Angeklagtem im Düsseldorfer DHKP-C-Verfahren wird Krebsbehandlung verweigert.

Gericht verhindert Kritik: Kampf gegen die Zeit

Dem politischen Gefangenen Ihsan Cibelik wird weiterhin eine lebensnotwendige Krebsoperation verwehrt. Eine bereits geplante OP an der Prostata wurde wieder abgesagt. Der „Grup Yorum“-Musiker steht gemeinsam mit der Journalistin Özgül Emre und dem Aktivisten Serkan Küpeli in Düsseldorf vor Gericht. Den drei Inhaftierten wird nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuches vorgeworfen, das sogenannte „Deutschland-Komitee“ der türkischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) gebildet zu haben.

Nachdem Cibelik für 38 Tage in den Hungerstreik getreten war, wurde ihm schließlich eine Operation zugesagt. Der Krebskranke sollte in der dreiwöchigen Verhandlungspause zwischen dem 31. Januar und dem 21.Februar endlich operiert werden. Dazu waren alle nötigen Absprachen auch seitens der JVA Köln und der dortigen Ärzte getroffen worden. Am 15.Februar wurde Ihsan Cibelik seitens der JVA Köln informiert, dass der Klinikdirektor für Urologie interveniert habe und die Operation abgesagt wurde. Der Inhaftierte informierte seine Verteidiger, die den 7.
Strafsenat in Düsseldorf informierten, der hiervon bis zu diesem Zeitpunkt angeblich keine Kenntnis hatte.

Die Verteidigung sprach diesen Vorgang in der Hauptverhandlung am 21.Februar an und kritisierte ihn als unsägliche Missachtung des Rechts auf Gesundheit und Leben. Der Vorsitzende des Senats erklärte hierauf, selbst überrascht über diese Entwicklung zu sein. Diese sei zwar zu bedauern, aber der Vorgang sei nicht Gegenstand der Hauptverhandlung.

Seitens des Vertreters des Generalbundesanwalts wurde keine Erklärung abgegeben. Die Verteidigung von Ihsan Cibelik beantragte, ihm das Wort zu erteilen, da er eine kurze Erklärung zu diesem ihn sehr belastenden Vorgang abgeben wollte. Dies wurde ihm vom Vorsitzenden des Senats verweigert.

Trotz der Proteste seitens der Verteidigung, des Angeklagten und der Prozessbeobachterinnen und -beobachter änderte der Senat seine Haltung nicht. Letztere quittierten diese Entscheidung mit dem Rufen von Slogans wie „Ihsan ist nicht allein!“ und „Ihsan Cibelik hat ein Recht auf medizinische Behandlung“. Für die Verweigerung des Rederechts gab es keinen sachlichen Grund. Sie war entweder rein willkürlich oder der Senat fürchtete die Kritik eines schwerkranken politischen Gefangenen.

Bereits aus Gründen der Menschlichkeit wäre die Erteilung des Rederechts das Mindeste gewesen. Schließlich verschlimmert sich der Gesundheitszustand des Angeklagten zusehends und die Gefahr einer Streuung wächst täglich. Laut medizinischen Gutachten ist eine vollständige Genesung nur dann zu erwarten, wenn die OP vorher erfolgt.

Cibelik befand sich bereits vor seiner Festnahme am 18. Mai 2022 wegen einer Prostataerkrankung in fachärztlicher Behandlung. Da Krebsverdacht bestand, sollte im Mai 2022 eine Biopsie erfolgen. Bereits bei der Vorführung zum Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) wurde von Ihsan Cibelik und seinem Rechtsanwalt mitgeteilt, dass er eine Prostataerkrankung habe und in den nächsten Tagen bei ihm eine Prostatabiopsie durchgeführt werden sollte. Tatsächlich fand die Biopsie erst im September 2023 statt.

Sowohl die Verteidigung als auch zahlreiche linke Initiativen werfen dem Gericht die Verschleppung der Behandlung vor. Seit die dringend notwendige Operation abgesagt wurde, wird die verbindliche Festsetzung eines neuen Termins gefordert. Neben dem Strafsenat und der JVA müssen sich auch die Zuständigen der Uni-Klinik Köln für ihr dubioses Verhalten erklären, was bislang ausgeblieben ist.

Henning von Stoltzenberg – UZ vom 8. März 2024