DRUCK AUS ANKARA: Revisionsversuche zwecklos

Gericht bestätigt Urteile gegen Kommunisten aus der Türkei
Sie sammelten Geld für Ihre Partei, organisierten Veranstaltungen und warben Mitglieder. Allein für diese Aktivitäten wurden im Juli 2020 neun Männer und eine Frau türkischer respektive kurdischer Herkunft vom Oberlandesgericht (OLG) München zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) knapp drei Jahre später die Revision der angeklagten Kommunisten als unbegründet verworfen und die Urteile bestätigt. Das teile das Gericht am Freitag in Karlsruhe mit.

Vier Jahre hatte das Verfahren vor dem OLG München gedauert. Die neun Männer und eine Frau waren nach dem Strafgesetzbuchparagraphen 129b angeklagt worden, einer »terroristischen Vereinigung im Ausland« anzugehören. Das Gericht kam zum Schluss, dass die Angeklagten einem Auslandskomitee der in der Türkei verbotenen Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) angehört hätten. Dieses Komitee habe die maoistische Partei durch Spendensammlungen, Mitgliedergewinnung sowie das Organisieren von Veranstaltungen unterstützt. Dabei hätten die Zehn in dem Bewusstsein gehandelt, dass die Partei in der Türkei einen Umsturz geplant und dazu auch Anschläge verübt habe, bei denen Menschen ums Leben gekommen seien.

Der Hauptangeklagte Müslüm Elma, der sich zum Zeitpunkt der Urteilsverkündigung als einziger der Angeklagten nach mehr als fünf Jahren noch in Untersuchungshaft befand, wurde damals wegen »Rädelsführerschaft« zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Der 60jährige, der in der BRD als politischer Flüchtling anerkannt ist, hatte in der Türkei aufgrund seiner kommunistischen Überzeugung bereits mehr als 20 Jahre in Haft verbracht. Deniz Pektas, der von Frankreich aufgrund eines deutschen Haftbefehls ausgeliefert worden war, wurde zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die einzige mitangeklagte Frau, die Nürnberger Ärztin Banu Büyükavci, bekam dreieinhalb Jahre Haft.

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Die Verteidiger hatten Freisprüche beziehungsweise die Einstellung des Verfahrens gefordert. Sie verwiesen darauf, dass ein Großteil der Beweisakten von türkischen Ermittlungsbehörden stammte. Auf ihrem Prozessblog schrieben sie damals: »Das Urteil ist Ausdruck politischer Justiz. Verurteilt worden ist nicht kriminelles Unrecht, sondern eine politische Haltung und Gesinnung.« Das Verfahren sei eine »Auftragsarbeit für die Türkei«. Unter Berücksichtigung auswärtiger Interessen hatte das Bundesjustizministerium der Bundesanwaltschaft erst eine Verfolgungsermächtigung nach dem Strafgesetzbuchparagraphen 129b gegen die hierzulande nicht verbotene TKP/ML erteilen müssen.

Die in den 1970er Jahren gegründete, mittlerweile mehrfach gespaltene, TKP/ML führt einen teils militanten Kampf gegen den türkischen Staat. In der BRD ist sie nicht illegal, wird aber vom Verfassungsschutz beobachtet. Bei den Revisionen zum BGH ging es unter anderem darum, ob das OLG bestimmte Observationsberichte verwerten durfte. Aber auch »die auf die Sachrügen veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils« habe »keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben«. Die deutsche Justiz macht sich nun einmal mehr zum Handlanger der türkischen Staatspolitik.

Von Kristian Stemmler Junge Welt 10.6.