Rosenheimer Antifaschist: „Es soll in guten und bösen Antifaschismus unterschieden werden“

Am vergangenen Samstag blockierten Aktivist:innen vom Offenen Antifaschistischen Plenum (OAP) eine rechte Demo in Rosenheim. Die Polizei reagierte mit massiven Repressionen und Polizeigewalt. – Wir haben mit einem Antifaschisten vom OAP darüber gesprochen.
Warum wart ihr am 19.07. in Rosenheim auf der Straße?
Wir wollten gegen den „Friedensmarsch“ der sogenannten „Friedensinitiative Rosenheim“ protestieren. Bei dieser Initiative handelt es sich um eine Querfront aus Reichsbürger:innen, Holocaustverharmloser:innen, Querdenker:innen und anderen rechten und faschistoiden Kräften. Diese Veranstaltung ist ein klarer Versuch, sich anschlussfähig darzustellen und ahnungslose Bürger:innen in die rechte Szene zu ziehen.

Durch unsere Aktion konnte der Demonstrationszug etwas aufgehalten werden und trotz der Tatsache, dass die Personen von der Polizei umstellt worden waren, diesen auch durch das lautstarke Rezitieren von Parolen stören und Passant:innen auf die Heucheleien der „Friedensinitiative“ aufmerksam machen.

Im Internet sieht man Videos, wie euer Gegenprotest von der Polizei brutal angegriffen wurde. Wie habt ihr selbst die Situation erlebt?
Der Gegenprotest ist ziemlich schnell seitens der Polizei eskaliert: Bevor irgendetwas passieren konnte, trat die Polizei unvermittelt aggressiv gegen uns auf. Auf uns wurde mit Schlagstöcken und unter extremem Einsatz von Pfefferspray eingeprügelt – auch auf die teils minderjährigen Teilnehmenden. Die Polizist:innen hatten daran offensichtlich Spaß. Nach einem ersten Aufeinandertreffen hatte sich die Lage schon wieder beruhigt, bevor die Polizist:innen wieder unprovoziert angriffen und uns zu einem kleinen Pulk zusammenprügelten. Zusammengepfercht standen wir dann dort für mehr als zwei Stunden bei über 30 Grad Celsius und wurden festgehalten.

Bei zahlreichen Aktivist:innen kam es zu Augenreizungen durch das versprühte Pfefferspray und Prellungen, wie auch zu einem anaphylaktischen Schock. Wir haben daraufhin umgehend nach einer medizinischen Versorgung verlangt, ein RTW kam aber erst über eine Stunde später an. Auch Augenzeug:innen berichteten, sie hätten beim Notruf nach einem RTW verlangt – ob dieser durch die Polizei oder durch Augenzeug:innen gerufen wurde, wissen wir nicht. Ein Polizist erklärte uns, den Gekesselten, außerdem, dass wir selber keinen Krankenwagen rufen dürfen, da wir nicht verletzt seien, und das dann das nächste Strafverfahren wäre, wegen „Missbrauch des Notrufs“.

Habt ihr ein solches Eingreifen der Polizei schon öfter erlebt?
Wir sind bei unseren Protesten hier in Rosenheim und Region häufig mit polizeilicher Repression konfrontiert. Besonders in den letzten Monaten hat die Polizeigewalt gegen antifaschistische Proteste zugenommen: So erfolgten im Rahmen des Bundestagswahlkampfes mehrere brutale Polizeieinsätze gegen uns.

Neu ist vor allem die Quantität der Repression. Zwar sind Repressionen gegen eine linke Bewegung in Rosenheim nichts Neues – im Gegenteil, sie hat eine lange Geschichte. Erinnert sei beispielsweise an die Stürmung eines Demo-Trainings 2017 und die darauffolgenden Meldeauflagen gegen Antifaschist:innen, um die Teilnahme an den Protesten gegen den AfD-Parteitag in Köln zu verhindern. Wir kennen Repression in unserer politischen Praxis also schon länger, die Quantität der Repressionsschläge gegen uns und unsere Bewegung nimmt aktuell aber bundesweit zu, dies spüren wir auch in Rosenheim.

Wie bewertet ihr das politisch?
Nach den Protesten am vergangenen Samstag sind nun über 25 Genoss:innen mit Anzeigen wegen Landfriedensbruch, tätlichem Angriff, Widerstands und Körperverletzung konfrontiert. Gleichzeitig führen wir in Rosenheim noch ein weiteres größeres Verfahren: Nachdem Genoss:innen gegen die Vereidigung eines Faschisten im Rosenheimer Stadtrat protestiert hatten, sind nun 14 Antifaschist:innen wegen Hausfriedensbruchs angeklagt. Für uns als kleinere Stadt bedeuten derartige Verfahren einen enormen Aufwand und stellen uns vor große logistische und finanzielle Herausforderungen.

Die aktuelle Repression müssen wir als einen klaren Angriff auf uns, unsere Strukturen und unsere Ziele verstehen. Durch die schiere Menge an Anzeigen und laufenden Verfahren sollen einzelne Aktivist:innen handlungsunfähig gemacht werden (sei es durch den psychischen Druck oder drohende Bewährungsstrafen).

Gleichzeitig versucht der Staat aber auch, die antifaschistische Bewegung hier in der Region zu spalten: Es soll in guten Antifaschismus und bösen Antifaschismus unterschieden werden. So wird beispielsweise in Demo-Auflagen das Offene Antifaschistische Plenum als Begründung für strikte Auflagen angegeben, Anmelder:innen werden durch die Polizei „Horrorgeschichten“ über uns erzählt und ihnen so Angst vor einer Zusammenarbeit mit uns gemacht. Durch Aufklärungsarbeit und viele Gespräche können wir diese Spaltung aktuell zum Glück noch einigermaßen abwenden.

Gleichzeitig dürfen wir natürlich auch die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei nicht vergessen und nicht unterschätzen, besonders weil viele, auch überregionale, Medien wie zum Beispiel BR24 die Polizeimeldungen unkritisch abschreiben. So behauptet die Polizei etwa, am vergangenen Samstag von uns attackiert worden zu sein – Videos und Zeugenaussagen belegen das Gegenteil. Durch dieses gezielte Framing in der Öffentlichkeit gelingt es der Polizei, ein verzerrtes Bild von den Tatsachen und uns zu zeichnen, und dadurch noch mehr Rückhalt für brutale Einsätze wie den vom vergangenen Samstag in Gesellschaft und Politik zu gewinnen – ein Teufelskreis, den wir nur durch eine offensive Antirepressionsarbeit durchbrechen können.

Wie ist eure Antwort auf diesen Vorfall? Wie geht ihr mit solchen Repressionen um?
Die beste Antwort auf ihre Repression ist weiterzukämpfen – und genau das werden wir auch tun! Wir werden weiterhin selbstbestimmt auf die Straße gehen und für unsere Ziele einstehen!

Gleichzeitig stehen wir in engem Austausch mit allen Betroffenen und versuchen, diese bestmöglich zu unterstützen, sowohl juristisch, politisch aber auch emotional und finanziell. Aktuell arbeiten wir noch an weiterer Öffentlichkeitsarbeit zu dem Vorfall vom vergangenen Samstag.

Durch eine Spende an unsere Genoss:innen von noROpression könnt ihr uns bei diesen und kommenden Repressionskosten unterstützen.

https://perspektive-online.net/2025/07/rosenheimer-antifaschist-es-soll-in-guten-und-boesen-antifaschismus-unterschieden-werden