Fall Daniela Klette Verkürzter Prozess

Fall Daniela Klette: Staatsanwalt zieht fünf Anklagepunkte zurück. RAF-Aktionen sollen im Herbst 2026 verhandelt werden
Von Ariane Müller, Verden junge Welt 21.11.25
Unerwartete Wende im Fall Daniela Klette: Die Richterkammer hat am vergangenen Dienstag, dem 42. Verhandlungstag, ihren Beschluss verkündet, dem Antrag der Staatsanwaltschaft zuzustimmen, fünf Anklagepunkte gegen das mutmaßliche ehemalige Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) fallenzulassen. Damit könnte der Prozess wider Erwarten im Frühjahr 2026 zu Ende gehen. Erst vor kurzem noch hatte der Vorsitzende Richter weitere Prozesstermine bis Ende September 2026 festgelegt. Bis in den Oktober 2026 gab es schon eine grobe Terminplanung.

Der Ende März begonnene Prozess gegen Daniela Klette wegen 13 Geldbeschaffungsaktionen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen im Zeitraum von 1999 bis 2016 wird seit Ende März 2025 vom Landgericht Verden geführt. Eine ehemalige Reithalle in Verden-Eitze wurde dafür für 3,6 Millionen Euro für die Dauer des Prozesses zu einem Hochsicherheitsgerichtssaal umgebaut. Der 14. Anklagepunkt, versuchter Mord, ist durch einen rechtlichen Hinweis der Richterkammer vom Tisch.

Am 12. November 2025, dem 41. Verhandlungstag, stellte die Staatsanwaltschaft Verden einen Antrag, der viele Prozessbeobachter überraschte. Sie beantragte, dass weitere fünf Anklagepunkte – die Überfälle auf Geschäfte und Supermärkte in Löhne und Celle 2011, in Stade 2012, in Elmshorn 2014 und in Northeim 2015 – nicht weiter Gegenstand im laufenden Verfahren sein sollen. Als Begründung wurde angeführt, dass sich mehrere, oft betagte und kranke Zeugen nicht mehr an die Geschehnisse erinnern könnten.

Das hatte sich im Laufe des Prozesses tatsächlich immer wieder bei den Zeugenbefragungen zu den einzelnen Anklagepunkten gezeigt. Die Zeugen konnten sich nach den vielen Jahren, die seit den verhandelten Taten vergangen sind, nicht mehr richtig an Abläufe oder Verdächtige erinnern. Auch sind Zeugen unter anderem von Gesprächen mit anderen Zeugen sowie von Berichten in Zeitungen, Fernsehen und im Internet beeinflusst worden. Sie hätten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in der Folge Beschreibungen etwa des Aussehens von Verdächtigen als Erinnerungen angegeben, die in Wirklichkeit keine eigenen Erinnerungen waren. Auch erhöhe sich nach Angaben der Staatsanwältin Annette Marquardt das zu erwartende Gesamtstrafmaß nicht signifikant, wenn diese fünf Anklagepunkte nicht eingestellt würden.

Ausgangspunkt dieser Entwicklung war ein nichtöffentliches Gespräch aller unmittelbar am Prozess Beteiligten auf Initiative der Richterkammer am 5. November. Der Vorsitzende Richter Engelke schlug sogar vor, sechs Anklagepunkte fallen zu lassen. Den sechsten Anklagepunkt, der Überfall in Osnabrück 2015, will die Staatsanwaltschaft dagegen weiter verhandelt wissen. Er soll im Januar 2026 in den Prozess eingeführt werden.

Ein weiterer Grund für die Einstellung der fünf Anklagepunkte ist vermutlich, den jetzigen Prozess abzukürzen. Denn die Bundesanwaltschaft plant, im Laufe des Jahres 2026 weitere Anklagen zu erheben. Klette soll beschuldigt werden, an mehreren Aktionen der RAF beteiligt gewesen zu sein. Es geht um den Beschuss der US-Botschaft in Bonn im Februar 1991 aus Protest gegen den Einmarsch der US-Armee in den Irak, den Anschlag auf die noch nicht fertiggestellte JVA Weiterstadt im März 1993 sowie den versuchten Anschlag auf ein Computerzentrum der Deutschen Bank in Eschborn im Februar 1990. Dieser Prozess soll im Herbst 2026 vor einem Oberlandesgericht beginnen.