Anhörung mit Hindernissen

USA: Entscheidung über Bewährungsantrag des indigenen politischen Langzeitgefangenen Leonard Peltier kann sich bis Mitte Juli hinziehen

Der indigene Gefangene Leonard Peltier musste in den USA 15 Jahre warten, bevor er erneut eine Freilassung auf Bewährung beantragen konnte, nachdem 2009 eine entsprechende Eingabe abgewiesen worden war. Entsetzt hatten seine Unterstützer damals die Ablehnung mit dem Hinweis kommentiert, dass Peltier, falls er dann überhaupt noch leben würde, 80 Jahre alt wäre und mehr als 48 Jahre in Haft verbracht hätte. Jetzt haben wir 2024, Peltier hat weitere 15 Jahre im Gefängnis überlebt, trotz hohen Alters, schwerer Krankheiten und ständiger Lockdowns. Die mögliche Kalkulation des FBI, er werde das nicht überleben, ist nicht aufgegangen.

Vergangenen Montag fand dann im Hochsicherheitsgefängnis Coleman in Florida die lange erwartete Anhörung statt. Neben Leonard Peltier und dem Anhörungsbeauftragten der U. S. Parole Commission waren Peltiers Anwälte Kevin Rabin und Moira Meltzer-Cohen sowie Vertreter seiner Gegner und Fürsprecher anwesend. Die Hoffnung, dass für Peltier der in den 70er Jahren aufsichtführende Staatsanwalt James Reynolds aussagen würde, wurde kurzfristig enttäuscht. Die Kommission hat von sieben vorgeschlagenen Fürsprechern sechs abgelehnt. Darunter auch Reynolds, der einst für Anklage, Verurteilung und anhaltende Inhaftierung des indigenen Aktivisten verantwortlich war, sich aber seit einigen Jahren für Peltiers Freilassung einsetzt und dabei darauf hinweist, dass es keinerlei Beweise für eine Schuld oder Mitschuld des seit 48 Jahren Inhaftierten gebe und er seine frühere Meinung bedauere.

Doch bevor sich Peltier, dessen Anwälte und nach Einspruch doch noch zwei Fürsprecher Peltiers – neben der Zeugin Renée Morrissey der Oglala-Lakota Nick Tilsen, Präsident des NDN Collectives, einer von Indigenen geführten Interessenvertretungsorganisation – äußern konnten, hatten zuerst die sechs Vertreter der Gegenseite das Wort. Neben einem Schreiben des amtierenden FBI-Direktors Christopher Wray, der sich am 7. Juni erneut gegen eine Freilassung Peltiers in jeder Form aussprach, kamen auch vier Angehörige der bei dem Schusswechsel vom 26. Juni 1975 getöteten FBI-Mitarbeiter Jack Coler und Ronald Williams zu Wort und wiederholten dabei ihre frühere Position, dass Peltier in Haft sterben solle. Weiterhin anwesend auf der Seite der Regierung waren ein Vertreter des FBI und ein Staatsanwalt.

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Für Peltier, seine Anwälte, Zeugen und Fürsprecher war dies eine schwierige Ausgangssituation, um gegenüber dem anwesenden Vertreter der Kommission die Argumente für Peltiers Bewährungsfreilassung so überzeugend wie möglich vorzubringen. In einer E-Mail bedankte sich Peltier für die Unterstützung und betonte, dass die Entscheidungsfindung sicher nicht einfach werde. Diese kann sich bis zum 11. Juli hinziehen. In einem Schreiben an jW sendet Leonard Peltier überdies seinen großen Dank auch an all seine Unterstützer in Europa, die in den vergangenen Wochen an Brief- und Petitionskampagnen teilgenommen hatten. Dabei haben sich allein bei den von der »Europe for Peltier 2024 Coalition« überblickten Aktionen mehr als 40.000 Menschen an die Parole Commission mit der Bitte um Bewährungsfreilassung gewandt.

Wie geht es bis Bekanntgabe des Bescheids und danach weiter? Gegen eine Ablehnung könnte Widerspruch eingelegt werden. Allerdings würde dieses Verfahren mehrere Monate dauern. Gleichzeitig ist aber ein Antrag auf Executive clemency, also Begnadigung, bereits anhängig. Außerdem wird im Falle einer Ablehnung auch ein erneuter Antrag auf Freilassung aus mitfühlenden Gründen (Compassionate release) gestellt.

Bereits in zwei Wochen werden in der Pine Ridge Reservation am Jahrestag des tödlichen Schusswechsels zwischen FBI und indigenen Aktivisten, dem Oglala Commemoration Day, Peltiers Unterstützer erneut für Aufmerksamkeit sorgen. Seit vielen Jahren drücken sie an diesem Tag nicht nur ihre Solidarität mit Leonard Peltier aus, sondern betonen dabei auch den Wunsch nach einem Aussöhnungs- und Heilungsprozess zwischen den Betroffenen. Unterstützt werden sie dabei wieder auch von europäischen Menschenrechtsgruppen.

Von Michael Koch

Weitere Infos: leonardpeltier.de
junge Welt 14.Juni2924