Aktivist über Anzeige von Kölner Polizist: „Keine Beleidigung, sondern die Wahrheit!“

Die Kölner Polizei verbot bei mehreren Veranstaltungen zuletzt die Parole „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“. Weil ein Aktivist sie trotzdem anstimmte, erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Beleidigung – am 27. August kommt es zum Prozess. Perspektive Online hat mit dem Angeklagten gesprochen.
Kannst du schildern, warum du am 27.8. vor Gericht stehst? Was wird dir vorgeworfen?
Ich wurde angeklagt, weil ich die Parole „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ gerufen habe.

Das Ganze geht auf eine Demonstration am 18. März in Köln-Ehrenfeld zurück, an der ich teilgenommen habe und bei der ich, wie man das ja bei einer Demonstration so macht, Parolen gerufen habe. Bereits vor der Demo hatte genau ein Polizist der Versammlungsleitung mitteilen lassen, dass die Polizei, wenn die Parole „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ gerufen werden würde, eingreifen und wegen Beleidigung ermitteln wird.

An diesem Tag, dem Tag der politischen Gefangenen und dem Jahrestag der Errichtung der Pariser Kommune, wurde in den Redebeiträgen der Demonstration besonders viel über politische Gefangene in Köln, aber auch die Rolle des Staats in der Niederhaltung von politischem Protest gesprochen. Natürlich ging es deshalb auch um Polizeigewalt und die Rolle der Polizei als Verteidigerin der herrschenden Klasse. Ich habe deshalb unter anderem auch die Parole „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ angestimmt.

Ich möchte ein Sache besonders deutlich machen: Ich finde es richtig, diese Parole auf Demonstrationen zu rufen. Denn es wird mit ihr ja nichts falsches gesagt, sie ist keine Beleidigung, sondern die Wahrheit: Wir alle kennen die Fälle von Oury Jalloh, Adel B., Mouhamad Lamine Dramé, Lorenz und viele weitere.

Wir wissen, dass deutsche Polizist:innen Polizeimorde begehen und systematisch ihre, oftmals rassistischen, Taten vertuschen. Und wir wissen, dass es Netzwerke von Faschist:innen in der deutschen Polizei gibt – bekannt sind ja vor allem Chatgruppen von Polizist:innen geworden, in denen sie offen Hitlergrüße zeigen, antisemitische Bilder verbreiten und Kontakte zu faschistischen Organisationen hegen.

Meiner Meinung nach sollten viel mehr Menschen genau auf diese Tatsachen aufmerksam gemacht werden.

Die Kölner Polizei hat das natürlich anders gesehen und auf das Rufen der Parole genau so reagiert, wie sie angekündigt hat. Unmittelbar in der Nähe der Polizeistation auf der Venloer Straße, die übrigens vor ein paar Jahren auch Schlagzeilen mit gewaltverherrlichenden Macker-Chats gemacht hat, habe ich die Parole vor dem Demonstrationszug angestimmt. Daraufhin stellte sich uns ein Polizist in den Weg und verlangte, dass wir den Demozug anhalten und aufhören, die Parole zu rufen. Das haben wir alle ignoriert, sind nur kurz zum Stehen gekommen, haben die Parole aber weiter gerufen.

Am Ende der Demonstration hat die Polizei mich dann festhalten und meine Personalien aufnehmen können. Ein paar Wochen später landete ein gelber Brief in meinem Briefkasten – der Polizist, der unsere Demo anhalten wollte, hat mich wegen Beleidigung verklagt. Er begründet das damit, dass er behauptet, ich hätte die Parole nur gerufen, um ihn persönlich in seiner Ehre zu kränken.

Wird diese Parole denn bei jeder Veranstaltung von der Polizei in Köln auf diese Art und Weise kriminalisiert?
Tatsächlich war das nicht das erste Mal, dass die Polizei auf Demoveranstalter:innen zugeht und behauptet, dass die Parole „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ eine Straftat darstelle und deshalb nicht gerufen werden soll.

Bereits bei einer Demonstration am gleichen Ort in Köln-Ehrenfeld einen Monat vor dem 18.3. in Solidarität mit dem Antifaschisten Zaid, der zu der Zeit in Köln-Ossendorf in Auslieferungshaft saß, wurde die Parole kriminalisiert. Auch bei einer Kundgebung direkt vor dem Knast in Ossendorf für Zaid brachten die Polizist:innen das gleiche Argument, also dass die Parole eine Beleidigung sei und nicht gerufen werden dürfe. Bei beiden Veranstaltungen wurde die Parole aber trotzdem gerufen, niemand hatte sich einschüchtern lassen.

Und auch bei der revolutionären Demonstration zum 1. Mai in Köln-Kalk hat die Polizei mitteilen lassen, dass „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ nicht gerufen werden soll – genau wie palästinasolidarische Rufe wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ und „Von Köln bis nach Gaza, Yalla Intifada!“.

