Vergewaltigung in israelischer Gefangenschaft: „Es hat meinen Willen nicht gebrochen“

Vergewaltigung in israelischer Gefangenschaft: „Es hat meinen Willen nicht gebrochen“

Dokumentationen der UN zeigen, dass psychische, physische und sexualisierte Gewalt systematisch von Staaten wie Israel eingesetzt wird. Auch die Aktivistin Anna Liedtke berichtet bei einer Konferenz in Paris, dass sie im israelischen Gefängnis vergewaltigt wurde. Doch sie werde nicht aufhören, für Gerechtigkeit zu kämpfen.
Palästinensische politische Gefangene berichten immer wieder von psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt in israelischen Gefängnissen. Die Organisation Euro-Med Human Rights Monitor veröffentlichte im Januar 2025 einen Bericht über sexualisierte Gewalt. Dabei sprechen sie von „systematischen und weitverbreiteten Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt durch israelische Kräfte gegen Palästinenser, einschließlich Gefangener und Inhaftierter“.

Auch die Vereinten Nationen (UN) kommen zu diesem Schluss. In einem Bericht vom 13. März 2025 dokumentiert die UN „ein breites Spektrum von Verstößen, die seit dem 7. Oktober 2023 im gesamten besetzten palästinensischen Gebiet gegen palästinensische Frauen, Männer, Mädchen und Jungen begangen wurden“. Die Misshandlung von Palästinenser:innen seien Teil der rechtswidrigen Besatzung und Verfolgung der Palästinenser:innen als Gruppe.

Sexualisierte Gewalt im Gefängnis
Auch Anna Liedtke, eine Aktivistin der Frauenorganisation Zora, berichtet nun von der sexualisierten Gewalt, die sie im israelischen Gefängnis erfahren hat. Bei der Internationalen Konferenz in Solidarität mit politischen Gefangenen richtete sie sich an die Öffentlichkeit. Die Konferenz fand vom 20. bis 21. Dezember in Paris statt und wurde von der Plattform Stimme der Gefangenen (TSP) organisiert.

Im September und Oktober war Anna Teil der Besatzung der Conscience, die als Teil der Freedom Flotilla versuchte, die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Als Journalistin berichtete sie für Perspektive Online von dem Schiff. In den Morgenstunden des 8. Oktober wurde sie gemeinsam mit dem Rest der Besatzung der Conscience sowie der Thousand Madleens to Gaza in internationalen Gewässern in Gefangenschaft genommen.

Bereits kurz nach der Ankunft in Deutschland berichteten Anna Liedtke und Sofia Willer im Interview mit Perspektive Online von der psychischen und physischen Gewalt, die sie selbst sowie andere Gefangene erlebt haben. Bei der Konferenz in Paris erklärte Anna nun in einem Statement, dass sie beim Transfer von dem Gefängnis Ketziʾot in ein Abschiebegefängnis während einer Nacktdurchsuchung vergewaltigt wurde.

„Es hat meinen Willen nicht gebrochen“
In ihrer Rede betonte die Aktivistin, dass es dabei nicht einfach nur um sie selbst und die Gewalt, die sie als Einzelperson erfahren hat, gehe. Die Gewalt sei nichts persönliches oder individuelles und nichts, wofür sie sich schämen sollte. „Ich bin nicht die einzige, die so etwas erfahren hat“, erklärt Anna: „Ich teile diese Geschichte für alle Frauen, die sexualisierte Gewalt und sexualisierte Folter in den Gefängnissen erfahren.“

Sie wolle damit auch denjenigen ihre Stimme geben, die nicht von ihren Erfahrungen berichten können – all die Frauen, die die Gewalt nicht überlebt haben oder diejenigen, die weiterhin im Gefängnis sind.

„Die Scham muss die Seite wechseln“ hatte die Französin Gisèle Pelicot rund um den Prozess gegen ihren Mann, der sie fast zehn Jahre lang betäubt und vergewaltigt hatte, verlauten lassen. Genauso erklärte Anna, dass nicht sie sich schämen sollte, sondern der zionistische Staat, seine Gefängnisse und seine Wärter. Doch von Staaten wie Israel könne man auch nichts anderes erwarten.

Zum Abschluss ihrer Rede erklärte Anna: „Eine Sache ist sehr wichtig: Es hat meinen Willen nicht gebrochen. Es gibt so viele Vorbilder, so viele Genossinnen, so viele mutige Frauen, die mir sehr viel Stärke geben. Und wenn wir in die Geschichte zurückblicken, dann waren Frauen immer schon stärker als das. Ich beende meine Rede damit, zu sagen: Ich werde nicht aufhören, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Bis zum Ende der Gewalt, bis alle Frauen frei sind und Gerechtigkeit erhalten haben. Ich werde nicht aufhören zu kämpfen, bis das Patriarchat nicht mehr existiert!“

Solidaritätsbekundungen zahlreicher Organisationen
Eine Teilnehmerin der Konferenz in Paris berichtete gegenüber Perspektive Online von den positiven Reaktionen vor Ort: „Alle waren begeistert von der Rede und von dem Mut, den sie zusammengepackt und auf diese Rede übertragen hat.“ Dieser Mut lege einen Grundstein für die Bekämpfung sexualisierter Gewalt in den Gefängnissen.

Zahlreiche andere Organisationen bekundeten ihre Solidarität mit Anna und allen politischen Gefangenen und von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen auf der Welt. Solidaritätsbekundungen kamen unter anderem aus der Türkei, Kurdistan, Frankreich und Deutschland. Die Organisationen rufen zu Aktionen in Solidarität mit allen politischen gefangenen Frauen, denen patriarchale Gewalt widerfahren ist, auf.

„Wir stehen gemeinsam Seite an Seite, wir kämpfen gemeinsam bis zum Ende des Genozids in Palästina und noch weiter bis das Patriarchat besiegt ist“, schreibt die Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) in einem Statement am Montag.

„Mit unserer internationalen Frauensolidarität stehen wir an der Seite unserer Weggefährtin Anna von Zora und der palästinensischen Frauen. Gegen das zionistische, besatzende, vergewaltigende Israel sind wir füreinander da und stehen zusammen“, erklärt die junge Frauenorganisation ÖGK aus der Türkei.

Die Sozialistischen Frauenräte (SKM) veröffentlichten ebenfalls eine Solidaritätsbotschaft: „Sexualisierte Gewalt in Gewahrsam und im Gefängnis ist eine Waffe, die von besatzenden, kolonialen, patriarchalen Staaten gezielt gegen Frauen eingesetzt wird. Sexualisierte Gewalt wird nicht straffrei bleiben – wir werden sie mit unserer Frauensolidarität zur Rechenschaft ziehen.“

https://perspektive-online.net/2025/12/vergewaltigung-in-israelischer-gefangenschaft-es-hat-meinen-willen-nicht-gebrochen