verschiedener Fälle (Antifa Ost, Budapest) verfolgt werden.

Auch diese gesuchten Genossinnen und Genossen müssen geschützt und in jeder Hinsicht unterstützt werden. Ihr Kampf gegen den Faschismus ist ein zentraler Kampf in dieser historischen Periode der Krise und des Krieges, und zwar von Berlin bis Diyarbakir. Die Antifa-Bewegung hat klar erkannt, dass der Kampf gegen den Faschismus – vom institutionellen Faschismus mit weißem Kragen bis hin zu den Neonazi-Milizen – wieder zu einer zentralen Frontlinie geworden ist.

Die Strukturen des Systems – Politik, Polizei, Justiz und Medien – wollen diese antifaschistische Dynamik wie auch jede andere Dynamik des Widerstands brechen, denn im Widerstand wird die revolutionäre Perspektive geschmiedet.

Die Tatsache, dass Daniela sofort in totale Isolationshaft gesteckt wurde – dieselbe Isolationshaft, die sich gegen Alfredo Cospito, Nadia Lioce und andere Brigadisten richtet, die in den Sondersektionen festgehalten werden – ist ein weiterer Beweis für diese Absicht. Dieser Hetze müssen wir unsere Solidarität entgegensetzen. „Solidarität zu einer Waffe machen“ ist ein Programm, kein Slogan.

In diesem Sinne hat die Rote Hilfe International heute zu einem internationalen Aktionstag aufgerufen.

Stärke und Solidarität für Ernst-Volker, Burkhard und die Antifas, die im Untergrund Widerstand leisten.

Freiheit für alle revolutionären, antifaschistischen und antiimperialistischen Gefangenen.

Freiheit für die Gefangene des palästinensischen Widerstands, die in zionistischen Gefängnissen gefoltert werde.

Freiheit für alle Völker, die sich mit Faschismus und Kolonialismus konfrontiert sehen, in

Palästina, Kurdistan und auf der ganzen Welt.

Es lebe die internationale Solidarität.

Rote Hilfe International

Einiges zur Situation von Daniela Klette

Seit Danielas Festnahme am 26.2.24 wird über sie nur Hetzerisches in den bürgerlichen Medien verbreitet. Zu ihren drakonischen Haftbedingungen, die bis zirka Mitte April andauerten, gibt es bisher nur eine authentische öffentliche längere Stellungnahme: Ein Interview mit ihrem Anwalt Lukas Theune, das in der jungen Welt am 27.3. veröffentlicht wurde.

„Sie wird in der Zelle videoüberwacht, darf nur allein in den Hof und wird von allen Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschlossen. […] Sogar der Besitz eines Kugelschreibers wird ihr untersagt, weil das angeblich ein gefährlicher Gegenstand sei. Seit zwei Wochen hat sie ein junge Welt-Abo – nicht eine Zeitung wurde ihr bislang ausgehändigt. Sie wird in der Zelle videoüberwacht, darf nur allein in den Hof und wird von allen Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschlossen. Vor ihrem Fenster ist ein Metallblech, das ihr das natürliche Licht nimmt. […] Sie wurde nicht misshandelt.“

Es stimmt zwar, dass Daniela bisher nicht der roten, blutigen Folter ausgesetzt wurde, aber die Isolationshaft ist auch Folter. Diese Isolation wird auch „weiße Folter“ genannt, weil sie keine sichtbaren physischen Spuren am Körper hinterlässt: Sensorische Deprivation und soziale Isolation, die auf das Aushungern der Seh-, Hör-, Riech-, Geschmacks- und Tastorgane abzielt und dadurch zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann.

Ähnliche Bedingungen haben in Italien der Anarchist Alfredo Cospito, Nadia Lioce und weitere Mitglieder der Stadtguerillagruppe von den Roten Brigaden.

Auf dieses Interview hat vor allem Kellerhof in der Welt vom 5.4.24 ausführlich und aggressiv reagiert in „Die ‚Isolationshaft‘ der RAF und die Wirklichkeit“; „Wieder beschwert sich ein Terroristenanwalt über die Haftbedingungen seiner Mandantin, […] In den 1970er-Jahren […] linke Juristen mit ähnlichen Behauptungen“. Neben der Leugnung der Vernichtungshaft wird ihr Verteidiger als „Terroristenanwalt“ und auch Solidaritätsstrukturen wie die Rote Hilfe angegriffen. Dieses Pamphlet dient zur Kriminalisierung und Einschüchterung gegen alle, die sich für Daniela engagieren.

Ende der siebziger Jahre war das nicht anders: Es wurden zirka 40 Genoss:innen aus dem Widerstand verhaftet. Darunter auch drei Anwälte von den Gefangenen aus der RAF, Klaus Croissant, Armin Newerla und Arndt Müller, die zu Gefängnisstrafen bis zu 4 Jahren und 8 Monaten verurteilt wurden und gegen die anschließend ein Berufsverbot verhängt wurde.

Ziele dieser Eingriffe in das Verteidigungsrecht waren erstens, die Isolation der politischen Gefangenen zu verschärfen: Diese wurden einer der wenigen ihnen verbliebenen Kommunikationsmöglichkeiten beraubt; zweitens, eine politische Verteidigung zu unterbinden und drittens zu verhindern, dass die staatlichen Maßnahmen gegen die Gefangenen an die Öffentlichkeit gelangten (1).

Auch heute werden engagierte Anwält:innen vom Gericht und Anklagebehörde vor allem in § 129b-Verfahren angegriffen. Aktivist:innen, die Öffentlichkeit zu den Weggesperrten herstellen, sogar verurteilt.

Richter bestätigt strenge Haftbedingungen für Daniela Klette (zeitonline 5.4.)

„… Demnach muss Klette im Gefängnis weiterhin streng abgeschieden von anderen Gefangenen bleiben. Auch die Videoaufzeichnung im Haftraum sei zulässig, teilte ein Sprecher des Amtsgerichts Verden zu der Entscheidung mit. Klette sei in der JVA Vechta von anderen Häftlingen getrennt.… Die JVA sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine erhöhte Fluchtgefahr bestehe, gab eine Sprecherin des niedersächsischen Justizministeriums an. Das Gericht habe das bestätigt. Den Angaben der Sprecherin zufolge unterscheidet Klette von anderen Beschuldigten in Untersuchungshaft, dass sie „mutmaßlich Mitglied der dritten Generation der RAF war und in dieser Funktion auch 30 Jahre im Untergrund gelebt hat“. Ein weiterer Grund sei, dass die Beschuldigte „aus gewissen Szenen“ nach wie vor eine große Solidarität erfahre oder ihre Freilassung gefordert werde. Zudem drohe Klette im Falle einer Verurteilung eine „nicht ganz unerhebliche Freiheitsstrafe“.

