Schwarze trans Frau im Männergefängnis – „Cleo wurde als ‚Problemmigrantin’ gelabelt“
Cleo wohnte als 38-jährige Schwarze trans Frau in einer Potsdamer Geflüchtetenunterkunft. Doch plötzlich wurde sie wegen einem wackligen Indizienprozess für über zwölf Jahre in einem Männergefängnis inhaftiert. Wir haben mit Zemu H.* von der Solidaritätsinitiative Justice for Cleo gesprochen.
Eure Initiative heißt Justice for Cleo – wer ist denn Cleo und wie ordnet ihr ein, was ihr gerade geschieht?
Cleo ist Teil der Schwarzen LGBTQIA+ Community. Manche von uns sind ihr in Community Spaces begegnet: in Potsdam bei Pawlo, einer panafrikanischen Frauenorganisation, hat sie einen Lesekreis organisiert, sie war auch bei den Dolls, einer trans* femmes Gruppe in Casa Kuà (ein Community und Gesundheitszentrum für und von Trans* Inter und Nichtbinären BIPoC), anzutreffen. Bei Events und Ausflügen von Soulsisters Berlin, einer Empowerment-Gruppe für Schwarze Frauen, erinnere ich mich auch an einen sonnigen Ausflugstag nach Potsdam, Sanssouci, wo wir gemeinsam picknicken waren und sich hier auch einige inspirierende, empowernde Gespräche ergaben von James Baldwin, über gutes Essen, was es heißt, Schwarz und in Berlin zu sein bis hin zu, wo man gutes Make Up shoppen kann und Hairstylists-Empfehlungen.
Cleo ist aus Südafrika und kam nach Deutschland, um hier Sicherheit und Schutz zu finden als trans* Frau, weil in Südafrika trotz rechtlicher Anerkennung von LGBTQIA* Personen, diese dennoch in der Realität de facto keinen Schutz, sondern Gewalt und Diskriminierung erleben. Sie kam hierher, um sich mit Studium und Arbeit eine stabile Existenz zu schaffen. Letztes Jahr im Mai wurde sie auf Verdacht inhaftiert, da in der Asylunterkunft, in der sie zu der Zeit lebte, ein Wachmann durch Messerstiche zu Tode kam. Nach 8-tägiger Verhandlung, in der keine Beweise, keine Augenzeugen, keine DNA-Spuren, keine Tatwaffe vorgebracht werden konnten, wurde Cleo nun letzte Woche aufgrund sogenannter „Beweisanzeichen“ zu 12 Jahren und 8 Monaten Haft in einem Männergefängnis verurteilt.
Wir sehen dieses Urteil sehr kritisch, die Indizien als nicht ausreichend. Stattdessen spielen unserer Beobachtung nach Transmisogynie und Rassismus in dem ganzen Prozess und auch dem initialen Verdachtsmoment eine große Rolle. Einige von uns waren bei allen Gerichtsverhandlungen präsent und konnten dabei viel Voreingenommenheit, Transmisogynie und Ignoranz von Tatsachen feststellen. Wie voreingenommen und schneller zu Gewalt und Bestrafung Justiz und Polizei gegenüber Schwarzen Personen neigen, haben traurigerweise ja die Fälle Oury Jalloh, Mohammed Lahmin Dramé und jetzt erst der 21-jährige Lorenz gezeigt.
Cleo wurde in dem Prozess ganz schnell als nicht gut angepasste Geflüchtete gelabelt – dabei ist auch die schnelle Verurteilung Cleos in den Medien schon vor Prozessstart und dann binnen der ersten Prozesstage auffällig: dort wird sie direkt als problematische Migrantin dargestellt und ihre Abschiebung gefordert; am Ende sang das Gericht das gleiche Lied. Da wird ihr doch in Potsdam der Prozess gemacht, wo doch auch das Geheimtreffen und Planungen der „Remigration“ stattfand, gut besucht von AfD und auch der Regierungspartei CDU. Auch die internationale Transgender Panik und massiven transphoben Gesetzgebungen, wie in den USA und neulich in UK, sind nicht so weit weg von Deutschland und haben hier definitiv Einfluss. Das Selbstbestimmungsgesetz zum Beispiel schützt trans* Geflüchtete nicht wirklich, und Asyl aufgrund von Gewalt gegen LGBTQIA* im Ursprungsland hat in Deutschland fast nie Erfolg.
Es ist auch krass, wie das Gericht hier vom Narrativ her Cleo und den getöteten Anwar A. gegeneinander ausspielt. Anwar A. ist der „Vorzeigemigrant“ und Cleo die „Problemmigrantin“. Dabei sind sie beide von struktureller Diskriminierung betroffen, migrierten nach Deutschland mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Anwar A. war alleine in dem Moment der Attacke, sein Kollege war kurz zuhause um etwas zu holen, die Sicherheitskameras in der Unterkunft waren schon lange abgeklebt und nicht in Nutzung. Kann wirklich ausgeschlossen werden, dass nicht Rechtsradikale hier eine Unterkunft attackiert haben? Warum wird über Migrantinnen nur dann ein gutes Bild gesponnen, wenn sie nicht mehr leben? Aufgrund von Cleos Identitäten, der vorherrschenden Vorurteile gegen all diese und letztlich wegen fehlender Empathie gegenüber Schwarzen Personen, trans Menschen und Migrant*innen kann und konnte sie unserer Meinung nach eben ganz schnell von problematischer Person zur Haupterdächtigen geframed und zu einer drakonischen Strafe verurteilt werden.
