AKTUELLES UND INFORMATIONEN ZUM HISTORISCHEN KAMPF GEGEN ISOLATIONSGEFÄNGNISSE IN DER TÜRKEI

Betreff: Dringende Informationen zu Grubengefängnissen und zum Widerstand der Gefangenen in der Türkei

  1. Einleitung

Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Hochsicherheitsgefängnisse vom Typ S, R und Y (auch „Brunnen- oder Grubengefängnisse” genannt) in der Türkei, ihre Architektur, die Geschichte des Widerstands und aktuelle Menschenrechtsprobleme. Diese Gefängnisse sind Teil eines Hochsicherheitsvollzugssystems der „neuen Generation” aus den 2000er Jahren, das auf maximale Isolation und Kontrolle ausgelegt ist und insbesondere politische Gefangene ins Visier nimmt.

Es umfasst:

Einen historischen Überblick über die Entwicklung der Gefängnisse vom Typ S, R und Y.
Architektonische Merkmale und die Logik hinter ihrer Gestaltung.
Eine Zeitleiste des Widerstands von 2000 bis 2025.
Aktuelle Hungerstreiks und Todesfastenaktionen von Gefangenen.
Breitere politische und zivilgesellschaftliche Reaktionen.
Die Dringlichkeit der Situation und Aufrufe zur Aufmerksamkeit für die Bedingungen in diesen Gefängnissen.

  1. Eine kurze Geschichte der Einzelhaftgefängnisse in der Türkei

Die türkischen Gefängnisse vom Typ S, R und Y sind Erweiterungen der Gefängnisse vom Typ F, die um das Jahr 2000 nach der Operation „Rückkehr zum Leben” eingeführt wurden. Sie wurden für maximale Isolation konzipiert und zielen insbesondere auf politische Gefangene ab.

Überblick über den zeitlichen Ablauf

Gefängnisse vom Typ F (2000): Kleine, isolierte Zellen ersetzen die schlafsaalartigen Unterkünfte. Im Mittelpunkt des Widerstands „Todesfasten” von 2000 bis 2007.

S-Typ-Gefängnisse (2005–2007): Kleinere F-Typ-Gefängnisse für „Terroristen” und organisierte Kriminelle mit 1–3-Personen-Zellen und kleinen Innenhöfen.
R-Typ-Gefängnisse (Ende der 2000er–2010er Jahre): Wurden als Rehabilitationszentren präsentiert, dienten in der Praxis jedoch als „Todeshäuser” für kranke und ältere Gefangene.
Y-Typ-Gefängnisse (2018–2022+): Das härteste Modell, keilförmige, schalldichte Einzelzellen, abgelegene Standorte und extreme Isolation.
Architektonische Merkmale

S-Typ:

Kleine Zellen für 1–3 Gefangene mit betonierten Höfen.
24/7-Überwachung, wodurch die Sozialisierung auf die Zellengenossen beschränkt ist.
R-Typ:

Krankenhausähnliche Blöcke mit Isolationsstationen.
Begrenzter Zugang zu medizinischer Versorgung: Gefangene werden oft sich selbst überlassen.
Y-Typ:

Keilförmige, schalldichte „geschlossene Box”-Zellen.
Maximale Fragmentierung des Kontakts zwischen Gefangenen; werden als „Gräber der Stille” bezeichnet.
Allgemeine Merkmale:

Isolation, um das Gemeinschaftsleben und die Solidarität zu zerstören.
Hohe Mauern, Schallisolierung, überwachte Besuche.
Begrenzte oder keine Gemeinschaftsräume; schwere psychologische Auswirkungen.

  1. EU- und internationale Standards

EU-Grundrechtecharta (Art. 4): Verbietet unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; übermäßige Einzelhaft verstößt gegen dieses Recht.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Langfristige oder unbefristete Einzelhaft kann eine unmenschliche Behandlung darstellen.
Europäische Strafvollzugsgrundsätze (2020): Einzelhaft nur in Ausnahmefällen; längere Einzelhaft (>15 Tage) verboten.

UN-Mandela-Regeln (2015): Längere Einzelhaft = Folter oder Misshandlung.

  1. Zeitleiste des Widerstands in der Türkei (2000–2025)

Jahr Ereignis/Widerstand
2000 „Operation Rückkehr ins Leben“ – 28 Gefangene getötet; Beginn von Massenhungerstreiks und Todesfasten.
2000–2007 Todesfasten von Gefangenen der DHKP-C, MLKP, TKP/ML; 122 Todesfälle; internationale Solidarität mobilisiert. Zugeständnisse erreicht.
2005–2010 Widerstand breitet sich auf S-Typ-Gefängnisse aus; Hungerstreiks und Proteste von Familien (z. B. TAYAD).
2010er Jahre Proteste gegen Gefängnisse vom Typ R („Krankenhausgefängnisse”); kranke Gefangene verweigern medizinische Behandlung in Handschellen; Familien machen Todesfälle öffentlich.

