Die „globale Flottille der Widerständigen” – so oder so ähnlich lässt sich der Name des neuen Anlaufs übersetzen, mit dem die Seeblockade des Gazastreifens durchbrochen werden soll. Widerständig wie das palästinensische Volk, global wie die Solidarität mit diesem Widerstand. – Ein Kommentar von Eduard Dunker.
Es gab bereits mehrere Versuche, die illegale Seeblockade des Gazastreifens zu brechen. Nun wird ein neuer Anlauf gestartet. Unter dem Banner der „Global Sumud Flotilla” sind es diesmal aber nicht nur wenige Einzelschiffe, die versuchen nach Gaza zu gelangen – vielmehr kann man von einer tatsächlichen Flotte sprechen.
Sie setzt sich aus über 50 Schiffen und Booten aus 44 Ländern und sechs Kontinenten zusammen. Die Global Sumud Flotilla ist ein Zusammenschluss von vier Organisationen, die sich alle zum Ziel gesetzt haben, die seit 2007 verhängte illegale israelische Seeblockade des Gazastreifens zu durchbrechen und humanitäre Hilfe zu verteilen: Die „Freedom Flotilla Coalition” koordiniert und leitet bereits seit dem Jahr 2010 die Versuche, die Seeblockade Gazas zu durchstoßen. Das „Global Movement to Gaza” (zuvor bekannt als „Global March to Gaza”) hatte bereits versucht, die Landbrücke von Ägypten aus zu brechen. An diesem Versuch war auch die „Mahgreb Sumud Flotilla” als mit einem Kontingent beteiligt. Bei der „Sumud Nusantra” handelt es sich um eine um eine Bewegung aus Malaysia und acht anderen Ländern, die sich ebenfalls zum Ziel gesetzt hat, Hilfslieferungen nach Gaza zu bringen.
Auf den Booten befinden sich Menschen unterschiedlicher Strömungen und Profession: von Menschenrechtsaktivist:innen über Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen bis hin zu politischen Revolutionär:innen – alle eint das Ziel, die illegale, menschenrechtswidrige Blockade Israels zu brechen und damit ein klares Zeichen zu setzen.
Ein Teil der internationalistischen Koalition hisste bereits am vergangenen Wochenende in Barcelona die Segel. Andere Boote sollen sich aus Sizilien, Tunesien und Griechenland anschließen. Selbst aus Asien und Australien beteiligen sich Aktivist:innen. Auch erhält die Flotilla viel prominenten Zuspruch, unter anderem von vielen Musiker:innen und Schauspieler:innen.
Segeln gegen das Schweigen
Israel benutzt bei seinem Völkermord die Hungersnot systematisch als Kriegswaffe gegen die gesamte Bevölkerung. Mittlerweile erkennt selbst die UNO an, dass in Gaza eine Hungerkatastrophe herrscht, und macht Israels Blockade als klare Ursache aus.
Israel wird bei seinem Massaker in Gaza von mächtigen Verbündeten gedeckt: die USA und auch Deutschland leisten nicht nur militärische Unterstützung, sondern versuchen den Genozid auch medial zu rechtfertigen. Von vielen anderen Staaten kommt als Protestnote höchstens ein Lippenbekenntnis – herausgepresst durch die internationale palästina-solidarische Protestbewegung.
Dem will die Flotille etwas entgegen setzen und mit ihrer Aktion nicht nur einen humanitären Korridor öffnen, sondern auch verstärkte Aufmerksamkeit auf Israels Genozid lenken und eine klare Botschaft senden: „When the world stays silent, we set sail.“ („Wenn die Welt schweigt, segeln wir”.), wie auf ihrer Website zu lesen ist.
Die Flotilla macht also vor: Wenn sich die Herrschenden – wie zu erwarten – nicht um das Leid unserer Klassengeschwister in Palästina scheren, dann liegt es an uns, den Widerstand und den Protest weltweit anzufachen. Dem müssen wir uns auch in Deutschland anschließen, bis der Druck so groß wird, dass selbst der deutschen Regierung trotz Knüppelgarde und Springer-Hetze Zugeständnisse abgerungen werden können – und seien es auch noch so kleine, wie z.B. Einschränkungen der Waffenexporte.
Bauen wir Druck auf
Neben dem Versuch, das Leid der Menschen vor Ort in zu lindern, sorgt die Flottille für öffentlichen Druck, denn sie zwingt Israel, drastisch zu handeln, um die Blockade aufrecht zu erhalten. Über Israel hinaus ist es aber auch wichtig, die europäischen Großmächte unter Druck zu setzen und sich europaweit zu solidarisieren. Den ersten Schritt dazu haben schon Hafenarbeiter:innen aus Genua gemacht: „Wenn wir den Kontakt zu unseren Booten, unseren Genoss:innen auch nur für 20 Minuten verlieren – blockieren wir Europa.“, kündigt ihre militante Gewerkschaft an.
Es gab nämlich seit dem Beginn der israelischen Blockade im Jahr 2007 bereits zahlreiche Versuche, diese zu durchbrechen – allesamt wurden sie von Israel gestoppt. Zwei diesjährige Versuche – im Mai und im Juni – sorgten zum Beispiel für mediale Aufmerksamkeit und fachten die Solidaritätsproteste ebenfalls weltweit an, nachdem die israelische Marine die Schiffe kaperte und die Besatzung an Land verschleppte.
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Gleichzeitig fielen die Reaktionen etwa der deutschen Regierung – eine der Hauptunterstützer des andauernden Völkermords in Palästina – beschieden aus. Der Druck der Bewegung war nicht groß genug. Dieser Druck wird jetzt mit Androhungen von Streiks und Hafenblockaden natürlich enorm erhöht und wird zusätzlich umso größer, je mehr Arbeiter:innen sich anschließen werden.
Doch selbst wenn die Flottille erneut ihr gestecktes Ziel nicht erreicht, hat sie weiterhin einen symbolischen Wert. Wie groß der ist, bleibt jedoch abzuwarten und hängt auch stark vom Vorgehen der israelischen Regierung ab.
Israel plant Folterhaft für Besatzung
Dieses könnte deutlich drastischer ausfallen als bei vorherigen Versuchen: Der israelische Sicherheitsminister Itam Ben-Gvir hat bereits vorgeschlagen, die über 200 Mitglieder der Flottille als Terrorist:innen zu brandmarken und für mehrere Wochen in den Terrorgefängnissen Ktzi’ot und Damon zu inhaftieren. Israelische Gefängnisse sind berühmt-berüchtigt für ihre unmenschlichen Arten der Folter.
Personen, die Ben-Gevir nahes tehen, legen seine Methode offen: „Nach mehreren Wochen in Ktzi‘ot und Damon werden sie es bereuen, dass sie hier angekommen sind. Wir müssen ihnen die Lust an einem weiteren Versuch nehmen.“
Die Lage bleibt also angespannt. Dennoch gibt es der palästina-solidarischen Bewegung Hoffnung und Kraft, dass so zahlreiche Organisationen und Aktivist:innen aus so verschiedenen Strömungen zusammenrücken und trotz der bevorstehenden israelischen Repression die gefährliche Fahrt auf sich nehmen. Lasst uns sie nicht nur als Vorbild nehmen, sondern aktiv unterstützen. Je mehr Druck wir auf Israels Regierung und ihre Verbündeten aufbauen können, desto mehr Zugeständnisse werden sie machen müssen!