30 Jahre Haft beschädigen – eine Transfrau die „freiwillig“ in die JVA zurück will
In der aktuellen Ausgabe von „Zeit-Verbrechen“ wird über eine fast 60-jährige Transfrau berichtet, die nach rund 30 Jahren gegen ihren Willen aus der Haft entlassen wurde. Ende Februar 2023, war sie aus der JVA Gelsenkirchen entlassen worden, bzw. „einfach vor die Türe gesetzt“ worden, wie es in dem Artikel heißt. Seidem versuchte sie vieles, um zurück ins Gefängnis zu kommen, in den aus ihrer Sicht „geschützten“ Rahmen.
Die neue Anklage
Für zwei Bagatelldelikte, das Vortäuschen einer Straftat sowie eine Taxifahrt für die sie nicht bezahlte (8,60 €), wurde sie Anfang 2024 vom Landgericht Essen, zu einer kurzen Freiheitsstrafe und darüber hinaus zu der (potentiell lebenslangen) Unterbringung in der forensischen Psychiatrie verurteilt. Mittlerweile sitzt sie in der psychiatrischen Anstalt in Bedburg-Hau ein, wo vor wenigen Monaten Rainer Loehnert, nach 38 Jahren Inhaftierung starb.
Der ZEIT-Artikel ist erfreulich empathisch geschrieben und zeigt die Verzweiflung der Betroffenen Person auf, die sich in der Welt außerhalb geschlossener Institutionen nicht zurecht findet.
Meine eigene Erfahrung
Aus eigenem Erleben weiß ich wie es sich anfühlt, nach so langer Zeit, von heute auf morgen aus der Haft entlassen zu werden. Ohne die ebenso freundliche und solidarische Aufnahme, sei es in jenem Zusammenhang in welchem ich seitdem wohne, oder die freundschaftlichen, wie auch die politischen Beziehungen und Kontakte, wäre der Übergang vielleicht nicht gelungen.
Was sagt es über das Strafrechtssystem, wenn ein Mensch nach 30 Jahren ganz offen bekundet: „Ich will dorthin zurück“?
Der Psychiater – eine problematische Figur
Als eine problematische Figur in dem Strafverfahren vor dem Landgericht Essen gegen die Betroffene, erweist sich der forensische Psychiater, Dr. med. Marc-Philipp Lochmann, vom Forensisches Institut Bochum. Oder wie ihn die ZEIT-Journalistin Lale Artun etwas maliziös nennt, „ein junger Mann namens Lochmann“, denn er spult die Standardsprüche ab, wie sie hundert-, ja tausendfach in den Gerichtssälen zu hören sind: Narzissmus, emotional instabile Persönlichkeit, dissoziale Züge. Zudem sei die Betroffene gefährlich: „Dass eine schwere Straftat folgen wird, steht fest.“, gibt sich Lochmann überzeugt. Die Frage des Vorsitzenden Richters, ob er, der Gutachter, die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Psychiatrie für gegeben erachte, beantwortet er mit einem „Ja“.
Dabei hat die Angeklagte in der richterlichen Befragung, aber auch davor, ausdrücklich bekundet, sie wolle niemanden mehr verletzen oder schaden. Aber das scheint zu komplex für den -Zitat- „jungen Mann“.
Das Urteil
Nur 30 Minuten brauchen die Richter:innen und Schöff:innen des Landgerichts Essen, um sich zu beraten und einen Menschen lebenslang wegzusperren. Das Urteil lautet auf fünf Monate (!) Freiheitsstrafe wegen Betrugs und des Vortäuschens einer Straftat. Sowie die potentiell lebenslange Unterbringung in der forensischen Psychiatrie (§ 63 StGB). Angesichts der durchaus gravierenden Vorstrafen, kann die Unterbringung dort tatsächlich Jahre und Jahrzehnte andauern.
Quelle: https://archive.is/20250915180640/https://www.zeit.de/zeit-verbrechen/20…