2016 Ausnahmezustand nach dem Putsch; Isolation verschärft.
2018–2019 Gefängnisse vom Typ Y entstehen; totale Isolation; Hungerstreiks und geschmuggelte Briefe machen Folter öffentlich.
2018–2021 Leyla Güven und landesweite Hungerstreiks; Tausende beteiligen sich in allen Gefängnistypen.
2020–2021 COVID-19 wird genutzt, um die Isolation zu verschärfen; Gefangene protestieren mit Hungerstreiks und Verweigerung von SEGBİS.
2022–2025 Anhaltender Widerstand in Gefängnissen vom Typ R, S und Y; Familien und Anwälte dokumentieren die Bedingungen; Forderungen nach Schließung werden lauter.

  1. Wichtige Gefangene, die derzeit Widerstand leisten

Serkan Onur Yılmaz: 291 Ali Aracı: 191 Seval Aracı: 13 Ali Dilmen: 18 Ayberk Demirdöğen: 170 Fikret Akar: 148 Fırat Kaya: 33 Ümit Çobanoğlu: 91 Gürkan Türkoğlu: 31 Tahsin Sağaltıcı: 31 Hüseyin özen: 31

Name Gefängnis Typ Beginn Aktueller Tag Anmerkungen / Forderungen
Serkan Onur Yılmaz Bolu F-Typ 10. November 2024 297 Hat Hungerstreik in Todesfasten umgewandelt (31. Juli); fordert Schließung von Isolationshaftzellen, Verlegung von 8 Mitgefangenen, Wiederherstellung von Rechten.
Ayberk Demirdöğen Kırıkkale F-Typ 11. März 2025 177 Am 27. August auf Todesfasten umgestellt.
Ali Aracı (Grup Yorum) Ankara – Sincan Hochsicherheitsgefängnis Nr. 1 Einzelhaft 18. Februar 2025 198 Unbefristeter Hungerstreik.
Fikret Akar Çorlu Hochsicherheitsgefängnis Y-Typ 30. März 2025 158 Unbefristeter Hungerstreik.
Ümit Çobanoğlu Antalya Hochsicherheitsgefängnis R/S-Typ 29. Mai 2025 98 Hungerstreik mit der Forderung nach Schließung der Todeszellen.
Fırat Kaya (Grup Yorum) Kirikkale F-Typ 27. Juli 2025 39 Hungerstreik; fordert ein Ende der Unterdrückung von Grup Yorum und anderen Künstlern; Erfüllung aller Forderungen der Gefangenen.
Tahsin Sağaltıcı Antalya Hochsicherheitsgefängnis Grubenhaft 27. Juli 2025 39 Hungerstreik für die Schließung von Well-Typ-Gefängnissen.
Gürkan Türkoğlu Antalya Hochsicherheitsgefängnis Grubenhaft 27. Juli 2025 39 Wie oben.
Seval Aracı Marmara Geschlossen, Silivri 15. August 2025 20 Hungerstreik für die Schließung von Todeszellen, Unterstützung seines Bruders Ali Araci.
Ali Dilmen Kocaeli Hochsicherheitsgefängnis Typ F Nr. 2 Grubenhaft 11. August 2025 24 Hungerstreik für die Schließung von Todeszellen.
Hüseyin Özen Antalya Hochsicherheitsgefängnis Grubenhaft 18. August 2025 17

  1. Breiterer Widerstand der Politik und Zivilgesellschaft

ESP (Sozialistische Partei der Unterdrückten): Hungerstreiks und Petitionen nach Verlegungen in Grubenhaftgefängnisse.

DEM-Partei: Öffentliche Forderung nach Schließung von Gefängnissen vom Typ „Well-Type“.
CİSST: Dokumentierte Rechtsverletzungen; hervorgehoben wurden Isolation, eingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung und Behinderung des Familienkontakts.
Dr. Şebnem Korur Fincancı: Forensische Expertin; beschrieb die Bedingungen als faktisch folterähnlich.

  1. Aktuelle Berichte und Erkenntnisse zu Gefängnissen vom Typ Y/S („Well-Type“)
  2. Pressekonferenz der Vereinigung zeitgenössischer Anwälte (ÇHD) – Mai 2025

Anwälte der ÇHD äußerten ernsthafte Bedenken hinsichtlich Y-Typ-, S-Typ- und Hochsicherheitsgefängnissen („Well-Type-Gefängnissen”) und beschrieben diese als Einrichtungen mit verschärfter Isolation.
Ihren Berichten zufolge verbringen die Insassen 23 Stunden am Tag in ihren Zellen, mit nur einer Stunde Belüftung, die keinen menschlichen Kontakt zulässt.
Das Isolationsregime begann in den 2000er Jahren mit Gefängnissen vom Typ F und hat sich seit 2021 erheblich verschärft, wobei der Staat diese Gefängnisse völlig undurchsichtig und ohne öffentliche Transparenz betreibt.
Anwälte bezeichneten dies als eine faktisch unbefristete Einzelhaftstrafe, die besonders ungeheuerlich ist, da selbst Insassen, die nicht zu einer verschärften lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, dauerhaft in Einzelzellen untergebracht sind – was gegen Artikel 25 des türkischen Strafvollzugsgesetzes verstößt.
In den Zeugenaussagen werden diese Gefängnisse als Einrichtungen beschrieben, die darauf ausgelegt sind, „die soziale Natur eines Menschen zu zerstören“, in denen selbst der Austausch grundlegender sozialer oder Lesematerialien verboten ist.
Die türkische Menschenrechtsstiftung (TİHV) berichtet über Einzelhaft in Gefängnissen

