Solidarität mit Daniela Info Nr. 42 / 4.10.2025

„Die Solidarität lässt für sie, so sagt Daniela, die Sonne aufgehen“

Hallo,

hier die weiteren Prozesstermine (in der Regel am Dienstag und am Mittwoch) bis Ende des Jahres:
9.10.25 (ein Donnerstag!) um 10 Uhr

14.10.25 um 10 Uhr
15.10.25 um 9 Uhr
4.11.25 um 10 Uhr
5.11.25 um 10 Uhr (es könnte aber sein, dass der Prozesstag doch schon 9 Uhr anfängt)
11.11.25 um 10 Uhr
12.11.25 um 9 Uhr
18.11.25 um 10 Uhr
25.11.25 um 10 Uhr
26.11.25 um 9 Uhr
2.12.25 um 10 Uhr
3.12.25 um 9 Uhr
9.12.25 um 10 Uhr
10.12.25 um 9 Uhr
16.12.25 um 10 Uhr
17.12.25 um 9 Uhr (dies ist dann der 50. Prozesstag)
Prozessort: Weitzmühlener Straße 48/50 in Verden Eitze. Vom Bahnhof Verden/Aller fährt stündlich (8.30 / 9.30 Uhr und so weiter) der Bus 701, Richtung Neddenaverbergen, Haltestelle Am Gohbach, Fahrzeit vom Bahnhof bis zur Haltestelle gute 10 Minuten.

Am 5. November hat Daniela Geburtstag. An diesem Mittwoch ist auch Prozesstag um 9 Uhr. Wir wollen daher am 5.11. um 8 Uhr eine Auftaktkundgebung in Verden und dann anschließend eine Demo zum Prozessort machen. Für die Menschen, die nicht so gut bei Fuß sind, müssten dann nach der Kundgebung mit dem Bus 701 zur Reithalle fahren. Wir werden auch vor Ort für die Dauer des Prozesstages eine weitere Kundgebung anmelden.
Am Samstag, d. 8.11.2025 gibt es die nächste Kundgebung vor dem Knast Vechta mit Demo.

Im nächsten Info, nach dem 11. Oktober, gibt es weitere Informationen zum 5. und 8. November.

Gruppe: Solidarität mit Daniela

solidarisch-mit-daniela@t-online.de / www.solidarisch-mit-Daniela.de

  1. Zwei Veranstaltungen: Kassel und Wuppertal
  2. Zwei Presseartikel: nd und woz
  3. Ein Grußwort

1.Veranstaltung am 16.10.2025 in Kassel
Solidarität mit Daniela Klette!
18:30 Uhr | Kollektivcafé Kurbad, Sternstraße 20

Infoveranstaltung zum Stand des Verfahrens gegen die ehemalige (vermeintliche) ex-RAF (Rote Armee Fraktion) Angeklagte Berlinerin Daniela Klette
Daniela Klette war nach Auflösung der RAF noch 27 Jahre zusammen mit ihren Genossen Volker Staub und Burkhard Garweg im Untergrund, also insgesamt über 30 Jahre. Vor 1,5 Jahren wurde sie in Berlin verhaftet, nach ihren Genossen wird weiter gefahndet.
Der Inhaftierung ging eine Hetzkampagne und KI-gestützte Fahndung voraus, die ihre Fortsetzung in extremen Haftbedingungen, Terror gegen Besucher*innen, Beugehaftandrohungen und weiterer politisch gewollter Verfolgung findet.
Die freie Journalistin und Aktivistin Ariane Müller, selbst von Repression betroffen, wird uns über den Stand des Prozesses berichten und einordnen, um im Anschluss gemeinsam darüber zu diskutieren.  
„Das Vorhaben, das hier als ganz normales Strafverfahren zu behandeln, war von Anfang an verloren. Niemand glaubt daran. Weder die, die mir viele Jahre Knast wünschen, weil ich – wie viele andere auch – immer noch den Kapitalismus und Patriarchat als menschenverachtend, lebensfeindlich und naturzerstörend ablehne, noch die, die sich für mich und uns interessieren oder sich sogar in Solidarität mit uns verbunden fühlen. […] Ich bin mir meiner Lage durchaus bewusst. Dieser Prozess wird mit politischem Kalkül geführt, trotz gegenteiliger Behauptungen. Was soll ich hier also erwarten?“, aus der Prozesserklärung von Daniela Klette, (siehe jW. vom 27.03.25)

