„Digitale Brieftasche“ als nächster Schritt zur digitalen Überwachung

„Digitale Brieftasche“ als nächster Schritt zur digitalen Überwachung
Immer mehr Länder haben sie bereits oder überlegen sie einzuführen: die sogenannte „digitale Brieftasche“. Wie bei vielen anderen Digitalisierungsprojekten soll sie Bürokratie abbauen und einfacheren Zugang zu staatlichen Dienstleistungen ermöglichen. Gleichzeitig eröffnet sie jedoch neue Überwachungsmöglichkeiten.
Bei einer digitalen Brieftasche denken viele Menschen zuerst an Krypto-Währungen. Gemeint ist damit jedoch eine App für das Smartphone, in der behördliche Dokumente wie der Ausweis oder Führerschein hinterlegt sind und es einen direkten Zugang zu staatlichen Behörden gibt.

In vielen Länder gibt es bereits unterschiedliche Formen dieser digitalen Brieftasche. Über die türkische „e-devlet“-App können Bürger:innen des Landes beispielsweise ihre Steuererklärung machen und Sozialleistungen beantragen, außerdem werden behördliche Dokumente in der App hinterlegt und sollen in der Zukunft ihre analogen Gegenstücke komplett ersetzen. Gleiches gilt in Griechenland.

In Estland – innerhalb der EU einer der Vorreiterstaaten beim Thema Digitalisierung – geht das Ganze noch weiter. Dort sind mit einer digitalen Identität mittlerweile auch Vertragsabschlüsse und Unternehmensgründungen möglich. Sie ist mit der elektronischen Patientenakte verknüpft und es kann sogar digital gewählt werden. Auch die Europäische Union als Ganzes plant die Einführung einer solchen digitalen Brieftasche, die „EUDI-Wallet“ für alle ihre Mitgliedsländer.

Datenschutzmängel und Benachteiligung
Digitalisierungsprojekte wie diese bedeuten immer, dass mehr persönliche Daten digital verfügbar und damit angreifbar sind. So gibt es auch bei der digitalen Brieftasche Bedenken über mögliche Angriffsszenarien und – je umfassender diese gestaltet sind – auch Möglichkeiten zur Beeinflussung der Nutzer:innen oder Dienstleistungen der Apps.

Auch schafft die fortschreitende Digitalisierung und Verlagerung von staatlichen Dienstleitungen vom Analogen ins Digitale eine Benachteiligung all jener Menschen, deren Zugriff auf die erforderlichen Endgeräte eingeschränkt ist. Bereits heutzutage berichten ältere Menschen von solchen Problemen, gleichzeitig werden noch mehr Menschen, wegen fehlendem Geld oder weil sie illegal leben, bei Smartphones oder durch andere Hürden in der Nutzung der Apps benachteiligt und durch die ohnehin immer weiter zusammengekürzten Netze staatlicher Sozialleistungen fallen.

Das Beispiel Griechenland
Eine weitere Konsequenz der fortschreitenden Digitalisierung wird auch sein, dass man zukünftig kaum noch ohne Smartphone leben kann. Soziale Leistungen oder politische Partizipationsmöglichkeiten sind daran gebunden. So wird wird seine Anschaffung durch die Digitalisierung von behördlichen Dokumenten zwangsläufig notwendig werden, um sich ausweisen zu können. Bis ein solcher Schritt komplett vollzogen ist, mag es noch einige Jahre dauern.

Die Abschaffung analoger Fahrkarten bei der deutschen Bahn oder die Einführung des Deutschland-Tickets, das es eigentlich nur digital gibt, stehen jedoch exemplarisch für diese Entwicklung. Die dauerhafte Mitführung des Smartphones bietet dabei vielfältige Überwachungsmöglichkeiten – von der GPS-Ortung bis hin zu unterschiedlichen Formen der Telekommunikationsüberwachung.

Wie auch indirekter über die digitale Brieftasche Überwachung und staatliche Kontrolle ausgeübt werden kann, zeigt aktuell Griechenland. Dort gibt es schon länger die „Gov.gr-Wallet“ als digitale Brieftasche.

Über diese soll nun eine Altersprüfung für soziale Medien eingeführt werden. Damit soll verhindert werden, dass Jugendliche unter 15 Jahren soziale Medien wie Instagram oder TikTok nutzen können, da diese angeblich eine Gefahr für ihre Entwicklung darstellten. Für den Abgleich soll die Steuer-ID verwendet werden, die damit auch bei allen großen Medienkonzernen landet, die nicht gerade für ihren sicheren Umgang mit Daten bekannt sind.

Faktisch ist eine solche Maßnahme ein Schritt in Richtung Massenüberwachung der Bevölkerung. Die Kontrolle über Informationen und Nachrichten ist ein wichtiges Instrument zur Sicherung der kapitalistischen Herrschaft. Zugleich werden mittlerweile auch große Proteste immer öfter über soziale Medien organisiert. Die Black-Lives-Matter Bewegung hätte beispielsweise ohne die sozialen Medien nie eine solche Größe und Dynamik entwickelt. Diese dann konkreter überwachen zu können, ist jedoch zugleich eines der angestrebten Ziele staatlicher Akteure.

https://perspektive-online.net/2025/01/digitale-brieftasche-als-naechster-schritt-zur-digitalen-ueberwachung