  1. Alternativbericht der TİHV an den UN-Ausschuss gegen Folter (Juli 2024)

Im Juli 2024 legte die TİHV dem UN-Ausschuss gegen Folter einen alternativen periodischen Bericht vor. Der Bericht stellt fest, dass Folter zugenommen hat und Einzelhaft in türkischen Gefängnissen zur Normalität geworden ist. Er hebt auch eine Kultur der Straflosigkeit hervor, die durch die Entscheidungen des Verfassungsgerichts (AYM) noch verstärkt wird. Wichtig ist, dass seit 2022 mindestens 73 Gefangene gestorben sind, wobei viele Todesfälle mit ihrem Gesundheitszustand und der Isolation im Gefängnis in Verbindung stehen.

Dieses Dokument ist besonders bedeutsam, da es Einzelhaft nicht als Ausnahmefall, sondern als akzeptierte Praxis darstellt – was es umso alarmierender macht.

  1. Felddaten zu Misshandlungen und Einzelhaft in Gefängnissen (2020–2021)

Ein gemeinsamer Bericht von TİHV und İHD aus dem Jahr 2021 mit dem Titel „Die Realität der Folter in verschiedenen Dimensionen in der Türkei” dokumentiert qualitative und quantitative Daten, die zeigen, dass Häftlinge in Gefängnissen mit harten Disziplinarmaßnahmen konfrontiert sind, darunter

Leibesvisitationen bei der Einlieferung
Zwangsweise Nummerierung und Stehenlassen
Grobe Schläge
Willkürliche Disziplinarstrafen
Einzelhaft
Verweigerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung und Rechtsbeistand
Schwere Vernachlässigung der Gesundheit und verdächtige Todesfälle von Gefangenen
Obwohl sich dieser Bericht in erster Linie allgemein mit Folter und Misshandlung befasst, unterstreicht er, dass Einzelhaft eine von mehreren unmenschlichen Praktiken ist, die in Haftanstalten routinemäßig angewendet werden.

Hintergrund: Allgemeine Muster der Isolation in Einzelhaft und Kleingruppen in türkischen Gefängnissen

  1. Fallstudie – Neslihan Ekinci (Harvard Human Rights Journal, 2019)

Der Fall Ekinci veranschaulicht, wie die türkischen Behörden systematisch ohne gerichtliche Verurteilung Einzelhaft einsetzen, um mutmaßliche Dissidenten zu bestrafen, zu demotivieren und abzuschaffen.
Diese Praxis verstößt, insbesondere wenn sie auf unbestimmte Zeit und ohne Berufungsmöglichkeit verhängt wird, gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung verbietet.

  1. Kontext und Dringlichkeit

Todesfasten und Hungerstreiks setzen langjährige Traditionen des Widerstands fort.
Gefangene erleiden durch den längeren Entzug von Nährstoffen, Sonnenlicht und menschlichem Kontakt irreversible Schäden.
Solidarität und Überwachung sind entscheidend, um weitere Todesfälle zu verhindern.

  1. Aufruf zum Handeln

Erhöhen Sie den internationalen Druck: Fordern Sie die türkische Regierung auf, ihre Politik der langwierigen Einzelhaft unverzüglich abzuschaffen und die Isolationsgefängnisse vom Typ S, R und Y zu schließen, in denen Gefangene unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sind.
Gewährleisten Sie humane Verlegungen: Sorgen Sie für die sofortige Verlegung aller in Isolationshaft befindlichen Gefangenen in Einrichtungen, in denen sie sinnvolle menschliche Kontakte, soziale Interaktion und Zugang zu Rehabilitationsmaßnahmen pflegen können.
Grundrechte schützen: Überwachen Sie die Haftbedingungen und garantieren Sie den Gefangenen das Recht auf angemessene Gesundheitsversorgung, uneingeschränkten Zugang zu Rechtsbeistand und regelmäßige Familienbesuche.
Globales Bewusstsein schaffen: Machen Sie auf die dringenden Menschenrechtsverletzungen in den Hochsicherheitsgefängnissen der Türkei aufmerksam und mobilisieren Sie Solidarität auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene, um die Verwendung von Isolation als Form der Bestrafung zu beenden.

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)
https://is4pp.org/2025/09/03/updates-and-info-on-the-historical-struggle-to-isolation-prisons-in-turkey