Veranstaltung am 21.10.2025 in Wuppertal
Solidarität mit Daniela Klette!
19 Uhr, Marienstr. 52
Zum Stand des Verfahrens gegen die ehemalige (vermeintliche) ex-RAF (Rote Armee Fraktion) Angeklagte Berlinerin Daniela Klette, die angeblich mit Burkhard Garweg und Volker Staub mehrere Geldbeschaffungsaktionen gemacht haben soll, wo das Gericht bisher aber keine Beweise dafür hat und zum Stand des Verfahrens gegen Ariane die, wie viele andere, vom BKA/BAW (Bundeskriminalamt/Bundesanwaltschaft) gezwungen werden soll Aussagen gegen angebliche und ehemalige Angehörige der RAF & sich selber zu machen. Das hat sie aber verweigert und nun droht Ihr deswegen „Beugehaft“.
Seit Ende März 2025 findet der Prozess gegen Daniela Klette, nach Ansicht der Bundesanwaltschaft ein vermeintliches ehemaliges Mitglied der 1998 aufgelösten RAF, vor dem Landgericht Verden statt. Die ersten Prozesstage fanden in Celle statt, weil das Gebäude des Landgerichts in Verden nach Behördensicht angeblich nicht sicher ist. Aus diesem Grund wurde eine ehemalige Reithalle in Verden-Eitze, Weitzmühlenerstraße 48/50 zu einer Gerichtshalle, regelrecht zu einer „Festung“ umgebaut und für rund 3,6 Millionen aus Steuergeldern angemietet. Seit Ende Mai 2025 findet nun der Prozess in der Regel am Dienstag und Mittwoch dort statt.
Daniela Klette wurde seit über 30 Jahren wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der RAF (inzwischen verjährt) und wegen 2 Aktionen, zu der sich die RAF damals bekannte, gesucht. Sie wurde Ende Februar 2024 in Berlin verhaftet und ist in der niedersächsischen Stadt Vechta inhaftiert. In dem jetzigen Prozess werden ihr vorgeworfen, an 13 Überfällen auf Geldtransporter und Kassenbüros von Einkaufszentren beteiligt gewesen zu sein. Der 14. und schwerste Anklagepunkt, der Mordversuch beim Überfall in Stuhr, ist inzwischen vom Tisch.
Die Aussagen der Zeug*innen in den ersten Prozessmonaten sprechen dagegen, dass Daniela Klette überhaupt an den Tatorten gewesen ist. Keine(r) hat Daniela Klette erkannt. Bisher sind über fünf Anklagepunkte verhandelt worden: Stuhr, Cremlingen, Duisburg, Hildesheim und Wolfsburg.
In den ersten sieben Wochen war Daniela in Einzelisolation, ihre Zelle wurde rund um die Uhr videoüberwacht, durch eine angebrachte Metallblende drang kein Tageslicht in die Zelle, sie hatte keinen Kontakt Zu anderen Gefangenen und den Hofgang musste sie frühmorgens alleine machen. Ihre Rechtsanwälte und wir haben diese unmenschliche Isolationshaft öffentlich kritisiert.
Wir, die Gruppe “solidarisch mit Daniela” empfinden diese Art der Prozessführung, den Umgang vieler Medien damit und die teure staatliche Symbolpolitik mit völlig überzogenen Fahndungsmaßnahmen und hoher Polizeipräsenz an einzelnen Prozesstagen absurd. Wir wollen stattdessen eine andere, menschlichere Gesellschaft, in die Menschen keine andere Menschen unterdrücken und ausbeuten. Wir hassen Ungerechtigkeiten. Die jetzige kapitalistische Gesellschaft stellen wir in Frage, weil alleine in Deutschland die reichsten 10% über 67% des Vermögens besitzen, während wir uns als ärmere Hälfte der Bevölkerung 1% Vermögen teilen. Ein Bruchteil der Menschheit „lebt“ auf Kosten der übrigen Mehrheit. Wir haben uns zusammengefunden, weil wir die Wut und gleichzeitig die Hoffnung auf ein besseres Leben für alle Menschen mit Daniela Klette teilen. Wir sind in diesem Zusammenhang mit ihr solidarisch gegen einen staatlichen und medialen Umgang, der wie eine Hetzjagd wirkt, auf alle, die dieses System in Frage stellen.
Kontakt: solidarisch-mit-daniela@t-online.de | www.solidarisch-mit-daniela.de