Ihr führt diesen Kampf in der Öffentlichkeit bereits seit Februar. Wie hat sich seitdem die Lage weiterentwickelt?
Seit Anfang der Verhandlungen haben wir die Öffentlichkeit zur Prozessbeobachtung aufgefordert. Es ist wichtig, Präsenz zu zeigen als Zivilgesellschaft, weil wir wissen, dass wir in einem Land leben, wo Racial Profiling und institutionelle Gewalt und Diskriminierung gegenüber marginalisierten Personen immer wieder stattfinden. Uns war es wichtig, dass Leute vor Ort sind, um Cleo zu zeigen: wir sind hier und sehen zu! Wir sehen nicht weg!
Und dass auch die Justiz sieht, dass Cleos Fall uns alle etwas angeht. Viele von uns waren letztlich von dem Urteil schockiert, gilt doch in Deutschland bei nicht bestehender Beweislage die Unschuldsvermutung. Es ist uns weiterhin wichtig, weiter auf den Fall aufmerksam zu machen: Wir fordern immer noch Justice for Cleo!
Cleo wurde während des Prozesses durch einen Psychologen ihre Transgeschlechtlichkeit abgesprochen. Welche Konsequenzen hatte das während des Prozesses und was für Haftbedingungen erwarten sie nun im Männergefängnis?
Von Anbeginn des Prozesses wurde ihr eigentlich schon das Frausein abgesprochen und sie wurde ständig misgendert. Genauso spielten vor allem ihr Äußeres, ihre Transidentität, ihr Sexualleben in vielen Zeugenbefragungen eine Rolle. Nein, viel früher noch: Recht früh in der Untersuchungshaft wurde sie vom Frauengefängnis Luckau Duben in das Männergefängnis in Neuruppin verlegt, weil die Leitung in Luckau Duben befürchtete, Cleo könnte die anderen Insassinnen schwängern, obwohl es dafür keine Anzeichen gab. Das ist klar transphob und rassistisch.
Und bereits dort war Cleo rassistischen und transphober Diskriminierung ausgesetzt durch andere Gefangene. Die Transmisogynie gipfelte weiter in dem Gutachten von Bodo Anders, einem Mediziner, der – ohne ein Gespräch mit Cleo geführt zu haben, noch auf transaffirmative Behandlungen spezialisiert zu sein – sie als nicht wirklich „trans“ erklärte, da sie nicht durchgehend Hormone genommen hätte und nicht submissiv genug in ihrem Sexualleben sei. Er scheint dabei weder die wirklichen Gründe für die Unterbrechung untersucht zu haben, noch zu wissen, dass Transitionen und gelebte Transidentitäten ganz unterschiedlich aussehen und es nicht „den einen Weg“ des Transseins gibt!
Stattdessen wurde in dem Anspruch ihrer Transidentität diese auch noch genutzt, um ihre Person zu dämonisieren und kriminalisieren. Das Gutachten scheint dabei auch zentral beigetragen zu haben zu der Urteilsfindung, wurde hieraus doch in der Urteilsverkündung häufig zitiert, und letztlich führte das Gutachten auch dazu, dass die Haftstrafe in einem Männergefängnis abgesessen werden muss. Natürlich sind wir daher um ihre Sicherheit besorgt.
Was sind derzeit eure Ziele mit der Kampagne „Justice for Cleo“? Wie geht die Arbeit in der nächsten Zeit weiter?
Wir fordern weiterhin Justice für Cleo und für Anwar A. Der Fall muss genau geprüft und wirklich in alle Richtungen gedacht und ermittelt werden. Es kann nicht sein, dass ein Sicherheitsmann einer Asylunterkunft einfach so zu Tode kommt, Anwars Mord muss lückenlos aufgeklärt werden! Es kann ebenso nicht sein, dass aufgrund mangelnder Indizienlage der erste beste gesellschaftsfähige Sündenbock herangenommen wird: Eine Person, die Schwarz, trans* und geflüchtet ist. Wir wollen weiterhin auf den Fall aufmerksam machen, aufklären und ins Gespräch gehen!
Es ist uns auch wichtig, uns für Cleos Sicherheit einzusetzen und eine menschenwürdige Unterbringung zu fordern, wo sie nicht ständiger Diskriminierung ausgesetzt ist! Außerdem sammeln wir Spenden für Cleos aktuelle Versorgung und nächste rechtliche Schritte, aktuell die Revision des Verfahrens.
Wie können Menschen, die sich für Cleos Fall interessieren und einsetzen möchten, die Kampagne unterstützen?
Folgt der Kampagne auf instagram @justice.forcleo. Dort findet ihr Infos, Spendenaufrufe und aktuelle Veranstaltungen. Oder schreibt uns eine Email mit euren Anliegen und Unterstützungsangeboten an Justice4cleo@mailbox.org!
*Der Name der interviewten Person wurde für diesen Artikel anonymisiert.