Die Herrschenden registrieren also sehr genau die solidarische Öffentlichkeitsarbeit. Die RHI (Rote Hilfe International) fordert deswegen auch, dass wir „dieser Hetze … unsere Solidarität entgegensetzen.“

Das heißt für uns, immer die Strategie der Klassenjustiz transparent machen, den Spieß umdrehen und sie politisch denunzieren, sie zurück drängen und somit die Freiheit von Daniela erkämpfen.

Ausageerpressung

„Allerdings wurde ihr direkt gesagt, dass sie besser kooperieren und die Fahndung unterstützen solle, weil sie sich doch auch kein »zweites Bad Kleinen« … wünschen würde.“ (RA Theune)

Dieser Punkt ist von uns allen bisher noch nicht richtig aufgegriffen worden. Damals wurde am 27. Juni 1993 in Bad Kleinen Birgit Hogefeld von der RAF festgenommen und der Genosse Wolfgang Grams ermordet. Es gab Zeug:innen, die aussagten, gesehen zu haben, dass Wolfgang von einem GSG-Mann auf dem Gleis liegend aus nächster Nähe erschossen bzw., regelrecht hingerichtet wurde.

Daniela lässt sich aber davon weder abschrecken noch erpressen und bleibt standhaft.

Ziel dieser Folter ist es auch, Inhaftierte zum Sprechen bzw. Abschwören zu bringen oder zu versuchen, sie als entpolitisierten Marionetten vorzuführen.

Wir weisen in diesem Zusammenhang auf Klaus Jünschkes Text “Isolationshaft ist Folter“ hin, den wir dieser Ausgabe auch veröffentlichen.

Erfolge unsere Solidaritätsarbeit

Es gibt endlich nach zirka sieben Wochen ein paar Hafterleichterungen für Daniela.

„Wir gehen davon aus, dass die Hafterleichterungen erfolgt sind, durch die öffentlichen Statements, durch den Rechtsanwalt und auch durch unsere verschiedenen auch internationalen Solidaritätsaktionen (Aktionstag der RHI), wie die Kundgebungen vor dem Knast in Vechta. ….Allerdings läuft der Briefverkehr weiterhin sehr schleppend. Und auch die Besuchsanträge werden auf die lange Bank geschoben.“ (Gruppe: Solidarität mit Daniela)

Christa Eckes, ehemalige Gefangene aus der RAF und nach ihrer Haftentlassung 2012 gestorben, schrieb zur Funktion von Zensur Ende der achtziger Jahre:

„und außerdem bildet sich darin, wie sie damit verfahren, auch immer was von der allgemeinen politischen situation und kräfteverhältnis ab. die gefangenen sind eben immer greifbar, und manipulationen bei brieflichen kommunikation sind ein einfaches und einschneidendes mittel gerade unter den bedingungen der isolation.“ (Seite 21/22)

Damit weist sie aber nicht nur auf die Repression, sondern auch auf die Stärke des Widerstands hin!

Zensur wird aktuell hier vor allem gegen Andrea Krebs und Gefangene aus Exil Strukturen, die wegen § 129b inhaftiert sind, praktiziert.

Zensur hat also eine lange Geschichte, wir sollten uns drinnen wie draußen, davon nicht abschrecken lassen. Nur im Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse ist eine Kommunikation ohne Zensur möglich!

Fahndung läuft nach Danielas Festnahme auf Hochtouren weiter

Nach der Verhaftung von Daniela wird jetzt noch gegen vier Personen wegen RAF-Mitgliedschaft gefahndet: Öffentlich nach Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Volker war in den ’80er Jahren in der RAF organisiert und dafür von 1984 bis 1988 eingesperrt. Burkhard hat damals in den besetzten Häusern der Hafenstraße in Hamburg gelebt. Daniela und Volker waren auch oft da und haben sich häufig an politischen Diskussionen beteiligt. Sie haben sich dann etwa um 1990 der Überwachung entzogen und waren somit für die Cops nicht mehr greifbar und sollen sich dann der RAF angeschlossen haben. Spätestens seit Anfang 2016 gab es eine intensive öffentliche Fahndung im In- und sogar Ausland nach ihnen.

Warum dieser Aufwand?

„Geldbeschaffungsaktionen machen auch viele Andere“ bemerkte die „Zeit“ am 2. Juni 2016. Dass das aber nicht so hohe mediale und polizeiliche Wellen schlägt, hat damit zu tun, dass das Trio mit der ehemaligen RAF in Verbindung gebracht wird. Bekanntlich hat sich die RAF 1998 aufgelöst. Ein Grund der Beharrlichkeit seitens der Herrschenden sind viele ungeklärte Aktionen der RAF, die mit den dreien in Verbindung gebracht werden:

1990 die Schüsse auf die US-Botschaft in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn anlässlich des ersten Golfkrieges.

1991 den Angriff auf den Vorsitzenden der Berliner Treuhand Detlev Karsten Rohwedder, der für die Abwicklung der Betriebe der DDR zuständig und somit für die massenhafte Entlassung von den dortigen Werktätigen verantwortlich war.

1993 die Sprengung des noch nicht fertiggestellten Knastes in Weiterstadt mit einem Schaden von ca. 90 Millionen D-Mark, der die Fertigstellung des Knastes dadurch um 4 Jahre verzögerte.

Die herrschende Klasse will vor allem die vermeintlich Verantwortlichen für diese Aktionen festnehmen, die über 30 Jahre zurückliegen.

Deshalb wird Daniela auch von der höchsten Anklagebehörde, der Bundesanwaltschaft, angeklagt:

a. Angriff auf das Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank 1990

Nach der Attacke am 30.11.89 durch das Kommando Wolfgang Beer der RAF gegen Alfred Herrhausen, dem Chef der Deutschen Bank, der damals stärksten europäischen Bank und engem Berater des damaligen Bundeskanzlers Kohl, gab es laut taz vom 5.3.90 einen gescheiterte Angriff auf das Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank in Eschborn von der „Kämpfenden Einheit Febe Elisabeth“. Ihre Erklärung begann mit den Zeilen: „Es ist die Macht der Banken und Konzerne, gegen die wir uns durchsetzen müssen …“

Febe Elizabeth Velásquez aus El Salvador war Gewerkschafterin. Sie wurde durch einen Bombenanschlag auf ein Gewerkschaftsgebäude ermordet. Die Befreiungsbewegung FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí) hatte 1989 eine Offensive nach ihr benannt.

b. Aktion auf die Bonner US-Botschaft 1991 während des 1. Golfkrieges

Die RAF erklärt dazu:

„SOLIDARITÄT MIT DEN VÖLKERN IM NAHEN OSTEN GEGEN DIE IMPERIALISTISCHE VERNICHTUNG UND UNTERWERFUNG!