2.Stammheim an der Aller
Im Prozess gegen Daniela Klette in Verden-Eitze trügen die Erinnerungen von Zeugen

Niels Seibert, nd vom 1.10.2025

 Es ist pervers. Mindestens 3,6 Millionen Euro Miete werden dem Eigentümer einer Reithalle gezahlt – für ein temporäres Denkmal, das sich die niedersächsische Justiz in Eitze bauen ließ.

Eitze hat etwa 1500 Einwohner*innen und ist seit gut 50 Jahren ein Stadtteil von Verden an der Aller. Seit Ende Mai 2025 gelten hier dienstags und mittwochs besondere Verkehrsregeln mit unübersehbaren Parkverbotszonen. An diesen beiden Wochentagen findet der Strafprozess gegen Daniela Klette statt, die der Roten Armee Fraktion (RAF) angehört haben soll und im Frühjahr 2024 in Berlin-Kreuzberg verhaftet wurde.

Das vier Hektar große Areal der hier ansässigen Außenstelle des Landgerichts Verden gleicht einer Festung. Vermummte Polizisten halten Maschinenpistolen an ihrem Oberkörper und stehen vor einem Nato-Stacheldrahtzaun, der das Gelände umgibt. Unmittelbar dahinter ist ein Kinderspielplatz. Einige Schritte weiter öffnet sich den Besucher*innen der Blick auf die Reithalle, die zu einem bombastischen Gerichtssaal umgebaut wurde. Dieser erinnert an die Mehrzweckhalle in Stuttgart-Stammheim, wo von Mitte der 1970er bis in die 2010er Jahre Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der RAF stattgefunden haben und die sich seit 2023 im Rückbau befindet, um dort ein Haftkrankenhaus zu bauen. Einen Unterschied zu Stammheim gibt es allerdings: Damals war der Presse- und Zuschauerbereich nicht durch eine Glaswand vom übrigen Prozesssaal räumlich und akustisch abgetrennt, wie es heute in Verden der Fall ist.

Tatsächlich sind die hiesigen Sicherheitsmaßnahmen gegenwärtig beispiellos. Die 66-jährige Daniela Klette scheint für die Justiz gefährlicher als frühere Angeklagte einer aktiven Stadtguerilla der 1970er und 1980er, bevor die Militanten der RAF 1992 erklärten, »Angriffe auf führende Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat« einzustellen und schließlich 1998 ihr Projekt gemeinsam beendeten.

Selbst die Lokalpresse spricht von »Aberwitz«. Die Szenerie, die sich in Eitze den Zuschauer*innen bietet, bezeichnet der »Weser-Kurier« als »gespenstisch«. Der Prozess habe »absurde Züge angenommen«.

Die öffentliche Botschaft dieser Inszenierung ist jedoch klar: Hier wird einer höchst gefährlichen Terroristin der Prozess gemacht. Eine Bewertung ist damit schon vorgegeben, da können der Vorsitzende Richter Lars Engelke und die Staatsanwältin Annette Marquardt noch so oft betonen, dass es sich um ein ganz normales, völlig unpolitisches Verfahren handle.

Daniela Klette ist wegen eines Dutzends Raubüberfällen auf Supermarktkassen und Geldtransporter angeklagt, die sie vor neun bis 25 Jahren mit zwei Gefährten unternommen haben soll. Anders als bei bewaffneten Geldräubern, wurde sie von der Staatsanwaltschaft zusätzlich auch wegen versuchten Mords angeklagt. Auch wenn der Mordvorwurf inzwischen vom Tisch ist, unterstellt das fünfköpfige Gericht noch immer eine Tötungsabsicht. Das zeigt, wie realitätsfern dessen Einschätzungen über Linke sind. Diese würden, um an Geld zu gelangen, nicht den Verlust von Menschenleben einplanen. Und als eine aufrechte Linke hat sich Daniela Klette im laufenden Verfahren und mit öffentlichen Stellungnahmen wiederholt ausgezeichnet.

