Liebe Genossinnen, liebe Freundinnen,
Es ist ganz wunderbar, dass ihr da seid.
Wir senden euch herzliche Grüße und ein großes Dankeschön.
Eure Solidarität hat uns stärkend durch diesen langwierigen Prozess getragen. Wir konnten uns immer auf euch verlassen.
Genauso wie damals bei den Protesten gegen den Gipfel. Trotz all der schockierenden Erlebnisse dort, hat uns der Zusammenhalt – auf der Straße wie im Gewahrsam – um so stärker daraus hervorgehen lassen. Gemeinsam schaffen wir so eine Perspektive, und zusammen setzen wir sie hier bereits um.
Ihr gebt uns Mut und Kraft. Ihr habt sehr viel eurer Zeit und Energie darein gesteckt – ohne euch würde es uns heute nicht so gut gehen und ohne euch wären wir wahrscheinlich heute nicht an dem Punkt, dass ein Großteil der Anklage in sich zusammengebrochen ist.
Ihr kümmert euch darum, dass niemand allein gelassen wird.
Und ihr bietet diesen fürchterlichen Verhältnissen die Stirn.
Unser Protest ist notwendig. Und er war es auch vor sieben Jahren. Die Beschlüsse vom G20 2017 haben Auswirkungen bis heute. Und auch die Gewalt ihrer Herrschaft hat schon zu viele Spuren hinterlassen. Die Widersprüche spitzen sich seither zu. Das Kapital ringt um sein Wachstum und seinen Profit. Aber nicht mit uns und nicht auf unserem Rücken! Dieser Herrschaft, der Ausbeutung und Unterdrückung, die so viel unsägliches Leid produziert, stellen wir uns in den Weg und setzen unser solidarisches Miteinander entgegen.
Wir wünschen allen anderen Angeklagten viel Durchhaltevermögen und Zuversicht. Und stets genügend Menschen, die hinter ihnen stehen.
Wir senden kämpferische Grüße an alle, die verfolgt werden, die im Knast sitzen und die gegen diese Zustände vorgehen.
Wir bleiben an eurer Seite.
United We stand
Redebeitrag der 17 Angeklagten aus den neu eröffneten Rondenbarg-Verfahren
Ich spreche heute als Angeklagte im sogenannten Rondenbarg-Verfahren für eine Gruppe von 17 Beschuldigten. Wir sind eine bunt gemischte Truppe: Gewerkschaftsaktive, Aktivist:innen für Klimagerechtigkeit, Antimilitarist:innen, Feminist:innen, Antifaschist:innen und Revolutionär:innen.
Vor einigen Wochen flatterten uns Eröffnungsbeschlüsse für Prozesse ins Haus. Wir werden voraussichtlich im kommenden Jahr, aufgeteilt in zwei Gruppen, in Hamburg vor Gericht stehen.
Nächstes Jahr ist der G20-Gifpel acht Jahre her. Acht Jahre!
Ein kleiner Rückblick: Genau wie Zehntausende andere machten wir uns Anfang Juli 2017 auf den Weg nach Hamburg um Teil der Proteste gegen den Gipfel der Herrschenden zu sein. Wir wollten uns an Aktionen gegen die mörderische Hinterzimmer-Politik der mächtigsten Staaten der Welt beteiligen.
Schon zum Start der Protesttage wurde beim Angriff der Cops auf die Wellcome-to-Hell-Demo recht schnell klar wie die Einsatztaktik gelagert ist: Drauf schlagen auf alles was sich rührt, ohne Rücksicht auf Verluste. Bullen prügelten unter „Attacke“-Rufen blind auf Demonstrant:innen ein. Wir erlebten wie Menschen in Panik mehrere Meter tief in die Elbe sprangen; wie Menschen, an eine Mauer gedrängt zusammengeschlagen wurden; reanimiert werden mussten.
Den Schreck noch in den Knochen machten wir uns dennoch mit Hunderten anderen am folgenden Tag zu Blockade-Aktionen auf. Wir waren entschlossen trotz der Bilder vom Vortag zu versuchen wirksamen Protest auf die Straße zu bringen. Weit kamen wir nicht! Die Bullen hinterließen ein Schlachtfeld; schoben zwei, drei Pyrotechnik und einzelne Steinen, die nicht in Wurfweite waren als Grund dafür vor, die Einschüchterungstaktik durch massive Polizeigewalt wie am Vortag Fortzusetzen. Das Resultat: „Massenanfall an Verletzten“. In der Situation konnte man gar nicht greifen was da eigentlich gerade abgeht. Erst in den folgenden Stunden, Tagen, Monaten und Jahren sollte klar werden wie lange uns die zwei Minuten Bullenwahnsinn noch begleiten.
Fabio saß Monate in Untersuchungshaft, andere ein paar Tage und Wochen. Einige von uns sind traumatisiert und oder erlitten schwere Verletzungen, die sie teilweise bis heute begleiten – Operationen, Rehas, wieder OP … Aber: Bei G20 gab es keine Polizeigewalt!
Und nun auch noch die Prozesse.
Auch unsere Genoss:innen, denen bald das Urteil verkündet werden soll haben in ihrer Prozesserklärung deutlich gemacht, dass das Verfahren eine enorme Belastung für jeden einzelnen Betroffenen bedeutet. Wir kommen zum Großteil weit aus dem Süden der BRD und müssen uns überlegen wie wir einen an die 25 Tage umfassenden Prozess in Hamburg mit den jeweiligen Lebensumständen stemmen können. Unsere Lebensumstände: dass beinhaltet bei einigen Angeklagten auch, dass sieben Jahre später Kinder Teil unseres Lebens sind. Der Prozess wird uns als Individuen, aber auch als Bewegung herausfordern und an Grenzen bringen.
Für uns gilt es nun uns intensiv auf die Verfahren vorzubereiten. Der Vereinzelung in Strafverfahren setzen wir ein Kollektiv entgegen. Um gemeinsam Organisatorisches zu klären, aber auch politische Debatten miteinander zu führen: Nehmen wir Einstellungsangebote an, führen wir eine offensive Prozessstrategie, was ist unser Ziel, wie agieren wir als Gruppe, welche politische und persönliche Unterstützung brauchen wir …
Klar ist, wir sind solidarisch miteinander. Wir wollen soweit es im Rahmen unserer Möglichkeiten ist kollektiv diskutierte Entscheidungen treffen. Und wir lassen uns nicht einmachen!
Denn wir sind nicht allein! Sieben Jahre später kämpfen wir immer noch auf der Straße, unterstützen Streiks in Gewerkschaften, sind in politischen Strukturen organisiert. Weil wir das im Rücken haben können wir das was am Rondenbarg passiert ist und die folgenden Prozesse als einen Angriff auf die linke Bewegung und das Demonstrationsrecht begreifen und nicht als persönliche Angelegenheit. Sie haben uns auf der Straße verprügelt und zerren uns vor Gericht, aber unsere politischen Persönlichkeiten und unsere Solidarität brechen sie nicht!