SOFORTIGER STOPP MIT DEM VÖLKERMORD AM IRAKISCHEN VOLK!

wir haben heute (5.2.91) ,die botschaft der usa in bonn beschossen, weil die usa im vernichtungskrieg gegen das irakische volk von anfang an die führungsrolle übernommen haben. mit unserer aktion stellen wir uns in eine reihe mit all denen, die rund um den globus gegen diesen us-nato-völkermord aufgestanden sind.“

Zur Rolle der BRD:

„die bundesregierung ist sich der tatsache bewusst, dass grossdeutschland nicht allein aus der ökonomischen potenz des brd-kapitals zur neuen weltmacht werden kann.

das vierte reich braucht dafür die losgelassene militärmaschine genauso dringend, wie schon die nazis sie gebraucht haben. die interessen des deutschen kapitals sollen nach 45 jahren endlich wieder mit der ganzen brutalität der kriegsmaschinerie durchgesetzt werden können. dafür laufen zur zeit alle vorbereitungen…“

Auch damals gab es schon parallel zu diesem Krieg Genozide in anderen Ländern:

„israel und die türkei nutzen diesen völkermord gegen das irakische volk, um krieg und terror gegen das palästinensische und das kurdische volk zu verstärken. das türkische regime

  • unterstützt von bundeswehr und andern nato-truppen – bombardiert kurdische dörfer und hat im grenzgebiet tausende menschen umgebracht; israel bombardiert wieder palästinenser-lager im süd-libanon und terrorisiert die bevölkerung in den besetzten gebieten.

der zionistische staat will die palästinenser endgültig aus den besetzten gebieten vertreiben“

Die Kriegsgegner:innen werden auf allen Ebenen nicht nur vom Staat bekämpft:

„die waffe der psychologischen kriegführung, mit der von der bundesregierung bis zur staatstragenden linken all die als rassisten und antisemiten denunziert werden, die gegen diesen völkermord aufgestanden sind, muss stumpf gemacht werden….“

Kriege können nur im Zusammenhang mit dem imperialistischen System begriffen werden

„denen, die in den letzten wochen gegen diesen krieg – für den frieden auf die strasse gegangen sind, wollen wir sagen: ihr müsst euch damit auseinandersetzen, dass imperialistischer krieg in der logik des imperialistischen systems liegt…..“

Beim Lesen dieser Zitate wird deutlich, wie aktuell diese noch sind. Sie sollten deshalb auch diskutiert und es sollte überlegt werden, was davon auch nach über 30 Jahren noch zu trifft.

https://socialhistoryportal.org/raf/text/307201

c. Angriff auf Gefängnis in Weiterstadt

Am 27. März 1993 sprengt das RAF-Kommando Katharina Hammerschmidt den fast fertigen Knast-Neubau von Darmstadt-Weiterstadt in die Luft. Es gab keine Verletzten:

„(…)der weiterstädter knast steht exemplarisch dafür, wie der staat mit den aufbrechenden und sich zuspitzenden widersprüchen umgeht: gegen immer mehr menschen knast, knast, knast – und er steht als abschiebeknast für die rassistische staatliche flüchtlingspolitik. in seiner technologischen perfektion von isolation und differenzierung von gefangenen menschen ist er modell für europa. FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN! FÜR EINE GESELLSCHAFT OHNE KNÄSTE! (…)“ http://www.labourhistory.net/raf/read.php?id=0019930330

Katharina Hammerschmidt wurde wegen Unterstützung der RAF gesucht und stellte sich1972. Sie starb 1975 kurz nach ihrer Entlassung aus der Haft. Trotz eindeutiger Röntgenfotos hatten die Knastärzt:innen einen Tumor „übersehen“, für dessen erfolgreiche Behandlung es nach ihrer Entlassung zu spät war. Auch heute müssen wir zusammen mit schwer erkrankten Gefangenen, wie z.B. Andreas Krebs und dem Grup Yorum Mitglied İhsan Cibelik um eine angemessene medizinische Behandlung kämpfen.

Wie wird es bei Daniela prozessual weitergehen?

Ihr Anwalt meint „Wahrscheinlich ist, das es zunächst zu einer Anklage wegen Raubes vor dem Landgericht Verden an der Aller kommt. Aber in die Abstimmungen unter den beiden Staatsanwaltschaften (Staatsanwaltschaft Verden und Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, jW) werden wir natürlich nicht eingebunden.“

Hetze und Repression ist nur durch gemeinsames Handeln zu stoppen

Zusätzlich ist es für diesen Staat ein Affront, wie die Rote Hilfe International es auch feststellte, dass einige Genoss:innen, die mit der 1998 aufgelösten Stadtguerilla RAF in Verbindung gebracht werden, immer noch seit 1990 frei herumlaufen wie Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub.

„Diese jahrzehntelange Klandestinität in einem Staat, dessen Polizei über so viele Mittel verfügt und die diesen Fall zu einer Priorität machte, ist eine herausragende Leistung. Eine solche Klandestinität ist quasi stellvertretend der Stolz der gesamten revolutionären Bewegung und erteilt ihr eine Lektion in Sachen Intelligenz, Methode und Entschlossenheit..

Die Anzahl der Demonstrationen der Sympathie mit Daniela, Ernst-Volker und Burkhard zeigt, dass dieses Gefühl von vielen geteilt wird, was die Vertreter des Regimes umso wütender macht.“ (RHI)

Beispiel dazu:

„Im Zuge der Verhaftung der mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette kam es in Berlin zu einer Demonstration mit 600 Teilnehmern. Mit einem Marsch durch den Stadtteil Kreuzberg wurde gegen den „Staatsterrorismus“ und für die „Solidarität mit den Untergetauchten und Gefangenen“ demonstriert. Diese Demonstrationen machten zugleich ein aktives und weitreichendes internationales Netzwerk sichtbar, und die fließenden Übergänge von linksradikalen Gruppierungen zum gesellschaftlich etablierten Antifaschismus.

Radikalisieren sich unter diesem Deckmantel linke Gruppierungen und wird dann eine vierte Generation RAF aktiv?“ (https://www.focus.de/experts/alarmierende-signale-bruetet-berlin-eine-vierte-generation-des-brutalen-raf-terrorismus-aus_id_259760253.html)

Deshalb gab es mindestens einen Einschüchterungsversuch gegenüber einem Teilnehmer von der Solidaritätsdemonstration für Daniela Klette. Am 2. April wurde ein Genosse in Kreuzberg auf offener Straße von Zivilbeamten gepackt und auf eine Polizeiwache in Neukölln verschleppt. Er wurde dort sechs Stunden lang festgehalten und ihm wurden ein Telefonat sowie Wasser verweigert. Der Genosse sagte nichts, denn darauf gibt es nur eine Antwort: Anna und Arthur halten’s Maul! Auch Ariane Müller, die Anmelderin der Knastkundgebungen in Vechta für Daniela, steht besonders im repressiven Rampenlicht: Nicht nur durch die Bullen und Medien, sondern durch die Kapitalisten. Sie wurde wegen ihres Engagement als freigestellte Betriebsrätin, vom Betriebsrat entlassen und zusätzlich distanzierten sich dieser von ihr. Auch prüft die Geschäftsführung des Klinikums Bremen-Mitte nach eigenen Angaben mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen für Ariane (Siehe Interview mit Ariane in diesem Heft).