An einem Vormittag im September schaut sogar der Eigentümer der Reithalle vorbei.

34 Prozesstage sind seit Verhandlungsbeginn im März vergangen. Zuletzt wurden zwei bis drei Zeugen pro Tag gehört und über ihre lange zurückliegenden Beobachtungen befragt. Ihre Aussagen haben sich merklich den Informationen aus der öffentlichen Fahndung angepasst. Inzwischen sprechen viele von drei Täterinnen und können ihnen sogar Geschlechter zuordnen: Von »zwei Männern und einer Frau« erzählt beispielsweise eine Zeugin, die bei der polizeilichen Vernehmung am Tattag 2016 noch zu Protokoll gegeben hat: »Ich habe eindeutig erkennen können, dass vier Personen im Auto sitzen, zwei vorne, zwei hinten.« Das Auto sei rappelvoll mit Menschen gewesen. Bis Jahresende sind noch etwa 16 Prozesstage terminiert, voraussichtlich wird die Verhandlung bis ins kommende Jahr dauern. Seit über sechs Monaten läuft nun der Prozess ohne Vorkommnisse, die die existierenden Sicherheitsvorkehrungen rechtfertigen würden. Diese wirken so maßlos überdimensioniert, auch weil an den Verhandlungstagen nur drei bis zehn Besucherinnen anwesend sind. Darunter befinden sich Linke, die der Angeklagten freundlich zuwinken, und oft auch Menschen aus der Region, die sich den Prozess einmal ansehen wollen. An einem Mittwochvormittag im September schaut sogar der wohlhabende Eigentümer der Reithalle mit weiblicher Begleitung vorbei – und unterliegt dabei nicht der üblichen scharfen Kontrolle. Anders als Zuhörerinnen und Pressevertreterinnen wird das Paar nach einer Pause mit Toilettengang nicht durchleuchtet und abgetastet, sondern durchgewunken. Über das Vorgehen bei den Einlasskontrollen entscheidet das Gericht. Letztlich deutet auch die Ungleichbehandlung der Prozessbesucher*innen darauf hin, dass Daniela Klette in diesem politischen Prozess kein faires Verfahren zu erwarten hat.

Daniela Klette vor Gericht: Wie einst für Stammheim

Weil sie in den neunziger Jahren der Rote-Armee-Fraktion angehört haben soll, wurde für den Prozess gegen Daniela Klette in Niedersachsen ein Hochsicherheitsgericht gebaut. Derweil bringt der Ermittlungsdrang die deutsche Polizei bis nach Basel.

Von Merièm Strupler, Verden

«Wir kannten Daniela von früher und wussten, wie oft sie sich gegen solche unmenschlichen Haftbedingungen eingesetzt hatte.» Rolf Brugger (Name geändert)

Da ist Rolf Brugger, in Funktionsjacke und mit munterem Blick wartet er vor der Basler Staatsanwaltschaft auf seine Anwältin. Ein regnerischer Nachmittag Ende August. Gleich werden ihn zwei Schweizer Bundespolizisten als Zeugen befragen. Mit im Raum: zwei Beamte vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA). Brugger ist 74 Jahre alt. In seinem Rucksack liegt ein mobiles Sauerstoffgerät, auf das er aus gesundheitlichen Gründen angewiesen ist.

Da ist die Verhaftung in Berlin-Kreuzberg, achtzehn Monate zuvor, im Februar 2024: Vier Polizisten klingelten an der Wohnungstür von Daniela Klette. Seit 1993 hatten die deutschen Behörden nach ihr gefahndet – wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in der Rote-Armee-Fraktion (RAF). Damals war Daniela Klette 34 Jahre alt, heute ist sie 66. Eine RAF-Mitgliedschaft wäre mittlerweile verjährt. Doch wie Daniela Behrens, 57 Jahre alt, niedersächsische Innenministerin, nach der Verhaftung klarstellte: «Wir vergessen nicht.» Der deutsche Staat vergisst nicht.
Auch Rolf Brugger in Basel hat Daniela Klette nicht vergessen. Als junge Frau war diese in der damaligen Antikriegsbewegung aktiv, demonstrierte gegen den Nato-Doppelbeschluss. Als Brugger erfährt, dass die Festgenommene in Isolationshaft sitzt, rund um die Uhr per Video überwacht, ihr der Zugang zu sämtlichen Medien, ja selbst zu einem Kugelschreiber verwehrt wird, beschließt er, dass er sehen will, wie es ihr geht – er stellt einen Besuchsantrag: «Ich wollte nicht, dass sie allein eingemacht wird.» Aufgrund seiner chronischen Erkrankung traut sich Brugger die Reise nach Niedersachsen nicht alleine zu. Im Juni 2024 besucht er, zusammen mit einer Freundin, Daniela Klette im Frauengefängnis Vechta.