Was genau bezweckt die Polizei deiner Meinung nach mit dieser Kriminalisierung und der Anklage wegen Beleidigung?
Erstmal denke ich, dass es eigentlich nicht wirklich um „Beleidigung” geht – diesen Straftatbestand nimmt die Polizei derzeit nur als Vorwand, um die Parole kriminalisieren zu können, weil sie ansonsten rechtlich noch keine Handhabe für eine solche Einschränkung der Meinungsfreiheit hat.

Das Ziel der Kriminalisierung ist eindeutig: Solche und ähnliche Parolen, die die Wahrheit über den Charakter der Polizei kurz und eingängig vermitteln, sollen nicht mehr gerufen werden. Dass sich die Polizei die Mühe macht, mich anzuzeigen, ist denke ich deswegen vor allem Abschreckung – ich und viele andere sollen eingeschüchtert werden.

Letztendlich machen sich die Polizist:innen, die behaupten, dass sie persönlich beleidigt sind, wenn sie als Mörder und Faschisten bezeichnet werden, so zu Mittätern. Denn sie helfen aktiv mit, die Wahrheit über Polizeimorde und faschistische Netzwerke in der Polizei zu unterdrücken.

Dass genau jetzt die Polizei überhaupt auf solche Ideen kommt, ist auch kein Zufall: In Deutschland wird nicht nur nach außen, sondern auch nach innen massiv aufgerüstet und Deutschland braucht, um seine Interessen nach außen durchzusetzen, Ruhe im Inneren. Eine Demo, die durch eine deutsche Großstadt läuft und lauthals ruft, dass die Polizei nicht unser „Freund und Helfer“ ist, stört da natürlich.

Die Kriminalisierung dieser Parole gegen Polizeigewalt steht also auch im Zusammenhang mit anderen Repressionen gegen linken Aktivismus?
Auf jeden Fall gibt es Parallelen. Nehmen wir zum Beispiel das Verbot Palästina-solidarischer Parolen und die massive Polizeigewalt, die mit solchen Verboten bereits gerechtfertigt wurde. Oder, auch wieder in Köln, das Verbot des antimilitaristischen Rheinmetall Entwaffnen Camps. Auch da wird sogar ganz konkret eine Parole, nämlich die bekannte antimilitaristische Parole „Krieg dem Krieg, als Beweis dafür genommen, dass die Campteilnehmenden angeblich „unfriedlich“ seien.

Auch das ist natürlich vor allem ein vorgeschobener Grund, um die bundesweite Mobilisierung zum Camp und die antimilitaristische Aktionswoche gegen die Rüstungsindustrie in und um Köln zu stören. Hier können wir aber auch wieder sehr deutlich sehen, dass es der Kölner Polizei nicht recht ist, wenn tausende Kriegsgegner:innen demonstrieren wollen – schließlich würde das dafür sorgen, dass immer mehr Widerstand gegen die deutschen Aufrüstungspläne sichtbar wird.

Das will der Staat unter allen Umständen vermeiden und nutzt dafür eben auch die hanebüchesten Erklärungen für Verbote und Einschränkungen der demokratischen Grundrechte.

Wie wirst du auf diese Repression antworten?
Ich bin ja zum Glück nicht auf mich alleine gestellt, sondern bin Teil eines Kollektivs, das zusammen Politik macht und auch solchen Repressionen gemeinsam antwortet. Dieser Zusammenhalt macht vieles leichter: Es fällt mir nicht so schwer, optimistisch auf das Gerichtsverfahren zu blicken, wenn ich weiß, dass vor dem Gericht Genoss:innen auf mich warten und, egal wie das Verfahren ausgeht, wir danach sofort gemeinsam wieder gegen Polizeigewalt protestieren werden.

Denn das ist das wichtigste: Wir machen einfach weiter. Eben weil ich nichts falsch gemacht oder etwas unwahres gesagt habe, werden wir diese Parole auch zukünftig bei Demonstrationen rufen. Ja, der Staat und die Polizei werden sich in Zukunft wahrscheinlich sogar noch mehr einfallen lassen und noch härter gegen uns vorgehen, um für Ruhe zu sorgen – vor allem wenn sich die Situation international immer weiter zuspitzt und wir tatsächlich mit großen Schritten auf neue Kriege zugehen.

Heute sind Dinge wie Demos, Camps oder Reden gegen die Aufrüstung, gegen Polizeigewalt oder gegen die deutsche Politik im Allgemeinen für viele von uns noch selbstverständlich und oft interessiert sich der Staat ja auch gar nicht dafür. Doch je mehr Deutschland aufrüstet und die eigene Bevölkerung kriegstauglich und kriegsbereit machen muss, werden solche Dinge auch illegalisiert und verboten werden.

Darauf muss unsere Antwort vor allem sein, um jede Demo, jede Rede und ja, auch jede Parole, zu kämpfen.

https://perspektive-online.net/2025/08/aktivist-ueber-anzeige-von-koelner-polizist-keine-beleidigung-sondern-die-wahrheit