Zu erwähnen ist auch, das anlässlich der Fahndung nach Burkhard Garweg auf einem Berliner Wagenplatz in Berlin geschossen wurde. Wir erinnern daran, dass Daniela bei mangelnder Kooperation mit einem tödlichen Fahndungseinsatz wie in Bad Kleinen gedroht wurde. Zusätzlich erinnern wir auch daran, dass viele Polizeieinsätze gegen Geflüchtete oder kranke Menschen tödlich ausgingen.

Die „Menschenjäger und Schreibtischtäter“, wie sie von der Band Ton Steine Scherben bezeichnet wurden, werden solange keine Ruhe geben, bis alle gefasst sind. Es soll ein Signal sein: leistet keinen Widerstand gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen in diesem System, wir kriegen euch alle, wann auch immer.

Trotz aller dieser Hetze, Einschüchterung und Repression ist die Solidarität für Daniela bisher nicht zu brechen!

Klandestinität wird heute auch von Antifaschist:innen praktiziert

„Über die RAF-Untergetauchten hinaus haben viele andere Genoss:innen die schwierige und mutige Entscheidung getroffen, unterzutauchen, anstatt sich der Klassenjustiz zu unterwerfen oder mit ihr zu verhandeln. Dies ist der Fall bei vielen Antifaschist:innen, die wegen verschiedener Fälle (Antifa Ost, Budapest) verfolgt werden.“ (RHI)

Verschärfte Unterdrückung ist auch Ausdruck der Widersprüche und Krise des Systems

Das machen wir daran fest, dass die Militarisierung und die Ausbeutung der Arbeiterklasse weiter auf allen Ebenen voranschreitet: Dabei wird auf Kosten des Proletariats gespart, um die BRD kriegstüchtig zu machen. Um das zu legitimieren, werden auch alte NSDAP-Reden über „Butter und Kanonen“ ausgepackt. Gegen diese Lohneinbußen gab es diverse Streiks, die selbst von gelben Gewerkschaften mitgetragen wurden, damit ihre Basis auch ruhig bleibt. Sie wurden geführt, weil die Arbeiterklasse die Verschlechterung ihre Lage tagtäglich mitkriegt. Diese Unzufriedenheit in Klassenkampf um zu wandeln, ist unsere Aufgabe! Die Herrschenden sehen diese Gefahr für sich und wollen deswegen das Streikrecht noch weiter einschränken.

Spätestens nach den Aktionen des palästinensischen Widerstands im Oktober gegen das zionistische Israel wird im ‚Herzen der Bestie‘ gegen den anti-imperialistischen Widerstand für Palästina Counterinsurgency angewendet, davon ist auch die Solidarität für Daniela betroffen.

Dieser Begriff wird vom Pentagon so definiert: „Diejenigen militärischen, politischen, ökonomischen, psychologischen und zivilen Handlungen, die von der Regierung durchgeführt werden, um subversiven Aufruhr zu zerschlagen“.

Zu unterschiedliche Einschätzungen

Für einige steht angeblich fest, dass die RAF eine Niederlage erlitten hätte. So ähnlich äußert sich ein ehemaliger Militanter aus dieser Organisation in der jungen Welt und fordert deshalb Amnestie. Klar sind wir auch für die Freiheit von Daniela, aber mit Amnestie verbinden wir Aufgabe des Antagonismus, Kapitulation. Trotz der Selbstauflösung der RAF 1998 sind die Kämpfe überall auf der Welt weitergegangen.

Kein neuer „Deutscher Herbst“: Eine Wiederholung aus dem Jahre 1977 stimmt nicht, weil diese „Terrorgesetze“ in diesem Jahrhundert verstärkt gegen kurdische und türkische Organisationen angewandt worden sind: z.B. gegen Gefangene, denen Mitgliedschaft wegen PKK und DHKP-C vorgeworfen wird.

Für uns war der „Deutsche Herbst“ nicht nur Ausdruck staatlicher Allmacht, sondern es war auch eine Offensive der RAF, um ihre inhaftierten Genoss:innen zu befreien. Der Kampf ging nach ‘77 auf jedem Fall weiter, denn der Widerstand gegen diese Verhältnisse, lässt sich nie unterdrücken!

Der 2008 verstorbene Schriftsteller Christian Geissler, der der RAF immer solidarisch verbunden war, schrieb zur Auflösung der RAF:

„[…] Im Übrigen: Die Geschichte des bewaffneten Kampfes ist nach ’77 – und auch nach ’89 – und auch nach ’92 – und auch nach ’98 so wenig zu Ende wie die Geschichte der internationalen Klassenkämpfe. Für diese Treue im historischen Prozess sorgt das herrschende System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das ist, mitten in der Scheiße, schön. Der Mensch, das ist seine Schönheit, läßt sich auf die Dauer nicht erniedrigen und beleidigen.“ (3)

Für uns heißt das: Überall auf der Welt werden Kämpfe gegen den US-Imperialismus, BRD, NATO, EU usw. geführt. Der Imperialismus ist angreifbar und deshalb nur ein „Papiertiger“!

Wie weiter konkret:

Für uns ist es wichtig, dass wir uns weiterhin solidarisch zu Daniela verhalten, damit sie bessere Bedingungen erhält und wir können das erreichen, wenn wir auch Bezüge zu den heutigen Kämpfen herstellen:

Revolutionäre Geschichte aneignen und vermitteln

Weg mit den Paragrafen 129

Aussageverweigerung

Isolationsfolter …

So werden deshalb weitere Veranstaltungen in verschiedenen Städten statt finden und für den Monat Juni ist eine weitere Knastkundgebung in Vechta geplant.

Literaturhinweise:

(1) Bakker Schut, Stammheim137ff.