«Gleich im Anschluss an den Besuch wurden wir von BKA-Beamten unter Druck gesetzt», schildert der 74-Jährige. «Wir sollten direkt vor Ort Zeugenaussagen machen.» Es stehe gar ein Arzt bereit, falls es zu «Problemen» kommen würde. Für Brugger, auch mit Blick auf seine Gesundheit, eine Drohkulisse. «Wir bestanden darauf zu gehen.»
Zu Hause reicht er eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Ein paar Monate später ersucht die deutsche Generalbundesanwaltschaft die Schweiz um Rechtshilfe – auf die versuchte Einvernahme ohne amtliche Vorladung folgt nun eine offizielle Ladung in der Schweiz. «Ich soll zu Anschlägen befragt werden, die 35 Jahre zurückliegen», sagt Brunner, «und zu denen ich noch nie zuvor als Zeuge aufgeboten worden bin.»

«Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein.», automatische Durchsage im Gericht

Da ist der Prozess, der vor einem halben Jahr in der niedersächsischen Kleinstadt Celle begonnen hat und mittlerweile nach Verden-Eitze umgezogen ist, mit dem Vorsitzenden Richter Lars Engelke, Ende vierzig, in schwarzer Robe (siehe WOZ Nr. 22/25). An Prozesstag Nummer 27, Mitte September, ist er von seiner Richterbank aufgestanden: Er trägt blaue Plastikhandschuhe, in seiner Hand liegt eine Panzerfaustattrappe. Er hält sie sich an die Schulter und sagt etwas für Presse und Publikum Unverständliches. Lustig muss es gewesen sein, denn aus der Runde in schwarzen Roben, die ihn umringt, dringt Gelächter. Drei Nebenklagevertreter, Beirichter:innen, zwei Staatsanwältinnen. Die Verteidiger:innen der Angeklagten aus Berlin.

Und dann sitzt da Daniela Klette, die grauweißen Haare wie immer zum Dutt gebunden, mit Turnschuhen, Sportbeutel und Wasserflasche ausgerüstet. Sie beobachtet aus der Distanz die illustre Runde der Roben bei der Beweismittelsichtung.

«Dieses ‹vielleicht letzte juristische Gefecht› zwischen RAF und BRD ist eine Fiktion für die Geschichtsbücher der herrschenden Klasse und eine Adresse an alle, die sich dem Vernichtungsfeldzug des Kapitals gegen das Leben entgegenstellen.» , Stephanie Bart in «analyse & kritik», 15. April 2025
Es sind die beiden getrennten Verfahren, die sich so richtig nicht trennen lassen wollen. Zum einen ermittelt die erwähnte Bundesanwaltschaft gegen Klette: wegen dreier Anschläge, zu denen sich die RAF in den neunziger Jahren bekannt hatte. Zum anderen ist da jener Prozess, den aktuell das Landgericht Verden führt. Ein Prozess, der von Beginn an mit seiner eigenen politischen Dimension ringt, der «kein Terrorismusprozess» (Engelke) sei, dem es «einmal mehr um die Aburteilung der RAF» (Klette) gehe. Die Anklageschrift befasst sich mit Raubüberfällen auf Supermärkte und Geldtransporter zwischen 1999 und 2016, an denen Daniela Klette beteiligt gewesen sein soll. Sowie mit unerlaubtem Waffenbesitz – und: besagter Panzerfaustattrappe. Mit dem Erlös aus den Überfällen soll Klette ihr Leben im Untergrund bestritten haben; gemeinsam mit Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, «gesondert verfolgt», weiterhin untergetaucht und ebenfalls mutmaßlich Teil der dritten Generation der RAF.

