Anfang der Woche wurde den Verteidigern im „Münchner Kommunistenprozess“ gegen die “Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten” der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) zugestellt. Darin erteilt der BGH dem Antrag auf Revision eine kurze und knappe Absage.
Im Juli 2020 wurden zehn Kommunist:innen wegen vermuteter Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ – mittels des berüchtigten Artikels 129b Strafgesetzbuch – zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen sich an der Auslandsarbeit der in der Türkei verbotenen Organisation “Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten Leninisten” (TKP/ML) beteiligt haben.
Am Montag hat nun der Bundesgerichtshof den Antrag auf Revision durch die Verteidiger der Kommunist:innen der TKP/ML im Zuge der als „Münchner Kommunistenprozess“ bekannt gewordenen Verfahren zurückgewiesen. Das Urteil bleibt demnach bestehen.
Punkte für die Revision
Das Verfahren unterlag einiger Besonderheiten:
Als Staatsschutzverfahren gehört der „Kommunistenprozess“ erstens zu den längsten politischen Prozessen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: dieser „absurde Mammutprozess“ dauerte von Juni 2016 bis Juli 2020, also mehr als 4 Jahre, und nahm 234 Hauptverhandlungstage in Anspruch. Einer der Angeklagter, Müslüm Elma, saß währenddessen über 5 Jahre in Untersuchungshaft.
Zweitens war es das erste Verfahren in Deutschland, das wegen einer vermuteten Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten Leninisten (TKP/ML) geführt wurde.
Drittens wurde keiner bzw. keinem der Angeklagten die Beteiligung an einer konkreten Straftat – insbesondere keine Gewalthandlung – in Deutschland vorgeworfen. Kriminalisiert wurde allein die vermeintliche Mitgliedschaft in der Organisation TKP/ML.
Viertens war es das erste mal, dass Angeklagte wegen der Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen“ Organisation nach Artikel 129b StGB verurteilt wurden, die auf keiner internationalen Terrorliste steht, in Deutschland nicht verboten ist und deren Mitglieder zudem z.T. einen Flüchtlingsstatus in Deutschland besaßen. Lediglich die Türkei stuft die Organisation als terroristisch ein.
Der Verteidiger Frank Jasenski hat zudem formale Fehler im Strafprozess angeführt. So habe das Gericht in München illegale Beweismittel wie Fotos aus der Video-Überwachung der Angeklagten stattgegeben.
Politisch-motiviert?
Dass den Angeklagten keine Verstöße gegen das deutsche Strafgesetz vorgeworfen werden und das Verfahren nur durch eine Verfolgungsermächtigung der deutschen Justiz ermöglicht wurde, bewegte Kritiker:innen dazu, das Verfahren als politisch motiviert zu kritisieren.
Bereits damals kündigten die Anwält:innen der Angeklagten an, in Revision gegen das Urteil zu gehen. Ihnen zufolge sei das Urteil „Ausdruck politischer Justiz“. Verurteilt worden seien keine kriminellen Taten, sondern lediglich eine politische Haltung und Gesinnung. Es zeige einmal mehr, wie problematisch der § 129b StGB selbst, aber auch die Erteilung von Verfolgungsermächtigungen seien, die dazu führen, dass die hiesige Justiz Widerstand gegen das Erdogan-Regime kriminalisiere und dieses damit unterstütze.
Dabei hatte das Gericht in München während des Verfahrens sogar zugestanden, dass das Verfahren im Interesse der Türkei geführt werde und an dem diktatorischen Charakter des Erdogan-Regimes keinen Zweifel gelassen. Auch das Gutachten des Seitens des Gerichts geladenen Sachverständigen kam zu dem Ergebnis, die eigentliche Bedrohung für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei von der AKP und Erdogan selber ausgehe – aber nicht von der TKP/ML. Dennoch erfolgten Verurteilungen zu hohen Haftstrafen.
Revision abgelehnt
Der Bundesgerichtshof hielt seine Begründung für die Ablehnung derweil reichlich „schlank“, wie Jasenski es gegenüber Perspektive Online ausdrückt. Auf nur sechs Seiten erkläre der BGH, die TKP/ML gehöre bewiesenermaßen durch den Art. 129 b) StGB bestraft.
Mit der Ablehnung durch den BGH kommt es nun dazu, dass Müslüm Elma jetzt eventuell wieder für ein Jahr und drei Monate in Haft müsse sowie Erhan Aktürk ein weiteres Jahr und Deniz Pektas ein Jahr und acht Monate inhaftiert bleiben.
Laut dem Verteidiger stehen damit keine weiteren „echten Rechtsmittel“ zur Verfügung, um diese Reststrafen noch zu verhindern. Einzig eine Verfassungsbeschwerde oder der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stünden nunmehr offen.
Politische Dimension
Zuerst berichtet über die Ablehnung der Revision hatte das Magazin “Rote Fahne News”. Dort erklärte Peter Weispfenning, ein Sprecher der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), dass mit dem Urteil wohl eine „weitergehende allgemeine Kriminalisierung des (…) Sozialismus“ in Deutschland vorbereitet werde. Die Kritik an staatlichen Repressionen, verschärfter Rechtsentwicklung der Regierung und der Faschisierung des Staatsapparats in Deutschland sei zu verstärken.
Die Verwendung des Artikels 129 StGB nimmt derzeit drastisch zu. So stehen z.B. Lina E. als auch die „Letzte Generation“ und die palästinensische Gefangenenorganisation „Samidoun“ damit Fokus der Kriminalisierung durch den deutschen Staat.