(2) Briefwechsel zwischen Christa Eckes und Hüseyin Çelebi Seite 21/22

(3) Einführung in die Geschichte der RAF

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen

Hallo!

ich bin xanthippe. ich begrüße und grüße die kundgebung zur „solidarität mit daniela“.

es ist wichtig, sie als politische gefangene nicht allein zu lassen und darauf aufmerksam zu machen, welchen repessionen sie im knast ausgesetzt ist durch schallisolation, hofgang ganz alleine, wenn die sonne noch nicht scheint, gitterfenster, durch die sie die sonne nie sieht, vorenthaltung von briefen und broschüren, die ihr geschickt werden………..

sie darf keinen kuli besitzen, weil er als gefährlich angesehen wird, sie wird als sehr fluchtgefährlich eingestuft,………..

obwohl die mitgliedschaft in der RAF für sie verjährt ist, wird sie zu den haftbedingungen der RAF, aber auch anderer linkspolitischen gefangenen interniert und daran hat sich offenbar in den letzten 50 jahren nix geändert!

diese kundgebung wird für daniela sicher eine stärkung ihrer kampfkraft und des widerstands gegen die knastschikanen sein und ich hoffe, daß es sehr viel mehr menschen als bei der ersten kundgebung gibt, die ihre solidarität direkt vor ort ihrer inhaftierung auf die straße tragen und natürlich, daß daniela davon auch im knast was mitkriegt!

also seid laut!!

und es ist ganz wichtig, ihr zu schreiben, denn daniela hat gesagt, daß die sonne für sie aufgeht, wenn sie briefe von uns liest!

und wenn sie gemeinerweise die post nicht ausgehändigt bekommt, sehen wenigstens die, die sie mit repressionen übeziehen, daß wir sie keineswegs vergessen haben!!

FREIHEIT FÜR ALLE LINKSPOLITISCHEN GEFANGENEN!

POWER DURCH DIE (KNAST)MAUER, BIS SIE BRICHT!!

Betriebsrätin nach Anmeldung einer „Solidarität mit Daniela“ Kundgebung beurlaubt

(agf) Vor einigen Monaten startete die massive Hetzkampagne gegen die drei ehemaligen Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) Ernst-Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette. Nach einer Hausdurchsuchung in Berlin wurde Daniela Klette festgenommen, sie befindet sich seitdem in Untersuchungshaft in Vechta.

Zum Tag der politischen Gefangenen gab es eine Soli-Kundgebung vor der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta. Wie später von den Bremer Medien geoutet, wurde diese von der Pflegefachfrau Ariane angemeldet. Nach dem Outing durch die Medien haben sich der Betriebsrat, in dem Ariane tätig ist, von ihr distanziert und sie aus der sogenannten„Freistellung für den Betriebsrat“ entlassen. Daraufhin wurde sie durch den Klinikverbund „Gesundheit Nord“ (Geno) beurlaubt. Die Verfolgungen und Einschüchterungen rund um die Fahndungen nach ehemaligen RAF-Mitgliedern nimmt nun vollends groteske Züge an. Wir haben mit Ariane über ihre Situation gesprochen.

Was bedeutet genau „freigestellte Betriebsrätin“?

Freigestellte Betriebsrätin bedeutet, dass ich die ganze Zeit für den Betriebsrat arbeite, also mich während meiner Arbeitszeit für die Kolleg_innen und ihre Anliegen einsetze. Das heißt auch, dass ich nicht mehr am Patient_innenbett arbeiten müsste. Ich arbeite jedoch zwei bis vier Nächte auf meiner Station am Patient_innenbett, einfach um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren. Ich habe einen Vertrag von der GENO, das heißt, diese Betriebsratsarbeit wird vom „Arbeitgeber“ bezahlt.

Du musstest erst aus der Freistellung für den Betriebsrat entlassen werden, bevor die Beurlaubung vom „Arbeitgeber“ möglich war. Klingt nach einem abgekarteten Spiel zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung. Was bedeutet die Entlassung aus der Freistellung für dich und wie schätzt du das Zusammenspiel von Betriebsrat und Geschäftsführung ein?

Als freigestellte Betriebsrätin kann mich der „Arbeitgeber“ nicht von der Arbeit freistellen oder beurlauben, weil ich von den Beschäftigten gewählt worden bin. Der Betriebsrat musste mich erst aus der Freistellung abwählen. Sie können mich nicht freistellen als normale Betriebsrätin, das geht nicht. Als aus den Medien bekannt wurde, dass ich die „Solidarität mit Daniela“ Kundgebung angemeldet hatte, hat der Betriebsrat sofort die Geschäftsleitung aufgefordert, gegen mich vorzugehen. Am Tag darauf gab es eine Sondersitzung, um mich als freigestellte Betriebsrätin abzuwählen. Und kurze Zeit später wurde ich von der Geschäftsleitung auch für die Arbeit am Patient_innenbett beurlaubt. Was heißt das nun für meine gewerkschaftliche Arbeit? Wir haben jeden Mittwoch Betriebsratssitzung, da darf ich noch hin, an den übrigen Tagen darf ich das Krankenhaus nicht betreten, ich darf auch am Mittwoch keinen Kontakt zu den Beschäftigten aufnehmen, mir haben sie die E-Mail-Adresse gesperrt und anfangs habe ich die Tagesordnung für die kommenden Sitzungen nicht mehr bekommen. Das heißt, ich konnte meine Arbeit auch als einfache Betriebsrätin nicht mehr erfüllen. Für mich kommt das einem Berufsverbot gleich und das ist ein Skandal. Es ist offensichtlich; der Betriebsrat und die Geschäftsleitung haben da Hand in Hand zusammengearbeitet.

Du bist auch in der unabhängigen Betriebsgruppe „uns reicht’s“, welche sowohl dem Betriebsrat wie auch der Geschäftsführung ein Dorn im Auge ist, warum?

Die unabhängige Betriebsgruppe „uns reicht‘s“ gibt es schon seit 2005. Wir haben damals gemerkt, dass der Betriebsrat und die Geschäftsleitung ein Klüngel sind, das wollten wir nicht. Wir haben 2021 in einer Betriebsratssitzung angemeldet, dass wir eine Listenwahl beantragen und mit „uns reicht‘s“ antreten wollen. Da brach ein richtiger Shitstorm über mich herein. Sie haben versucht mich bei den Beschäftigten schlecht zu reden und ich wurde bei der Direktion angeschwärzt, ich würde mit den Arbeitszeiten schummeln. Weiter wurde versucht, mich dabei zu hindern, Kolleg_innen bei Gesprächen mit Vorgesetzten zu begleiten. Die Direktion hatte mich daraufhin im Dezember 2021 von meiner Arbeit freigestellt. Da haben wir uns natürlich gewehrt, und sie mussten das innerhalb weniger Tage zurücknehmen. Sie versuchten weiterhin mich zu verteufeln, aber im März 2022 zeigte die Listenwahl, dass wir die meisten Stimmen hinter uns hatten. Sie haben Angst vor mir, weil sie genau wissen, dass ich mich wirklich für die Kolleg_innen einsetze. Als das jetzt aufkam mit der Anmeldung der Demo für Daniela Klette, nahmen sie das zum Anlass mit endgültig los zu werden. Ich bin einfach zu unbequem.

Wofür genau steht die Liste „uns reicht‘s“? Was sind eure Anliegen, Forderungen?

Die Liste „uns reicht‘s“ steht zum Beispiel dafür ein, dass die ausgelagerten Tätigkeiten, welche von der Tochterfirma GND übernommen wurden, rückgeführt werden, in die GENO. Es handelt sich hier um Tätigkeiten in der Reinigung und am Empfang, welche unter massiv schlechteren Bedingungen an die Tochterfirma GND ausgelagert wurden.