«Es gäbe ja tausend Ideen, wo Geld statt für solch einen irrationalen Komplex äußerst willkommen wäre: Schulgebäude, Kitas, Schwimmbäder, Krankenhäuser, Klima- und Umweltschutz, Frauenhäuser, würdige Lebensbedingungen für Geflüchtete … Ich war schon auf einiges gefasst, aber diese Dimensionen habe ich mir nicht vorstellen können. Welche Wahnsinnigen haben das zu verantworten?», Daniela Klette, Prozesstag Nummer 10

Da ist die ganz eigene Kulisse dieses Prozesses. Der Gerichtssaal, eine ehemalige Reithalle in Verden-Eitze, die «aus Platz- und Sicherheitsgründen» für rund 3,6 Millionen Euro umgebaut wurde – um dreizehn Überfälle in der niedersächsischen Provinz zu verhandeln, bei denen insgesamt 2,7 Millionen Euro gestohlen wurden. Nun sperrt Nato-Stacheldraht die Hochsicherheitsreithalle von den umliegenden Pferdekoppeln, dem Longierzirkel und dem Kinderspielplatz ab. Einmal in der Stunde fährt hier ein Bus. Eine ehemalige Reithalle, das passt zu Verden, der «Reiterstadt», wie sich das Städtchen nennt, wegen seiner Pferdezucht, dem Pferdesport. Noch bis Mitte November stellt das örtliche Pferdemuseum die Werke von Hartmut Hellner aus, einem der «renommiertesten Künstler im Genre internationaler Pferdemalerei» («Weser Kurier»).

Und schließlich ist da diese Parallele, die offenbar keine sein sollte: Stammheim. Für den ersten großen RAF-Prozess vor fünfzig Jahren – als 1975 bis 1977 Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Andreas Baader vor Gericht standen – war vorab «aus Sicherheitsgründen» extra ein «fensterloses Mehrzweckgebäude» gebaut worden. Für zwölf Millionen Deutsche Mark. 2023 wurde der Sondergerichtssaal abgerissen.

An den Prozesstagen Nummer 27 und 28 in Verden-Eitze sind von den Plätzen für die Presse gerade mal 6 von 55 besetzt. Mittlerweile verhandelt das Gericht – nach Stuhr 2015, Cremlingen 2016 und Duisburg 1999 – den versuchten Überfall in Wolfsburg zwischen Weihnachten und Neujahr 2015. Kurz scheinen in der Reithalle die Lebensrealitäten der beiden Geldtransporterfahrer, in Jeans und T-Shirt, auf. Es sind beklemmende Befragungen. Beide Zeugen schildern die Dienstanordnung, die den einen Fahrer anwies, im Moment des Überfalls mit dem Transporter wegzufahren – um das Geld zu sichern. Sein Kollege blieb draussen mit den maskierten Personen zurück. Eine betriebsinterne Nachbereitung des Erlebten habe es nicht gegeben, sagen beide.

«Diese Kontrollen sind nichts anderes als ein Misstrauensvotum gegen die Verteidigung.»,
Ulrich von Klinggräff, Verteidiger, Prozesstag Nummer 28

Derweil sind da die kleinen Errungenschaften der Verteidigung, dreiköpfig, in schwarzen Roben: die aufgehobene Isolationshaft; die schwere Bleiweste, die Daniela Klette während der Transportfahrten nicht mehr tragen muss. Unter der Voraussetzung, dass sie es nicht mit anderen Gefangenen teilt, darf die 66-Jährige im Gefängnis zudem bald auf Durchschlagpapier schreiben – eine analoge Drucktechnik, patentiert um 1806. Vor allem aber kippte das Gericht im Juli, just vor der Sommerpause, den schwersten Vorwurf: den «versuchten Mord», den Staatsanwältin Annette Marquardt wegen der Schüsse, die bei zwei Überfällen gefallen waren, eingeklagt hatte.

Und manchmal ist das juristische Gefecht auch eines in eigener Sache, so wie an jenem Morgen, als Klettes Verteidiger:innen ihren Unmut über die Taschenkontrollen beim Einlass in die Reithalle kundtun – denen sie sich, im Gegensatz zu Staatsanwältin Marquardt, unterziehen müssen.

