LL-DEMO 2024:Protest vor dem Knast

Berlin: Demonstration fordert Freilassung von inhaftierten Teilnehmern der LL-Demo 2024. Polizei weist Vorwürfe von übermäßiger Gewaltanwendung zurück

Knapp 100 Menschen versammeln sich am Mittwoch abend vor den hohen Mauern der Justizvollzugsanstalt in Berlin-Moabit, trotzen Sturm und Streik. Immer wieder erschallt der Ruf: »Es fehlen die Gefangenen!« Seit über einer Woche sitzen hier zwei Menschen in Untersuchungshaft, die auf der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration (LL-Demo) am 14. Januar in Berlin festgenommen worden waren. Den Gefangenen wird vorgeworfen, Polizeibeamte mit Fahnenstangen angegriffen zu haben.

Eine Sprecherin der organisierenden »Initiative Freiheit für die Inhaftierten der LLL-Demonstration« erklärt im jW-Gespräch, diejenigen, die für die Gewalt während des Protests in Andenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin verantwortlich seien, würden nicht zur Rechenschaft gezogen. »Der Höhepunkt der Gewalt«, so die Sprecherin, sei der Angriff der Polizei auf einen älteren Mann gewesen, der »blutend und bewusstlos am Boden gelegen habe«, während die Polizisten es nicht für nötig gehalten hätten, Hilfe zu leisten.

Der Mann musste im Anschluss mit einem lebensbedrohlichen Schädel-Hirn-Trauma notärztlich behandelt werden und befindet sich inzwischen außer Lebensgefahr. Auf Videos, die jW vorliegen, ist der Hergang der Verletzung aus verschiedenen Blickwinkeln dokumentiert. Mit einer großen roten Fahne in der Hand sieht man ihn abseits des Demozugs auf einem Gehweg stehen, als eine Gruppe der vierten Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin auf die Straße in Richtung des Demonstrationszugs rennt. Ein Polizist mit der Kennung »BE 34139« schlägt den Mann mit voller Wucht ins Gesicht. Er geht zu Boden. Der Polizeibeamte kniet einen Moment über den lebensbedrohlich Verletzten, lässt ihn dann liegen.

Auf jW-Nachfrage erklärte eine Sprecherin der Polizei Berlin am Donnerstag, dass »keine Anzeige zu einem Faustschlag durch einen Polizeibeamten« vorläge. Der Verletzte hätte aber eine Anzeige gegen Unbekannt gestellt und ausgesagt, dass er geschubst worden und unglücklich zu Boden gefallen sei. Zu diesem Sachverhalt sei ein »Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt« eingeleitet worden. Daneben würde auch gegen den Schwerverletzten ermittelt, wegen »Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte«. Es sei ein tätlicher Angriff des 74jährigen mit einem hölzernen Fahnenstock auf einen schubsenden Polizeibeamten dokumentiert.

Rettungskräfte, die den in Lebensgefahr schwebenden Mann behandelt hatten, hatten zuletzt berichtet, dass ihr Rettungseinsatz von der Polizei behindert worden sei. Die Polizei erklärte hingegen gegenüber jW, »alle alarmierten Rettungskräfte« hätten »den Einsatzort unproblematisch erreicht«. Laut Sanitätern wurde auf der Demonstration am 14. Januar eine zweistellige Zahl an Demonstranten verletzt. Neben dem lebensbedrohlich verletzten Rentner hätte es weitere Schädel-Hirn-Traumata und Knochenbrüche gegeben.

Im Anschluss an die Demonstration hatte die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Berliner Abgeordnetenhaus die Schuld für die Eskalation bei den Demonstranten gesucht und von »überraschenden, plötzlichen Angriffen ohne Anlass« auf Polizisten gesprochen, bei denen 21 von ihnen verletzt worden seien. Die Polizei sprach gegenüber jW von 25 verletzten Einsatzkräften, die alle ambulant versorgt werden konnten. Darunter seien 20 Polizisten mit »Prellungen oder Stauchungen«, von denen 19 den Dienst hätten fortführen können. Über die Verletzungen von vier weiteren Einsatzkräften, die den Dienst abtreten mussten, machte die Polizei keine Angaben.

Die Sprecherin der »Initiative ­Freiheit für die Inhaftierten der LLL-Demonstration« zeigte sich empört über das Ausmaß der Polizeigewalt: »Wie kann man jemandem vorwerfen, sich zu wehren, wenn Leute wild auf dich Einprügeln?« Die Initiative fordere die Freilassung der beiden inhaftierten Demonstranten sowie ­Konsequenzen für die ­Verantwortlichen. Dafür werde man auch am kommenden Mittwoch abend wieder vor dem Gefängnis demonstrieren.

junge Welt 26.1.24