Eine Beurlaubung für eine politische Aktivität in deiner Freizeit, die ja auch absolut nichts mit dem Krankenhaus Betrieb zu tun hat, ist nicht rechtens. Wie gehst du dagegen vor?

Es gibt zwei Optionen; ich kann mit meiner Anwältin rechtlich dagegen vorgehen. Die Gegenseite hat bereits eingeräumt, dass ich nichts falsch gemacht habe und das Krankenhaus nicht mit der Kundgebung in Zusammenhang gebracht habe, sondern, dass das von anderen Leuten ausging. Sie haben also nichts in der Hand gegen mich. Der „Arbeitgeber“ hat mir daher eine „einheitliche Vertragsauflösung“ angeboten mit einer Abfindung. Ich bin 70 Jahre alt und kann nicht mehr ewig arbeiten, darum überlege ich mir jetzt schon ernsthaft die Abfindung anzunehmen, falls das Angebot stimmt.

Du bist ja auch nicht nur gewerkschaftlich tätig, sondern auch noch anderweitig aktivistisch unterwegs. Wenn du offiziell in Pension gehst, dann wirst du mehr Zeit haben für andere politische Arbeit.

Genau, mich haben schon zahlreiche Gruppen angefragt, ob ich nicht bei ihnen für eine Veranstaltung vorbeikommen kann und über meine Sache, aber immer im Zusammenhang mit Daniela, zu sprechen. Es ist wichtig diese Kämpfe und die Repression dagegen nicht getrennt voneinander zu sehen, gerade im Hinblick auf die aktuelle, internationale Lage. In Berlin wird versucht, die deutsche Bevölkerung kriegstüchtig zu machen, ich brauche nur die Konflikte Palästina / Gaza zu erwähnen. Es brennt überall. Dass sie gegen uns rigoros vorgehen, hat damit zu tun. Sie wollen ein ruhiges Hinterland und gehen gegen jeglichen Widerstand vor. Es ist wichtig dem etwas entgegen zu setzen.

An deinem Beispiel sieht man ganz gut, wie auf allen Ebenen versucht wird einzuschüchtern und Widerstand zu brechen.

Ja, die dachten, dass ich jetzt einknicke und die Kundgebung vom 14. April zurückziehe. Aber nein, ich lasse mich nicht verkaufen!

Solidarität ist unsere Waffe.

Interview geführt vom Revolutionärer Aufbau Schweiz

Redebeitrag des Kommunistischen Aufbaus zur Kundgebung am 14.04.2024 vor dem Frauenknast in Vechta in Solidarität mit Daniela Klette:

Vor über 2 Monaten ging bei der Polizei in Wuppertal ein Anruf ein, dass einer der Untergetauchten RAF-Genossen mit im Regionalzug säße. Mehrere Stunden wurde der gesamte Wuppertaler Hauptbahnhof abgeriegelt und die Bahngäste direkt mit eingesperrt. Dann stürmte das SEK vollvermummt diesen Zug, aber schon nach ein paar Minuten war klar, dass der Festgenommene zum Glück nicht der Genosse war.

Diese Aktion steht beispielhaft für die Hetzkampagne gegen Klette, Garweg und Staub. Aber auch in welcher Situation wir uns in Deutschland im allgemeinen gerade befinden: Auf allen Ebenen baut der deutsche Staat seine Repression weiter aus – vorgestern erst stürmten 2.500 Bullen den Palästina-Kongress in Berlin.

Auf juristischer Ebene, in den Medien, aber auch direkt auf der Straße wird unsere Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. Mit der Palästina-Bewegung in den letzten Monaten konnten wir das wirklich sehr gut sehen: Es reicht dem deutschen Staat schon, dass jemand die Parole „from the river to the see – palestine will be free“ ruft oder eine Palästina-Fahne trägt, um drauf los zu knüppeln.

Auf der Straße also, aber auch in den Schulen, Unis und den Betrieben, werden wir immer weiter eingeschränkt. In den Schulen wurde es teilweise verboten Pali-Tücher zu tragen. In Berlin ist es bald möglich, politisch aktive Studierende zu exmatrikulieren und von der Uni zu werfen Auch die Repression, die die Genossin in ihrem Betrieb erleidet, eben weil sie diese Kundgebungen angemeldet hat, spricht Bände.

Wir sind heute hier, da der Spruch „ Getroffen hat es eine – gemeint sind wir alle“ nicht nur irgendeine Phrase ist. Getroffen hat es die Genossin Daniela, aber die Haftbedingungen, die Überwachung, die Isolationsfolter, die sie jetzt durchstehen muss, die wird auch uns treffen, wenn wir weiter Widerstand leisten. Als Kommunist:innen, als politisch Aktive, als Revolutionär:innen ist es unbedingt unsere Pflicht Solidarität zu üben. Wir müssen uns gegen diese Angriffe auf unsere gewährten Freiheiten werfen und verstehen, dass das was Daniela passiert, uns alle betreffen kann.

Freiheit für Daniela Klette

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Grußwort von Andreas Krebs zur Kundgebung in Vechta

Liebe Teilnehmerin und Teilnehmer der Kundgebung für unsere Genossin Daniela,

mein Name ist Krebs, Andreas und sicher bin ich dem ein oder anderen Teilnehmer bekannt. Ich wende mich heute an Euch alle mit der dringenden Bitte, dazu beizutragen, die Isolationshaft gegen Daniela zu durchbrechen und Daniela in jeder Form zu unterstützen.

Ich als Langzeitstrafgefangener habe selbst sehr viele Jahre in Isolationshaft zugebracht, ob in Süditalien, wo ich physisch und psychisch gefoltert wurde oder in Deutschland in verschiedenen Bundesländern, und weiß darum, wie es Daniela unter diesen verschärften Haftbedingungen ohne jeglichen Kontakt zu anderen Mitgefangenen geschweige denn „normalem Besuch“ geht.

Selbst auf ihren paar Quadratmetern Betonkäfig steht sie rundum unter Beobachtung und ist genau in diesem Augenblick massivem psychischen Druck ausgesetzt, der sich von Tag zu Tag noch verschlechtert.

Es macht mich traurig und wütend zugleich, zu wissen, wie es ihr in diesen Augenblick geht und was sie durchleben muss! Ich kann Euch allen versichern, dass es die weiße Folter immer noch gibt und sich nicht viel seit den siebziger Jahren verändert hat. Diese Art der Unterbringung ist absolut zerstörerisch und ist gewollt, um Menschen wie sie zu brechen.

Schreibt Daniela! Schreibt ihr soviel es geht und zeigt ihr, dass sie nicht alleine ist und wir ALLE bedingungslos hinter ihr stehen!

