Im Folgenden soll ein Überblick zu den erfolgten Maßnahmen und den Vorwürfen im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegeben werden.
Sinn und Zweck der Veröffentlichung ist es vor allem Spekulationen und Gerüchten vorzubeugen, aber auch einen öffentlichen Umgang mit den Repressionsversuchen des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu haben.
Eine politische und inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und deren Hintergründen soll zeitnah publiziert werden.
Am 7. Februar 2019 leitete der Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof ein Verfahren nach §129a – der Bildung einer terroristischen Vereinigung – gegen drei beschuldigte Personen ein, wobei schon von Anfang an 7 Personen im Fokus der Ermittlungen standen.
So wurden ab dem 1.Juni 2019 auch die anderen Personen als Beschuldigte in das Verfahren eingetragen und der Vorwurf von §129a auf §129 Abs. 1 – also der Bildung einer kriminellen Vereinigung – herabgestuft.
Die Bearbeitung des Verfahrens zeigt dabei eindrucksvoll die Zusammenarbeit verschiedenster Behörden – der Länder, des Bundes, der Verfassungsschutzbehörden, als auch international.
Wie schon in den Texten der Betroffenen in Athen (https://de.indymedia.org/node/104881) und des Kalabal!k-Kollektivs (https://de.indymedia.org/node/104312) veröffentlicht, stürmten am 16.09.2020 Beamte des Bundeskriminalamts und des Berliner Landeskriminalamts (LKA 5) mehrere Wohnungen in Berlin, gleichzeitig wurden zwei Wohnungen in Athen unter Leitung des Bundeskriminalamts von der griechischen Antiterrorbehörde durchsucht.
In Berlin traf es 5 Wohnungen, die sie Beschuldigten zuordnen, sowie 2 weitere Anschriften von nicht Beschuldigten. Ebenso wurde die anarchistische Bibliothek Kalabal!k von Beamten des BKA und LKA überfallen.
Bei den beiden Dritt-Anschriften handelt es sich jeweils um Adressen, zu denen ein Beschuldigter Zugang haben soll, bei einer der Personen soll er regelmäßig aufhältig sein, bei der zweiten soll ein Fahrzeug geparkt sein, welches er angeblich nutzt.
Neben den genannten Wohnadressen bzw. Aufenthaltsadressen sollten die von den Beschuldigten genutzten (nicht nur besitzenden oder zugelassenen) Fahrzeuge durchsucht werden. Zudem wurden zwei extra Beschlüsse angefertigt, die sich gegen zwei Nicht-Beschuldigte Personen richten, die ebenfalls von der Durchsuchung und Beschlagnahmungen betroffen sind.
Gesucht werden sollte nach so ziemlich allem Erdenklichen:
a) Tatmitteln wie z. B. Schlag- und Schutzausrüstung, Vermummungsgegenständen, Handschuhen, Schutzwesten, Reizgas/Pfefferspray, schwarzer Bekleidung, z.B. Windjacken, Kapuzenshirts; Jammern und ähnlichen Störgeräten, Funkgeräten, Geräten zum Aufspüren von Überwachungstechnik; Foto- und Viedeokameras einschließlich zugehöriger Ausrüstung,
b) Schriftstücken, elektronischen Kommunikationsmitteln, Speichermedien, Datenträgern und Netzwerkutensilien, die Hinweise auf – die tatbezogene Kommunikation, Tatbegehung des Beschuldigten, der Mitbeschuldigten sowie noch unbekannter Täter, – Ausspähungen, etwa in Form von Stadtplänen, Straßenkarten sowie Listen mit amtlichen Kennzeichen von Polizeifahrzeugen (Zivil- und Einsatzfahrzeugen),
– weitere Durchsuchungsobjekte, etwa von dem Beschuldigten genutzte Kellerräume, Gartenlauben oder sonstige Lagerräume und
– eine Beteiligung an Veröffentlichungen auf der Internetseite „de.indymedia.org“ enthalten
Beschlagnahmt wurde dementsprechend jede Art von Technik, deren Erfindung neuer als die des Toasters ist:
Jedes Gerät auf dem sich Daten speichern lassen, wie USB Sticks aber auch Playstations, Navigationsgeräte, RaspberryPi‘s, usw., Router und Festnetztelefone genauso wie Handys und Kameras wurden mitgenommen. Kleidungsstücke, wie schwarze Kapuzenpullover, Hosen, Jacken, Handschuhe, Mützen und Schlauchtücher wurden Kistenweise aus Wohnungen getragen, ebenso wie Pfeffersprays und Taschenmesser, Multitools und ähnliches Werkzeug. Auch Rucksäcke und Bauchtaschen wurden gesucht und konfisziert. Unterlagen, die ihr Konstrukt untermauern sollen; Briefe und Notizen, die persönliche Bekanntschaften ebenso wie politische Aufdecken sollen; Rechnungen und Telefonlisten; Kalender, Karten bzw. Stadtpläne usw. wurden fotografiert, abgeschrieben und an vielen Stellen beschlagnahmt.
