DRINGENDER APPELL AN DIE UNO

Betreff: Dringender Appell bezüglich Menschenrechtsverletzungen aufgrund des Modells der verschärften Einzelhaft in türkischen Y-Typ- und Hochsicherheitsgefängnissen

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Şükriye Akar, ich bin deutsche Staatsbürgerin türkischer Herkunft. Ich wende mich mit großer Besorgnis und Dringlichkeit an Sie, um auf die anhaltenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen aufmerksam zu machen – insbesondere in solchen, die nach dem sogenannten „Modell der verschärften Einzelhaft” betrieben werden, das in Y-Typ-, S-Typ- und anderen Hochsicherheitsanstalten umgesetzt wird.

Dieses Modell der Inhaftierung, das in den letzten vier Jahren zunehmend angewendet wird, ist durch extreme und lang anhaltende Isolation gekennzeichnet, oft mit minimalem menschlichen Kontakt, und wird in Gefängnissen umgesetzt, die strukturell und betrieblich so gestaltet sind, dass sie solche Bedingungen ermöglichen. Tragischerweise ist mein Ehemann, Fikret Akar, seit dem 1. Februar 2025 im Hochsicherheitsgefängnis Karatepe diesen Bedingungen ausgesetzt, wo er unter strenger Isolation festgehalten wird.

Aufgrund der unmenschlichen Bedingungen und der Nichtbeachtung seiner Appelle befindet sich mein Mann seit dem 30. März 2025 im Hungerstreik – mittlerweile seit fast 130 Tagen. Sein Gesundheitszustand ist äußerst prekär, und sein Leben ist in Gefahr.

A. Beschreibung der Gefängnisarchitektur und Isolationspraktiken

Die betreffenden Einrichtungen – insbesondere S-Typ-, Y-Typ- und andere Hochsicherheitsgefängnisse – werden von den Insassen aufgrund ihrer bedrückenden Architektur oft als „Grubengefängnisse” bezeichnet. Diese Gefängnisse bestehen aus isolierten, mehrstöckigen Zellblöcken mit stark eingeschränktem Zugang zu frischer Luft, Sonnenlicht oder zwischenmenschlichen Kontakten.

Wichtige Aspekte sind: Architektonische Isolation: Einzel- und Dreierzellen sind über Module (A1 bis A5) verteilt, und der Kontakt zwischen den Modulen ist strengstens untersagt. Die meisten Gefangenen sind 22 bis 23 Stunden pro Tag in ihren Zellen eingesperrt.

Kontrollmaßnahmen: Zellentüren und Kommunikationssysteme werden elektronisch über ein lokales Bedienfeld (LKP) gesteuert. Der einzige Kontakt der Insassen zum Personal oder zur Außenwelt erfolgt über eine Gegensprechanlage. Minimale Hofzeit: Der Zugang zum Hof ist auf 1–2 Stunden täglich beschränkt, und die Einrichtung ist so angelegt, dass sich die Gefangenen selten begegnen.

Eingeschränkte Aktivitäten: Nur Insassen, denen „gutes Verhalten“ attestiert wird, erhalten eingeschränkten Zugang zu Werkstätten, Sport oder Besuchen.

Ständige Überwachung: Die Zellen werden nahezu ständig visuell überwacht, was die psychische Belastung noch verstärkt.

Physische Umgebung: Der Mangel an Sonnenlicht, die schlechte Belüftung und die feuchten Bedingungen stellen erhebliche Gesundheitsrisiken dar.

Diese Gestaltungselemente dienen nicht nur der Isolierung, sondern auch der Entmenschlichung.

B. Das Isolationsmodell und seine Auswirkungen auf die Menschenrechte

Dieses Modell der Inhaftierung verstößt gegen mehrere Kernprinzipien der internationalen Menschenrechtsgesetze:

Lange Isolation: Die Gefangenen werden in Räumen festgehalten, in denen soziale und physische Interaktion praktisch ausgeschlossen ist, oft für unbestimmte Zeit.

Eingeschränkter Kontakt zu Familie und Rechtsbeistand: Die Kommunikation wird streng kontrolliert, Besuche sind begrenzt und werden überwacht.

Entzug sinnvoller Aktivitäten: Bildungs-, Kultur- und Freizeitaktivitäten sind praktisch unzugänglich.

Körperliche und psychische Schäden: Diese Bedingungen führen zu schwerwiegenden körperlichen Beeinträchtigungen und psychischen Krisen, darunter Depressionen, Halluzinationen und Selbstmordgedanken.

Folter und grausame Behandlung: Diese Praxis entspricht der Definition der Vereinten Nationen für Folter oder grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.

Verstoß gegen die Nelson-Mandela-Regeln: Diese Regeln verbieten eine längere Einzelhaft und verlangen eine humane Behandlung.

C. Internationaler Rechtsrahmen

Die folgenden internationalen Instrumente werden durch diese Praktiken direkt verletzt:

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 5

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 7

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln)

D. Aktueller Status von Fikret Akar

Die Lage meines Mannes ist verzweifelt. Er hat einen längeren Hungerstreik als Form des friedlichen Protests begonnen. Trotz seines kritischen Gesundheitszustands wird er von der Gefängnisverwaltung weiterhin schikaniert und seine Bedürfnisse werden ihm verwehrt:

Vitamin B1, das für die Vorbeugung neurologischer Schäden unerlässlich ist, wurde ihm erst am 108. Tag seines Hungerstreiks verabreicht.

Grundlegende Ernährungsbedürfnisse (wie Zucker als Energiequelle) wurden ihm verweigert, bis ein Gerichtseingriff eine minimale Einhaltung der Vorschriften erzwang.

Unter dem Vorwand von Rohrreparaturen wurde er in eine unhygienische Zelle verlegt, die er aufgrund seiner körperlichen Schwäche nicht reinigen konnte.

Diese Maßnahmen zeugen von vorsätzlicher Gleichgültigkeit und gezielter Misshandlung und stellen nach internationalem Recht Folter dar.

Seine einzige Forderung – die Verlegung in ein Gefängnis ohne Einzelhaftzellen – wurde ignoriert. Diese Forderung ist vernünftig, lebensrettend und für das Justizministerium logistisch machbar.

Appelle und Forderungen

Angesichts der Schwere der Lage bitte ich den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte höflichst,

eine sofortige Untersuchung der Anwendung von verschärfter Einzelhaft in S-Typ-, Y-Typ- und Hochsicherheitsgefängnissen in der Türkei einzuleiten;

die Republik Türkei nachdrücklich aufzufordern, diese Verstöße einzustellen und die internationalen Standards für die Behandlung von Häftlingen einzuhalten;

einen internationalen Bericht zu diesem Thema zu veröffentlichen und diese Praxis offiziell zu verurteilen;

dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die sofortige Verlegung meines Mannes in eine Einrichtung zu gewährleisten, die den grundlegenden Menschenrechtsstandards entspricht.

Ich vertraue darauf, dass Ihr Büro diese Angelegenheit mit der dringend erforderlichen Dringlichkeit und Aufmerksamkeit behandeln wird. Für weitere Unterlagen oder Aussagen, die Ihrer Untersuchung dienlich sein könnten, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.
https://is4pp.org/2025/08/21/german-dringender-appell-an-die-uno