«Wir unterbrechen die Hauptverhandlung bis 14 Uhr. Frau Müller, ich komme gleich noch zu Ihnen …», Richter Lars Engelke, Prozesstag Nummer 27

Und schließlich sitzt da Ariane Müller, grauer Pony, Gerichtsreporterin für die «Junge Welt». Richter Engelke hat schon die Mittagspause einberufen, als er zur Tür in der gläsernen Trennwand eilt, hinter der Presse und Publikum sitzen. Das Landgericht würde ihrem Antrag, Daniela Klette zu besuchen, nicht im Weg stehen, versichert er Müller.

Dagegen spricht sich indes die Bundesanwaltschaft aus, die im Übrigen die siebzigjährige Reporterin als Zeugin vorgeladen hat. Es sind die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, im Zuge derer etliche ältere Menschen als Zeug:innen aufgeboten werden. Neben Ariane Müller in Verden und Rolf Brunner in Basel auch Jürgen Schneider, ein 72-jähriger Autor. Er hatte Daniela Klette einen Brief ins Gefängnis geschickt. Daraufhin erreichte auch ihn ein Brief, wie er in der Zeitung «nd» publik machte – vom BKA. Schneider lebt mit einer koronaren Herzerkrankung, psychosoziale Belastungen können für ihn ein erhöhtes Herzinfarktrisiko bedeuten.

Ariane Müller hatte ihre Vorladung Mitte August in Berlin: «Was haben Sie die letzten fünfzig Jahre politisch alles gemacht?», sei ihre Mandantin direkt zu Beginn gefragt worden, erklärt Silke Studzinsky, Müllers Anwältin. Was denn das mit dem Verfahren zu tun habe, habe sie zurückgefragt. «Bei Aussagen zu Geschehnissen vor über dreißig Jahren besteht immer die Gefahr, dass Erinnerungen nicht korrekt sind», sagt Constanze Seelmann, Rolf Brunners Anwältin, in Basel. Sie hat an jenem verregneten Nachmittag den Beamten ein Schreiben übergeben, das ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend macht. Die Vorladung erwecke zudem den Eindruck einer «fishing expedition» – einer unzulässigen Beweisausforschung auf gut Glück. «Aus grundrechtlicher Sicht ist das höchst problematisch», fügt Seelmann an.

Ariane Müller verwies bei der Befragung auf Paragraf 55 der deutschen Strafprozessordnung, das Recht auf Aussageverweigerung, sowie auf ihre journalistische Tätigkeit. Trotzdem drohen ihr als Zeugin nun Bussgelder – und bis zu sechs Monate Beugehaft. «Die Vorladungen sollen abschrecken, Solidarität soll im Keim erstickt werden», sagt sie. «Wer keine verwendbaren Aussagen liefern kann oder möchte, wird unter Verdacht gestellt und Haftandrohungen ausgesetzt», schreibt Jürgen Schneider im «nd». «Ich werde jede Frage», konstatiert Rolf Brunner in Basel, «wahrheitsgemäß mit meinem Schweigen beantworten!»

Ein Prinzip, das man auch an anderer Stelle kennt:
«Zu Zeugenbefragungen äußern wir uns grundsätzlich nicht.», Sprecherin der Generalbundesanwaltschaft

WOZ Nr. 39 – 25. September 2025

https://www.woz.ch/2539/daniela-klette-vor-gericht/wie-einst-fuer-stammheim/!R20CKP364M7P
3.
Grußwort zur Urteilsverkündung von Hanna und der Demonstration „Antifa bleibt notwendig“ am 27.09 in Nürnberg um 12 Uhr am Veit-Stoß-Park

Ich melde mich aus dem Untergrund aufgrund des heutigen Prozessendes und Urteils gegen Hanna im ersten deutschen Gerichtsverfahren im sogenannten Budapest-Komplex.

Das heutige Urteil von 5 Jahren Haft ist für uns alle wahrscheinlich ein Wachruf. Liebe Hanna, liebe Genoss:innen und Genossen, Liebe Freund:innen und Freunde, Liebe Familie – Ich bin in Gedanken heute fest bei euch. Ich wünsche euch jede erdenkliche Kraft, einen Umgang mit diesem harten Schlag, den wir aber besonders Hanna, heute vom deutschen Staat erfahren mussten, zu finden.