Da im Durchsuchungsbeschluss behauptet wurde, dass einzelne Beschuldigte sich angeblich mit polizeilichen Strukturen vertraut machen würden, um noch subversiver gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ agitieren zu können, eine vom LKA Berlin schon lange genutzte Phrase um Akteneinsichten und Datenauskünfte zu verzögern, wurden in mindestens einem Fall Ermittlungsakten und Verteidiger*innenpost beschlagnahmt.
Die Kompetenz des Berliner LKA beschränkte sich lediglich auf die Unterstützung der Durchsuchungsmaßnahmen und die Bearbeitung von Zufallsfunden.
Laut der Durchsuchungsbeschlüsse, die Ende August und Anfang September ausgestellt wurden, konstruiert der Generalbundesanwalt (GBA) seinen Vorwurf mit einer Reihe von Ermittlungsverfahren, die gegen die betroffenen Personen in den letzten Jahren bei der Staatsschutzabteilung des Berliner Landeskriminalamts geführt wurden. Abgesehen von einigen wenigen Verfahren gegen einzelne Personen, führte keines der aufgeführten Strafverfahren zu einer Verurteilung, teilweise endeten sie sogar in Freisprüchen. Ungeachtet dessen, wird nun von einer gemeinsamen Planung all dieser Taten durch die in Rede stehende kriminelle Vereinigung ausgegangen.
Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Formulierungen, welche im Beschluss verfasst sind, fast zitierte Aussagen des Berliner Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA 52) sind. Viele dieser Konstrukte wurden in der Vergangenheit öffentlich widerlegt oder analysiert, nachlesbar unter anderem hier: gefaehrlich.noblogs.org. Sie wurden aber darüber hinaus auch in einigen Gerichtsurteilen widerlegt, die zum Beispiel im Zusammenhang mit einem Fahrradkorso 2016 (https://de.indymedia.org/node/68706) stehen, aber auch einigen weiteren, siehe dazu: Gefährder-Leaks: Konstruktionen des LKA Berlin am Beispiel der Rigaer Straße (https://de.indymedia.org/comment/122923).
Im Zentrum der Ermittlungen scheint ein Vorfall aus dem Jahr 2017 in Hamburg zu stehen (siehe dazu https://unitedwestand.blackblogs.org/neues-vom-winterdienst-von-dna-abga… ).
In einem Fahrzeug wurden damals zwei Personen angetroffen, in einem in der Nähe geparkten Transporter wurden zudem diverse „verdächtige“ Gegenstände aufgefunden. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen führten verschiedene DNA und Fingerabdruckspuren zu weiteren Personen, die jetzt auch wieder beschuldigt werden.
Der GBA behauptet nun, dass es sich bei dem Vorfall um Vorbereitungshandlungen für die späteren Krawalle in der Elbchaussee handeln soll.
Operative Maßnahmen, welche im Vorfeld zum Teil bemerkt wurden, gehen aus dem Beschluss hervor.
Observationen fanden sowohl in Berlin als auch im Ausland statt. Auch Abhörmaßnahmen wurden offensichtlich angeordnet, so fanden Betroffene in einem Fahrzeug kurz vor den Durchsuchungsmaßnahmen einen GPS Tracker, sowie ein Abhörgerät.
Insgesamt wurden zwei Fahrzeuge „verwanzt“ und die Eingänge von mindestens zwei Wohnhäusern wurden über ein Jahr lang mit Kameras überwacht. Dazu kommen Telekommunikationsüberwachungen im großen Stil – Emails, Internetverbindungen und Telefongespräche wurden abgehört und mitgeschnitten. Finanzermittlungen, wie Kontoüberwachungen und das Auslesen von Accounts von Versandhandeln und Transportunternehmen, fanden statt.
Damit das ganze Theater entsprechend propagiert werden konnte, gaben die Bullen noch am Tag der Durchsuchungen mindestens den Gerichtsbeschluss vom BGH an einzelne Journalist:innen weiter.
All die beschriebenen Maßnahmen scheinen auf einen möglichst großen Erkenntnisgewinn der Behörden ausgelegt zu sein. Damit ihre Erkenntnisse sich nicht noch weiter vermehren, aber auch um die informative Selbstbestimmung der Betroffenen und solidarischer Personen zu gewährleisten, verbietet sich jede Art der Spekulation.
Scheiß auf §129!
Weg mit dem Staat, Kapital, ihren Bossen und Bullen!
In diesem Sinne; Keine Gerüchte, keine Spekulationen!
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