Eigentlich geht es jedoch darum, die Globalisierung des Kampfes zu hemmen, insbesondere die Verknüpfung verschiedener lokaler Kämpfe untereinander. Was neben unzähligen anderen Menschen auch die jetzt betroffenen Personen betrifft, hatte das LKA über Jahre seine Fälle vorzugsweise um die Rigaer Straße herum konstruiert und war daran gescheitert, einen herbeigeredeten Kern zu eliminieren. Das BKA baut nun auf diesen Ermittlungen auf, greift die selben rebellischen Strukturen aber mit einer anderen Strategie an. Hinter den Ermittlungen sehen wir den Versuch, die durch das LKA praktizierte Anerkennung ineinandergreifender Kämpfe in dieser Stadt zu beenden. Menschen, die Jahre währende Verfahren wegen Bagatellen wie einer Fahrraddemo ertragen mussten, nur weil diese im Kontext Rigaer stand, werden jetzt durch das BKA belästigt, welches in seinen 129er-Ermittlungen schwerstens darum bemüht ist, den Kontext zu verschleiern, in dem genau diese Menschen handeln und in der diese Aktionen stattfanden und -finden.
Teil jener staatlicher Bemühungen die politische Konsistenz seiner Gegner zu negieren – und darin wird die Widersprüchlichkeit im Staate sichtbar – ist die Entpolitisierung der Beschuldigungen. Einerseits existiert eine Rhetorik der politisch motivierten Kriminalität, andererseits die Behauptung nicht vorhandener politischer Motive. Menschen werden angeklagt, aus politischer Ideologie heraus Angriffe auf die Demokratie zu organisieren. Gleichzeitig jedoch ist die einzige mögliche Antwort die des Gesetzbuches. So wird das politische Motiv vom Staat gerne dazu genutzt, größere Tribunale zu veranstalten und härter Strafen zu verhängen, darüber hinaus jedoch kann von seinen Institutionen deren eigentliche Bedeutung nur geleugnet werden, um nicht ihre gesamte Existenz in Frage stellen zu müssen.
Die Konstruktion imaginärer Gruppen dient der Intensivierung der Verfolgung. Während einerseits der Kampf individualisiert wird, wie wir es z.B. bei der Erfindung nicht existierender Anführer der Rigaer94 sehen, wird gleichzeitig nicht gezögert, eine Kollektivschuld im Rahmen von Gruppen herzustellen, die von Grund auf nur zu Zwecken der Verfolgung erfunden werden. Indem von radikalen Einzelpersonen geredet wird, die nichts als die „Radikalisierung der guten Teile der Bewegung“ im Schilde führen, versuchen der Staat und seine Polizeien die Spaltung. Es handelt sich dabei um eine altbekannte Strategie, wahlweise zur Trennung in gute Demonstrant*innen, die eine Versammlung anmelden, und böse Demonstrant*innen, die sich für die Nicht- Anmeldung entscheiden; oder in gute Hausbesetzer*innen, die ihr Projekt legalisieren wollen und böse Hausbesetzer*innen, die sich für die illegale Verteidigung entscheiden. Auch die Extremismustheorie kommt in diesem Versuch der öffentlichen Delegitimierung der Angeklagten wieder zum Einsatz.
Nun, da unsere Analysen und Hypothesen bezüglich der „düsteren“ Motive des deutschen Staats ein Fass ohne Boden sein können, ist das Wichtigste für uns als Bewegung gegen die zunehmenden repressiven Kampagnen aufzustehen und darüber nachzudenken, wie wir als Kollektiv unsere Werte und Praxen im Geiste der Solidarität und gegenseitiger Hilfe verteidigen können. Denn für uns ist es von vorn herein klar, dass die Entscheidung zur Verbreiterung unserer Politik durch direkte und antiinstitutionelle Kämpfe zu immer mehr Repression führen kann. Der Staat und das Kapital verteidigen lediglich ihr Fortbestehen, wenn sie alles Feindliche unterdrücken. Aus diesem einfachen Grund war, ist und bleibt Repression immer ein Teil des Kampfes selbst. Auch deshalb ist unser Vorschlag und Angebot die Solidarität für Alle, die von Repression betroffen sind. Im Augenblick, wo der Staat seine Zähne zeigt und seine Klauen ausfährt, müssen wir gemeinsam dagegen halten. Indem wir die Repression, die Teile unserer rebellischen Strukturen trifft, kollektivieren, machen wir deutlich, dass wir durch die rachsüchtigen Taktiken des Staates nicht nur entschlossener werden, sondern verwirklichen gleichsam die Parole „Getroffen hat es Eine*n – gemeint sind wir alle“.
Es kann keine Lösung für uns darstellen, unsere Mitstreiter*innen zu isolieren oder auszuschließen. Je mehr der Kampf sozialisiert wird, um so größer wird die Interaktion und Verbindung von unterdrückten Menschen und sozialen Gruppen. Sobald der Staat Fälle konstruiert, Knäste bereithält und die Fesseln enger werden, wählen wir die Solidarität, um die Mauern zwischen uns einzureißen um an ihrer statt Brücken der Unterstützung, Solidarität und des Gegenangriffs zu errichten.