Überrascht hat mich das heutige Urteil aber nicht. Es reiht sich ein in die sich kontinuierlich verschärfende Repression, mit der wir als antifaschistische und revolutionäre Bewegung seit 2017 konfrontiert sind. Sie soll dazu führen, dass wir uns noch mehr um uns selbst drehen und eine Einschüchterung hervorrufen. Sie soll uns davon abhalten, abseits des heuchlerischen bürgerlichen Gesetzesrahmen zu agieren. In den vergangenen Jahren war der Staat mit diesem Vorgehen auch erfolgreich. Das kann für uns aber nicht heißen, in eine Schockstarre zu verfallen. Weitere Jahre in Haft stehen unserer engen Genossin und Freundin, sowie einigen weiteren Antifaschist:innen noch bevor. Unsere Trauer hierüber gilt es in Wut zu wandeln und auf die Straße zu tragen! Anderes bleibt uns auch kaum übrig:

Die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen begrenzen sich nicht nur auf die Repression gegen eine radikale Linke. Weltweit sind faschistische Bewegungen auf dem Vormarsch, gewinnen mehr und mehr an Einfluss und werden in immer mehr imperialistischen Staaten zur Regierungsoption. Die letzten Tage waren geprägt von der Berichterstattung über die Einstufung einer antifaschistischen Bewegung in drei Ländern als „terroristisch“ und auch in Deutschland beweisen die Schweine des Staates einen unvergleichlichen Verfolgungseifer und eine ausgeprägte Feindjustiz.

Diese Welt bewegt sich auf den Abgrund zu. Die führenden imperialistischen Staaten steuern geradewegs auf einen dritten globalen Krieg zu. Überall auf der Welt werden bereits heute Kriege geführt, im Sozialbereich gespart, um für kommende Kriege zu rüsten und die Gesellschaft auch immer weiter militarisiert. Aggression nach Außen und Repression nach Innen prägen unsere Zeit. Dabei wird der Faschismus zur Durchsetzung kapitalistischer Herrschaft immer mehr zur Option. Mehr denn je gilt es in die Geschichte zu schauen und aus ihr zu lernen. Es ist unsere Aufgabe als Antifaschist:innen und Antifaschisten den Kampf weiter zu führen und uns nicht brechen zu lassen. Unsere Vorkämpfer:innen und Vorkämpfer haben einen unglaublich schmerzhaften Kampf dafür geführt, die Welt vom deutschen Faschismus zu befreien und eine bessere Zukunft aufzubauen. Heute gilt es mehr denn je ihren Kampf weiterzuführen und jetzt umso konsequenter auf allen Ebenen der reaktionären Offensive entgegenzutreten.

Damit werden wir nur erfolgreich sein können, wenn wir eine starke Organisation mit klarer Perspektive aufbauen, die dazu in der Lage ist, auf verschiedensten Ebenen den Kampf für eine bessere Welt zu führen.

Liebe Genoss:innen, wie gerne wäre ich heute bei euch und würde meine unglaubliche Wut mit euch auf die Straße tragen. Doch auch wenn wir in unterschiedlichen Lebenssituationen sind, führen wir einen gemeinsamen Kampf. Ob in Haft, auf der Straße oder im Untergrund.

Liebe Hanna, wahrscheinlich ist die Machtlosigkeit die du heute fühlst und in der du dich befindest beschreibbar und wie gerne würde ich für dich da sein. Ich denke so geht es so vielen Menschen hier und auch wenn du heute wahrscheinlich alleine in deiner Zelle sitzt, sind unsere flammenden Herzen undurchtrennbar miteinander verbunden und du wirst auch diese Zeit durchstehen. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels und eines Tages werden auch wir uns wieder in den Armen liegen.

Heute ist kein Tag des Verzagens, heute ist kein Tag der Trauer. Die Solidarität muss praktisch werden und das bedeutet auch die vorgeworfene Praxis weiterzuführen. Organisieren wir uns und arbeiten vereint an dem Aufbau eines neuen Sozialismus – damit sich Geschichte nicht wiederholt.
Denn heute heißt es leider wieder wie bereits vor 100 Jahren: Sozialismus oder Barbarei!

Und um bei Rosa Luxemburg zu bleiben:
So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem!

Flammende Grüße aus dem Untergrund

Und jetzt lasst uns gemeinsam anstimmen:
Eure Repressionen kriegen uns nicht klein – Wir sind auf der Straße im Widerstand vereint!