Schreibt an die Anstaltsleitung! Emails an die Anstalt! Ruft jede erdenkliche Stelle an und unterstützt Daniela, dass die Isolationshaft so schnell wie nur möglich aufgehoben wird.

Ich sende Euch allen aus der Justizvollzugsanstalt Tegel heraus die herzlichsten Grüße.

Euer Krebs Andreas

  1. April 2024

Krebs Andreas

Seidelstr. 39

13507 Berlin

Grußwort der Roten Hilfe Ortsgruppe Hamburg

Liebe Genossinnen, liebe Freundinnen!

„So ist das Leben und so muss man es nehmen,

tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem“

Einigen von euch ist dieses Zitat aus Rosa Luxemburgs Brief an Sonia Liebknecht vielleicht bekannt. Sie schrieb diese Zeilen Mitte Dezember 1917 aus dem Gefängnis heraus.

Knast trennt uns voneinander – räumlich, aber auch oft gedanklich. Dabei gilt jedoch: Egal ob drinnen oder draußen – wir sind weiterhin eins. Solidarität macht uns stark – als Bewegung, aber auch als Einzelne. Solidarität zu spüren hilft, Knast überstehen zu können. Solidarität zu organisieren schützt uns als Bewegung, schützt aber auch unsere Genossinnen in den Knästen. Denn das Ziel von Knast ist überall das Gleiche: Aktivistinnen sollen gebrochen werden, damit sie ihre politische Identität aufgeben und ihre Kämpfe beenden. Unser aller Aufgabe ist es, unsere Genoss*innen zu unterstützen, mit allen politischen Mitteln für ihre Freiheit zu kämpfen und die Lebendigkeit der Kämpfe zu erhalten.

Weltweit gibt es unzählige politische Gefangene. So auch in Deutschland: Seien es Jo, Benni, Finn, die türkischen und kurdischen Genossinnen, die Genossinnen im Budapest-Verfahren, oder eben Daniela. Die aktuelle Liste ist lang, die Fälle der vergangenen Jahre, in denen politische Aktivist*innen in U-Haft oder im Knast saßen zahlreich. Unsere Solidarität muss ihnen allen gelten.

Wir müssen die politischen Gefangenen in unserer alltäglichen Arbeit solidarisch im Blick behalten und für ihre Freiheit eintreten!

Solidarität ist und bleibt unsere stärkste Waffe gegen ihre Repression!

Wir wünschen allen Inhaftierten oder von Knast bedrohten Genoss*innen Freiheit und Glück.

Bleiben wir also tapfer und unverzagt – trotz alledem!

Isolationshaft ist Folter

Für Daniela Klette und alle Gefangenen in Einzelhaft

Unter der Überschrift „Rentner Armee Fraktion“ war auf Spiegel-online zu lesen: “Ein Trio holt die bleiernen Jahre der RAF zurück in die Gegenwart“. Als wären es nicht Polizei, Medien und Politik gewesen, die mit ihren Reaktionen auf die Festnahme von Daniela Klette die Hysterie der 1970er Jahre wiederaufleben ließen. Der kritische Kriminologe Sebastian Scheerer hat 1978 den Begriff des politisch-publizistischen Verstärkerkreislaufs eingeführt, der noch heute geeignet ist, zu verstehen, was in der RAF-Debatte vor sich geht, wie sich Polizei, Medien und Politik im Tanz um das Law-and-Order-Kalb gegenseitig heiß machen.

Bisher ist mir kein Text bekannt geworden, in dem Journalistinnen in dieser Geschichte den Blick auf sich selbst richten, also selbstreflexiv werden. Die Medien waren und sind nicht nur Echo-Kammer. Was machten die Journalistinnen eigentlich, die über die RAF schrieben und berichteten, wessen Interessen verfolgten sie, mit welchen Konsequenzen und mit welchem Ziel gingen sie ihrer Arbeit nach, dass heute immer noch behauptet werden kann, Isolationshaft ist eine Propagandamärchen der RAF?

Angesichts der Haftbedingungen von Daniela Klette ist es angebracht an die Corona-Jahre zu erinnern und an das was damals in allen Medien zu sozialer Isolation, den Kontaktbeschränkungen und ihren Folgen zu vernehmen war – in leichter Sprache, in schwerer Sprache, schriftlich und mündlich, aber ohne jeden Bezug zur Geschichte der RAF oder auch nur zum Alltag in den Zellengefängnissen.

Mit der Covid-19-Pandemie begann Anfang 2020 eine Zeit umfangreicher Kontaktbeschränkungen und Kontaktverbote. Von Anfang an wurde von den maßgeblichen Institutionen und ihren Repräsentantinnen, aber auch in einer Vielzahl von Medien immer wieder vermittelt: Wir wissen, dass mit den Corona-Maßnahmen die Gefahr sozialer Isolation einhergeht und dass diese Wohlbefinden und Gesundheit beeinträchtigen kann. Und wir wissen, dass bestimmte Gruppen der Bevölkerung davon besonders stark betroffen sind.

Es gab und gibt also durchaus Bekundungen der Solidarität mit den Menschen, für die soziale Isolation oder man kann fast sagen: eine weitere soziale Isolation besonders schmerzhaft sein musste. Dies gesagt, fällt aber auch auf: In Bezug auf Gefängnisse und ihre Gefangenen waren diese Bekundungen extrem selten. Dabei ist die Isolation für die Gefangenen bereits unter sogenannten Normalbedingungen eine psychische Belastung.

Zweifelsfrei zählen daher Gefangene in Bezug auf ihre psychische Gesundheit zu den besonders gefährdeten Gruppen. Der Anteil psychischer Erkrankungen in der deutschen Gesamtbevölkerung liegt bei 27 Prozent. Studien mit unterschiedlichem Forschungsdesign kommen in Bezug auf Strafgefangene auf einen Anteil von 40 bis 70 Prozent mit psychischen Erkrankungen und Auffälligkeiten. Es liegt also nahe, dass sich die jüngsten Kontaktbeschränkungen auf Gefangene besonders negativ ausgewirkt haben, da sie bereits vorhandene Mängel weiter verstärkten.

Den Machern des Strafvollzugsgesetzes war das bewusst. Daher wurde im § 3 zur „Gestaltung des Vollzuges“ festgehalten: „(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden. (2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. (3) Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“

Der Haptikforscher Prof. Dr. Martin Grundwald erklärte zum Mangel an Berührungen: „Sicher ist, dass soziale Vereinsamung und fehlender zwischenmenschlicher Körperkontakt über einen längeren Zeitraum auf der psychischen und körperlichen Ebene zu relevanten Erkrankungen führen können.“ Und er ergänzt: „Insofern ist die körperlichen Zurückhaltung aktuell gegenüber allem und jedem eine erhebliche Stresssituation, die nicht jeder gut verkraftet.“
(https://www.uniklinikum-leipzig.de/presse/Seiten/Pressemitteilung_6986.aspx)

Ein weiterer Punkt, wusste das ZDF, sind Gespräche, die gerade in Krisen und beim Umgang mit Einsamkeit, Depression und Angstzuständen besonders wichtig sind. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/coronavirus-depression-einsamkeit-100.html

Angesichts der offenkundigen Schädigung der psychischen Gesundheit durch soziale Isolation fordert Prof. Dr. med. Steffi Riedel-Heller, Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig, eine bessere Aufklärung über die Folgen der Isolation, entsprechende präventive Maßnahmen sowie Therapieangebote – auch unter Einbeziehung der Telemedizin.
( https://www.mdr.de/wissen/psychische-folgen-corona-kontaktbeschraenkung-social-distancing-100.html )

Besonders deutlich wird schließlich Prof. Dr. James Coan, Direktor des Virginia Affective Neuroscience Laboratory: „Wer einsam ist, wird öfter krank. Wunden heilen schlechter, das Immunsystem ist schwächer.“ Man sterbe früher, weil das Risiko für Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes und Depressionen steige, man werde eher dement: „Soziale Isolation tötet, das ist eine Tatsache.“ (Der Spiegel, Nr. 21/16.5.2020, S.116)

„Soziale Isolation tötet“ stand im Spiegel und niemand in den Medien fiel dazu die Geschichte der RAF und die andauernde Auseinandersetzung um Isolationsfolter ein.

Robi Friedman beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie Krieg eine Gesellschaft verändert. Von Antje Lang-Lendorff wurder er für die taz zu seinem Buch „Soldatenmatrix“ interviewt:

„Eine Matrix ist eigentlich eine Kultur. Der Begriff beschreibt die Kultur der Beziehungen, die Kultur der Kommunikation und ihren Sinn. Die Geschichte, die Erinnerungen sind auch Teil der Matrix. Sie prägt die Gespräche, aber auch die Berichterstattung in den Medien und das Internet. Wenn es Krieg gibt, dann verändert sich die Matrix. Wie auf Knopfdruck werden alle zu Soldaten, die gesamte Bevölkerung wird eingezogen. Natürlich müssen nicht alle kämpfen, aber jeder hat eine Rolle in diesem Krieg. Deshalb habe ich mein Konzept ‚Soldatenmatrix‘ genannt.“
https://taz.de/Israelischer-Psychologe-ueber-Krieg/!6000125&s=Soldatenmatrix/

Für mich eine einleuchtende Erklärung dafür, dass auch 2011 keine Stimme in den bundesdeutschen Medien zu vernehmen war, als Vereinte Nationen und das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter die Einzelhaft skandalisierten und ihre Ächtung forderten.

Im Jahr 2011 veröffentlichte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter, Juan Ernesto Méndez, einen Bericht, in dem er zu dem Schluss kam, dass mehr als 15 Tage Einzelhaft als Verstoß gegen die UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe gelten sollten.

Es gibt zwar keine universelle Definition für Einzelhaft, da der Grad der sozialen Isolation je nach Praxis variiert. Aber Herr Méndez definierte sie als jedes Regime, bei dem Insassinnen mindestens 22 Stunden am Tag von anderen Gefangenen, mit Ausnahme von Wärterinnen, isoliert sind. https://news.un.org/en/story/2011/10/392012-solitary-confinement-should-be-banned-most-cases-un-expert-says#.UdsQoT5gaBg und https://www.un.org/press/en/2011/gashc4014.doc.htm

Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) ist der Meinung, dass die maximale Dauer von Einzelhaft 14 Tage nicht übersteigen und vorzugsweise darunter liegen sollte. Im 21. Jahresbericht des CPT, der auch 2011 veröffentlicht wurde, werden gleichfalls unter dem Begriff „Einzelhaft“ alle Fälle verstanden, bei denen die Unterbringung von Gefangenen getrennt von anderen Inhaftierten angeordnet wird.
https://rm.coe.int/16806fa178

Als nach 2002 immer wieder Fotos von den Gefangenen in Guantanomo in den Medien zu sehen waren, auf denen die Gefangenen die Augen verbunden waren, die Ohren mit Kopfhörer verschlossen, Mund und Nase bedeckt, die gefesselten Hände in Handschuhen wurde die bundesdeutsche Öffentlichkeit nicht über sensorische Deprivation aufgeklärt. Dabei war diese Foltermethode durch die Veröffentlichung des Kursbuch 32 seit 1973 in der Bundesrepublik bekannt. Was in normalen Zellengefängnissen mit strenger Einzelhaft in Monaten und Jahren bewirkt wird, die Leidensfähigkeit der Gefangenen zu überschreiten, haben die USA auf Guantonamo mit ihren Methoden in Stunden und Tagen hergestellt. Allein 2003 versuchten 120 Gefangene in Guantonamo sich das Leben zu nehmen. https://de.wikipedia.org/wiki/Gefangenenlager_der_Guantanamo_Bay_Naval_Base#Suizide_und_Suizidversuche_von_Gefangenen.

Auf der Informationsveranstaltung des Kölner „Komitee zur Aufklärung über Gefängnisse / Initiative gegen Folter“ am 18.2.1974 im Wallraf-Richartz-Museum erklärt die Theologin Dorothee Sölle, warum sie lernte Isolationshaft als Folter zu bezeichnen:

„Ich möchte Ihnen kurz meinen eigenen Lernprozess in dieser Sache darstellen. Ich habe mich zunächst gegen den Ausdruck Folter hier in der Bundesrepublik gewehrt und zwar, weil ich eine Reihe von sehr gründlichen Studien, Reflexionen und Berichten habe, über das, was an Folter z.B. in Süd-Vietnam oder Brasilien passiert. Und so meinte ich zunächst, man sollte doch diesen Ausdruck Folter beschränken auf die Zerstörung körperlicher Unversehrtheit durch direkten physischen Eingriff. Ich muss sagen, die Beschäftigung mit den Berichten, mit dem, was im Kursbuch steht, das hat mich mehr und mehr davon abgebracht, das Wort Folter in diesem älteren Sinne zu nehmen. Es ist meiner Ansicht nach also notwendig, eine Art Revision des Begriffes Folter vorzunehmen. Auch die Anwendung seelischer Zerstörungsmechanismen, mit dem Ziel nun nicht mehr des Geständnisses, ist Folter. Die neue Definition müsste heißen: Folter ist die Anwendung von Isolation zum Zweck der psychisch – physischen Zerstörung der Persönlichkeit des Häftlings. Auch das wird man als Folter ansehen müssen.“ (Christiane Ensslin: Isolationshaft ist Folter. In: Reiner Schmidt, Anne Schulz und Pui von Schwind: Die Stadt, das Land, die Welt verändern. Köln 2014, S.401)

Köln, 8. April 2024

Klaus Jünschke